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Schulschwänzer
EU-Projekt will Schulabbruch-Quote senken

Stress mit Lehrern, familiäre Probleme, die falsche Schulform: Die Gründe für einen Schulabbruch sind vielfältig. Ein neues EU-Projekt will nun die Schulabbrecherquote verringern. Entwickelt hat das Programm das Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Technik. Die Idee: Eingreifen, bevor es zu spät ist.

Von Hilde Braun |
    Eine leere Schulklasse.
    Einfach dem Unterricht fernbleiben: Viele Schüler haben keine Lust auf Lernen. (dpa/picture-alliance/ Peter Endig)
    "Ich habe die Schule verlassen, weil ich viele Probleme hatte, ich habe angefangen zu kiffen, ich habe mich mit Lehrern nicht verstanden, teils meine Schuld."
    Zwei Jahre ist das her. Heute ist Benedikt Küccükaya 19 Jahre alt. In der zehnten Klasse warf er hin, brach die Schule ab. Anschließend machte er acht Monate lang überhaupt nichts.
    "Ich habe mich auf alles andere konzentriert, auf alles andere worauf ich Lust habe, lieber mit meinen Freunden getroffen, es wäre angebracht in dieser Zeit zu lernen. Ich hab' geschwänzt, ich bin einfach nicht hingegangen."
    Viele Gründe kamen bei ihm zusammen, letztendlich war das Gymnasium wahrscheinlich die falsche Schulform für ihn, waren die Anforderungen dort zu hoch.
    "Ich bin mit einer Realschulempfehlung, mit einer eingeschränkten Gymnasiumsempfehlung trotzdem auf eine Schule gegangen, die unter den Gymnasien als sehr hoch angesehen war, das war auch irgendwo ein Fehler, weil man die höchsten Erwartungen hat, die man nicht erfüllen kann.
    Ich hatte nicht umsonst eine Realschulempfehlung bekommen, ich denke die Realschule wäre einfach angemessener gewesen."
    Die falsche Schulform ist einer der Hauptgründe für einen Schulabbruch, erklären auch die Mitarbeiter des EU-Projektes vom Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Technik.
    Oft sind es aber ganz individuelle Gründe: Der eine kommt mit bestimmten Lehrern nicht zurecht, der andere stammt aus einer bildungsfernen Familie, die sich wenig für den Schulbesuch ihres Kindes interessiert oder es dabei nicht unterstützen kann.
    Pilotprojekt in Spanien
    Zunächst wird das Projekt in Spanien umgesetzt. Zwei Mitarbeiter vom Gelsenkirchener Institut begleiten dort die erste Pilotphase. Sie arbeiten zunächst das Personal von zwei Schulen ein. Dort wird dann ein Leitfaden erstellt, mit dem alle anderen Schulen in Spanien, Italien, der Türkei und Deutschland arbeiten werden.
    Der Schulabbruch soll vor allem mit einem Coaching- oder Mentoring Programm verhindert werden. In der Praxis sieht das so aus, dass schulmüde Schüler vor einem Schulabbruch einen Mentor zur Seite gestellt bekommen, der zunächst mit dem jeweiligen Schüler das Problem bespricht – wie das aussehen kann, erklärt Ileana Hamburg, Leiterin der Studiengruppe lebenslanges Lernen am Gelsenkirchener Institut:
    "Was sind deine Ziele, was willst du im Leben erreichen. Dann machen wir ein paar Ziele, welche von den Zielen möchtest du erreichen, und dann übermorgen treffen wir uns wieder dann sagst du mir, was hast du bisher gemacht."
    Der Mentor kann ein Mitschüler sein, der besonders gut in der Schule ist, aber auch ein Familienmitglied, Lehrer oder Sozialarbeiter. Über das Mentoring hinaus gibt es weitere Maßnahmen: Gespräche mit Lehrern, Schulleitern, Eltern. Aber auch Besuche von Betrieben oder anderer Schulformen sollen stattfinden, um den Blick für Alternativen zur Schule zu weiten:
    "Wir können ein paar 'Days of Practice', also Praktikum in einer berufsorientierten Schule, machen, dann gucken die, vielleicht gefällt mir das besser als die Schule wo ich bin."
    Auch Freizeitprogramme sollen angeboten werden, um zum Beispiel Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Theaterstücken die deutsche Kultur näher zu bringen.
    Programm mit Familienanschluss
    Weil der Schulabbruch oftmals familiäre Ursachen hat, versucht Projektmitarbeiter Fikret Öz die Eltern der Schulabbrecher so gut wie möglich in das neue EU-Projekt einzubinden.
    "Wir wollen auch die Eltern einbeziehen, das wird in vielen Fällen nicht so gut funktionieren, aber das ist unser Ziel, die Eltern müssen entweder Gespräche führen, darauf aufmerksam machen und Hinweise geben, wie sie die Kinder unterstützen können, oder dass man die Eltern von diesen Risikogruppen zusammenbringt und mit ihnen diskutiert."
    Mitarbeit der Schulabbrecher erforderlich
    Für all diese Angebote stehen gerade mal 110.000 Euro für die nächsten zwei Jahre zur Verfügung. Das, was in den Schulen erarbeitet wird, soll im Anschluss europaweit umgesetzt werden.
    Letztendlich kann es nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sein. Damit diese erfolgreich ist, ist aber auch die Mitarbeit der Schulabbrecher erforderlich.
    Benedikt Küccükaya ist nicht zur Schule zurückgekehrt, obwohl es viele Lehrer gab, die ihm damals mit Rat und Tat zur Seite standen und sich auch jetzt noch nach ihm erkundigen. Er hat eine Ausbildung zum Automobilkaufmann begonnen. Dass er den Platz bekommen hat, verdankt er der Unterstützung seiner Familie vor allem aber sich selbst, denn irgendwann entschied er sich sein Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen und traf außerdem einen einen verständnisvollen Geschäftsführer, der ihm zunächst ein Praktikum zusagte.
    "Es war die Chance, hätte ich diese Chance nicht bekommen, ich wüsste nicht, was ich heute machen würde."