Es sei "ein sehr, sehr weites Feld in NRW", wie gut der Schulstart unter Corona-Hygienebedingungen, aber dennoch im sogenannten Regelbetrieb im Bundesland laufe, so Stephan Behlau, NRW-Landesvorsitzender des des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Im Dlf spricht er auch darüber, warum er den lange erwarteten und ebenfalls aktuell vorgestellten Masterplan Grundschule für unzureichend hält.
Thekla Jahn: Wie fallen die bisherigen Rückmeldungen aus den Schulen aus?
Stefan Behlau: Die Rückmeldungen sind bislang relativ ruhig. Natürlich hat es eine große Aufregung gegeben vor dem Schulstart, aber insgesamt zeichnete sich doch das Bild, dass alle mit der durchaus sehr außergewöhnlichen Situation einigermaßen gelassen versuchen umzugehen.
Jahn: Wie sehen Sie die Vorbereitungen zum heutigen Schulstart? Offenbar lief ja nicht alles so rund, wie man hätte hoffen können, denn der Termin ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern sechs Wochen Ferien hätten ja zur Vorbereitung genutzt werden können.
Behlau: Die politische Entscheidung ist getroffen worden, dass es eine Rückkehr zum sogenannten Regelunterricht gibt. Hierfür haben die Schulen versucht, alles Mögliche vorzubereiten, inklusive auch der Einhaltung der Hygienepläne. Das war nicht ganz einfach.
Es ist auch natürlich ganz einfach gewesen, teilweise den Unterrichtsbeginn zu entzerren, gerade, wenn man an große Systeme denkt, da muss es Kapazitäten geben bei den Bussen – einige Kommunen haben das hinbekommen, andere haben das nicht hinbekommen, sodass wir hier ein, glaube ich, sehr, sehr breites und weites Feld in NRW gesehen haben.
"Grundschulen schon seit vielen Jahren unterfinanziert"
Jahn: Gestern hat ja NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer sich nicht nur zum Schulstart geäußert, sondern auch zum schon seit Längerem erwarteten Masterplan Grundschule. Wir haben bei "Campus & Karriere" gestern die zentralen Eckpunkte schon vorgestellt, als da wären Englisch erst ab Klasse 3 und dann mit höherer Stundenzahl, Kernkompetenzen sollen gestärkt werden, dazu gehört auch Rechtschreibung, das Prinzip "Schreiben nach Gehör" wird damit aufgegeben. Außerdem mehr sozialpädagogische Fachkräfte und bessere Beförderungsmöglichkeiten für Grundschullehrer. Herr Behlau, der VBE ist nicht zufrieden, was haben Sie zu kritisieren?
Behlau: Na ja, der Masterplan ist tatsächlich eine Medaille mit zwei Seiten. Die inhaltlichen Punkte, dazu muss man ganz klar sagen, dass die Grundschulen schon seit vielen Jahren einfach unterfinanziert gewesen sind und dennoch gute Ergebnisse erzielt haben. Mit Handreichungen und sonstigen Hilfestellungen seitens des Ministeriums wird es hier nicht getan sein, inhaltliche Umsteuerung ist eigentlich nicht notwendig.
Was wir hier dringend seit Jahren brauchen, ist einfach mehr Personal, sind bessere Ressourcen, ist eine bessere Ausstattung. Die andere Seite ist – die haben Sie auch gerade benannt –, es ist tatsächlich so – und das ist schon ein wenn auch kleiner, so aber doch ein Schritt in die richtige Richtung –, es wurden Beförderungsämter angekündigt für die Grundschule, wo wir bisher davon gesprochen haben, dass Lehrkräfte dort eher in einem Laufstall als in einer Laufbahn sich bewegen. Diese Beförderungsämter sollen in einem Kegel von fünf Prozent sein, das ist natürlich nicht ausreichend.
Hier fehlt der große Wurf, hier fehlt endlich die Beseitigung der Ungerechtigkeit in der Lehrerbezahlung, nicht nur in der Grundschule, sondern natürlich auch in der Sekundarstufe I und in der Förderschule. Dieses Zeichen muss endlich kommen, dieses Zeichen für die Wertschätzung und auch das deutlichste Werbezeichen, damit junge Leute Lehrerinnen und Lehrer werden.
Jahn: Also aus dem Laufstall zur Laufbahn, das ist gelungen mit dem Masterplan…
Behlau: Nicht ganz, aber ansatzweise.
VBE fordert gleiche Eingangsbezahlung in den verschiedenen Schulformen
Jahn: Ansatzweise… Bezahlung so wie alle anderen Lehrer an weiterführenden Schulen, das wäre eine Möglichkeit, mehr Lehrkräfte zu generieren für die Grundschule. Warum, glauben Sie, hat das nicht Eingang gefunden in den Masterplan Grundschule?
Behlau: Letzten Endes wird es natürlich die große Frage sein der Finanzierung. Und hier, denke ich, hat vor allen Dingen der Finanzminister den Riegel davorgeschoben. Es ist ja eine Frage, die wir schon seit Jahren auf der Agenda haben und die bisher noch keine Landesregierung hinreichend lösen konnte. Alle fordern es immer, wenn sie in der Position sind, allein die Lösungen fehlen noch.
Es ist aber jetzt an der Zeit, vor allen Dingen seit der Reform der Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen, diese Ungerechtigkeit zu beheben und allen Lehrkräften in der Grundschule, in der Sek I, in der Förderschule und im Gymnasium die gleiche Eingangsbezahlung zu geben.
Jahn: Wenn ich Sie recht verstehe, ist das der Hauptkritikpunkt des VBE, ansonsten ist vieles für Sie jetzt auf dem richtigen Weg gelandet.
Behlau: Es ist der Hauptkritikpunkt, ich würde aber auch nicht sagen, dass der Masterplan insgesamt ein großer Wurf ist. Frau Ministerin Gebauer hat gestern von einem Meilenstein gesprochen, das sehen wir nicht so. Dafür, dass wir so lange auf diesen Masterplan warten mussten, würde ich sagen, ist er ein Plan, aber noch lange kein Masterplan.
Die inhaltlichen Fragestellungen zielen eher darauf ab, ein Stück weit die Versäumnisse der Politik, aber auch der Politik der letzten Jahre insgesamt zu vertuschen, denn noch einmal: Es geht nicht um die fachliche Qualifikation der Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen, es geht nicht um die Qualität des Unterrichts an den Grundschulen, denn die ist gut, dort wird hervorragende Arbeit geleistet.
Hier geht es wirklich hauptsächlich um die Frage der Ressourcen. Und da war die Grundschule lange Jahre einfach abgeschlagen.
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