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Schulneubauten in Berlin
Der Sanierungsstau bei Schulen rächt sich

Nachdem das Land Berlin sich jahrelang nicht um seine Schulen kümmerte, läuft jetzt eine groß angelegte Schulbauoffensive. 5,5 Milliarden Euro werden in den nächsten Jahren investiert - die eine Hälfte geht in die Sanierung, die andere in den Neubau. Denn die Schülerzahlen sollen in den nächsten Jahren weiter ansteigen.

Von Claudia van Laak |
    Eine Sanierungsbedürftige Toilette in der Berufsschule für Bäcker und Konditoren in München.
    Das oft deutlichste Zeichen für einen Sanierungsstau: Schultoiletten (imago)
    Mehr als 20 Jahre haben Lehrer, Eltern und Schüler im Berliner Stadtteil Biesdorf-Süd gewartet - jetzt können sie sich freuen. Konnte doch vor vier Wochen die neue schicke Fuchsberggrundschule eingeweiht werden. Raus aus den Containern, rein in den hellen dreistöckigen Flachbau aus beige-grauen Ziegeln. Doch der oppositionelle CDU-Abgeordnete Christian Gräff kann sich nicht so recht freuen.
    "Wir sind nicht zufrieden, weil die Schule erstens über 20 Jahre zu spät kommt und jetzt schon übervoll ist und wir unbedingt alleine für die Schüler, die nächstes Jahr zur Schule kommen, 120 Plätze brauchen und die passen hier beileibe nicht mehr rein."
    Kaum fertig, schon zu klein. Denn Berlin wächst schneller und heftiger, als alle erwartet hatten. Hier am nord-östlichen Stadtrand ist noch Platz – in den Neubaugebieten entstehen Ein- und Mehrfamilienhäuser, begehrt bei jungen Familien, die ihre Kinder nicht in der Innenstadt aufwachsen lassen wollen.
    "Alleine nur hier in diesem Einzugsbereich dieser einen Grundschule entstehen in den nächsten drei Jahren ungefähr 1100 Wohnungen, das heißt, mindestens 2500 Menschen, heißt auch 100 bis 200 Grundschüler, die sind in dem, was wir nächstes Jahr brauchen, noch gar nicht eingerechnet, spätestens in ein bis 2 Jahren brauchen wir eine neue Grundschule und auch die muss sofort gebaut werden."
    Neue Schule: nicht von heute auf morgen gebaut
    Eigentlich sind die zwölf Berliner Bezirke für Neubau und Erhalt ihrer Schulen zuständig. Doch sie sind damit überfordert. Das Land greift ihnen deshalb unter die Arme und übernimmt die Großprojekte. Außerdem kommt die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge mit ins Boot – sie ist für den Neubau der Schulen verantwortlich. Berlins SPD Finanzsenator Matthias Kollatz:
    "Und natürlich kann man jetzt sagen, ich hätte lieber bei einer Schule, bei der der Baubeginn 2023 ist, da hätte ich lieber 2018. Da kann man jetzt das Land beschimpfen, warum die eine früher und die andere später beginnt. Aber das sind zusätzliche Maßnahmen, die wir anbringen, um diesem Ding überhaupt zum Erfolg zu verhelfen. Wenn wir das nicht getan hätten, dann hätten wir ein Bauvolumen von 2,5 Milliarden in der Preisklasse noch zusätzlich auf der Bezirksebene."
    Geld und Verantwortlichkeiten sind geklärt, jetzt können und müssen die Milliarden verbaut werden, und zwar möglichst schnell. Doch eine neue Schule ist nicht von heute auf morgen geplant und gebaut. Es beginnt schon beim Grundstück - während am Stadtrand noch Platz ist, sieht es in den innerstädtischen Bezirken ganz anders aus. Die SPD-Abgeordnete Maja Lasic:
    "Mitte ist ein klassischer innerstädtischer Bezirk. Mit anderen Worten: Wir haben so gut wie keine Fläche, dafür aber immer mehr Schüler. Wir werden bestehende Schulen erweitern, und wir werden überall da, wo es geht, Flächen sichern, um zusätzliche Schulen zu errichten."
    Zwischenlösungen müssen her
    Im Wahlkreis der bildungspolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion bahnt sich ein erster heftiger Konflikt an. Vor neun Jahren schloss der Bezirk das Diesterweg-Gymnasium. Einerseits fehlte Geld für die Sanierung, andererseits – so sahen es die Verantwortlichen damals – wurde die Schule nicht mehr gebraucht. Eine Initiative setzte sich dafür ein, im Schulgebäude ein soziokulturelles Zentrum zu etablieren. Doch jetzt wird der Schulstandort dringend gebraucht. Maja Lasic:
    "Jeder, der sagt, dass am Standort des ehemaligen Diesterweggymnasiums keine Schule errichtet werden soll, muss mir auch erklären, wo sie stattdessen hinkommt."
    Schule oder soziokulturelles Zentrum? Schule oder Naherholungsgebiet? Schule oder Parkplätze? Je weiter die Schulbauoffensive voranschreitet, umso heftiger werden diese Konflikte. Oliver Görs vom Landeselternausschuss: "Wir müssen uns gesamtstädtisch in ganz Berlin die Frage stellen, was ist uns wichtiger, Schulstandorte, Schulplätze in ausreichender Anzahl oder Parkplätze für Individualverkehr. Die Schulbauoffensive im Land Berlin muss gelingen, weil das muss der Anspruch sein, den Politik uns gegeben hat."
    Die Senatsverwaltung für Bildung geht davon aus, dass die Schülerzahlen in den nächsten Jahren weiter ansteigen werden. Von derzeit etwa 350.000 auf 396.000 in fünf Jahren, also plus 13 Prozent. Es muss also zügig gebaut werden - Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher von der Linken:
    "Es gab ja eine lange Diskussion darüber, warum muss eine Schulbaumaßnahme in Berlin 7 bis 9 Jahre dauern. Kann das nicht schneller gehen. Wir sind optimistisch, dass wir das schneller können. Unter fünf Jahre von der Planung bis zur Fertigstellung."
    Der Stadtteil Biesdorf-Süd wird also noch ein paar Jahre auf eine zweite Grundschule warten. Eine Zwischenlösung muss her - kaum sind die alten Container der Fuchsberggrundschule abgebaut, kommen neue. Für die Erstklässler im nächsten Sommer.