Schulsport in den USA
Playbook für Reformer

Der in die Jahre gekommene Schulsport in den USA ist längst kein Musterbeispiel mehr für andere. Ein Washingtoner Think Tank hat nun auf der Basis umfangreicher Studien ein Playbook erarbeitet, das Bildungspolitikern und Lehrern Ratschläge gibt.

Von Jürgen Kalwa |
Szene aus dem Spielfilm "The blind side" mit Sandra Bullock
Vom Star der Schulmannschaft bis in die NFL - das ist beliebter Schulsport-Stoff für Hollywood. Hier eine Szene aus “The Blind Side - Die große Chance”. (picture alliance / dpa / Ralph Nelson / Warner)
Es geschieht nicht oft. Aber alle paar Jahre liefert der amerikanische Schulsport den Kreativen in Hollywood richtig guten Stoff. Wie die Geschichte eines mittellosen, schwarzen Footballspielers, der zum Star der Schulmannschaft wird und später in der NFL landet. Die Filmversion mit dem Titel “The Blind Side - Die große Chance” spielt 2009 mehr als 300 Millionen Euro ein.
Das Milieu High-School-Sport hat schon einige Kinodramen inspiriert - am häufigsten mit  der Sportart Football im Zentrum. Aber auch mit Basketball, Baseball und Ringen. Was beweist: Schulsport in den USA ist populär. Das kann mit einer einfachen Zahl unterstrichen werden: Sechs Millionen Jugendliche – darunter immer mehr Mädchen - nehmen landesweit am schulischen Angebot in Leibesübungen teil. Allein eine Million von ihnen betreibt Leichtathletik.

Studie: Nur 39 Prozent der US-Highschool-Schüler treiben Sport

Beim zweiten Blick sieht das Ganze schon sehr viel weniger positiv aus: Denn während etwa im Bundesstaat Maine im Nordosten des Landes über 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler bei den nachmittags angebotenen Programmen mitmachen, kommt man in Nevada gerade mal auf eine dürftige Quote von knapp 20 Prozent.
Auch das Aspen Institut hat sich in den vergangenen Jahren umfassend mit dem Schulsport in den USA befasst. Und der Think Tank aus Washington, der sich mit einem weiten Spektrum gesellschaftspolitischer Fragen beschäftigt, stellt dem US-Schulsport-System kein gutes Zeugnis aus. Tom Farrey, Gründer und Direktor der Abteilung “Sport und Gesellschaft”, mit den Ergebnissen.
“Nur 39 Prozent der Highschool-Schüler treiben in diesem Land Sport. Das bedeutet, dass die meisten Kinder keinen Zugang zu Sporterfahrungen haben. Wir müssen einen Weg finden, um die Kinder einzubinden, die von diesem System ausgeschlossen sind. Das US-System hat sicher viele Vorzüge, aber es gibt einige Defizite, die behoben werden müssen.”

US-Politik sah den Sport als Mittel zur Nationenbildung

Dieses Fazit klingt auch deshalb überraschend, weil Schulsport kurz nach Beginn des 20. Jahrhunderts mit sehr viel Engagement auf den Weg gebracht worden war. Alle politischen Ebenen arbeiten damals zusammen,  bis hinunter auf die kommunale, wo die Steuern erhoben werden, mit denen in Amerika das Schulwesen finanziert wird. Bau und Unterhalt von Sporthallen und Sportplätzen inklusive.
Tom Farrey: "Das wurde von Präsident Teddy Roosevelt und seinen Zeitgenossen konzipiert, die im Sport ein Mittel zur Nationenbildung sahen. Und dass zur Bildung auch die körperliche Ertüchtigung gehört. Die Herausforderung heute besteht darin, dass neuere Schulen, oft kleinere Privatschulen, nicht in Anlagen investieren. Sie übernehmen Gebäude, die sich etwa in Einkaufszentren befinden. Sie verfügen dort nicht über Turnhallen und Sportplätze.”
Dazu kommt eine wachsende Zahl von Schülerinnen und Schülern, die von ihren Eltern im Rahmen des sogenannten “Homeschooling” zuhause unterrichtet werden. Die meisten dieser geschätzt mehr als zwei Millionen Kinder sind in der Altersgruppe unter 14. Sie haben in knapp der Hälfte der Bundesstaaten offiziell keinerlei Zugang zu den Sportstätten und Wettbewerben der öffentlichen Schulen.

Playbook bietet nach landesweiter Umfrage konkrete Vorschläge

Farrey sieht aber auch ein sportspezifisches Problem: Schulen fixieren sich auf talentierte Nachwuchsathleten in den beliebtesten Sportarten, um den ihren Bekanntheitsgrad durch Wettkämpfe gegen andere Schulen fördern. “Das ist bedauerlich, denn Sport ist für alle wertvoll. Schulen sind Gehirn-Entwickler und sie sollten wirklich darüber nachdenken, wie sie mehr Schüler in gesunde sportliche Aktivitäten einbinden können.”
Sein Ratgeber verspricht Abhilfe. Und zwar mit Hilfe von ganz konkreten Ansätzen. Zu ihnen gehören: Sport nicht als hübsche Nebensache betrachten, sondern gezielt mit den allgemeinen pädagogischen Zielen verknüpfen. Sportliche Angebote stärker den Wünschen der Schülerinnen und Schülern anpassen statt umgekehrt. Die landesweite Erhebung, die für die Studie angestellt wurde, hatte ergeben, wie groß das Interesse der Heranwachsenden an Krafttraining, Radfahren, Skateboarding und sogar Yoga ist. Nicht zu vergessen: eine fortlaufende Schulung von Sportlehrern.
Das Fazit von Tom Farrey: "Das Playbook hat viel Gutes bewirkt", sagt er. Aber es gibt noch viel mehr, was getan werden kann. Und was sicher auch dringend getan werden muss.