Die Sommerferien gehen peu-a-peu zu Ende, in Nordrhein-Westfalen beginnt die Schule 12. August. Die Rückkehr zum Präsenzunterricht für alle vorzubereiten und zu organisieren war in den letzten Wochen auch die Aufgabe von Michael Wittka-Jelen, dem stellvertretenden Schulleiter des Humboldt-Gymnasium in Kölns, einer Schule mit 1.200 Schülerinnen und Schülern.
Vor allem die kurzfristig auferlegte Verpflichtung zum Tragen eines Mund-und-Nasenschutzes in NRW sei organisatorische Herausforderung gewesen, sagte Wittka-Jelen. Er zeigte sich überrascht, dass das Tragen der Masken vom Schulministerium derart streng vorgeschrieben worden sei.
Jasper Barenberg: Eine Woche hatten Sie Zeit, die Vorgaben von Politik und Verwaltung umzusetzen. Hat diese Zeit denn gereicht?
Michael Wittka-Jelen: Nun, für das, was in diesem sehr umfangreichen Brief oder Erlass formuliert wurde, eigentlich nicht. Aber wir sind ja durch die Erfahrungen, die wir im letzten Jahr hatten, vorbereitet in die Sommerferien gegangen und haben da schon gesehen, welche offenen Fragen werden vermutlich relevant sein, um entsprechend vorbereitet in ganz bestimmte Konzepte, die wir vorbereitet haben und angegangen sind, dann noch mal konkret umzusetzen. Es ist eine Vorausahnung gewesen dessen, was da auf uns zukommt. Insofern sind die Vorbereitungen, die wir getroffen haben, jetzt auch nicht so ganz überraschend auf die Inhalte der Verlautbarungen aus Düsseldorf gekommen.
Barenberg: Was sind denn die wichtigsten Regeln, die jetzt an Ihrer Schule gelten?
Wittka-Jelen: Die wichtigste Regel, das ist ja zentral auch die Aussage, dass eben der Mund-und-Nasenschutz getragen werden muss. Das war für uns auch erst mal eine Überraschung, weil wir in der Form, wie es formuliert wurde, nicht damit gerechnet haben. Da haben wir auch gedacht, dass es doch eher flexibel und etwas offener formuliert würde. Das hat dazu geführt, dass wir im Grunde unser Konzept noch mal strenger durchdenken mussten und eben in die konkreten Kommunikationsprozesse der an Schulen eben Beteiligten eintreten mussten. Daraus haben sich dann Fragen entwickelt, die auch bis heute nicht ganz so einfach zu beantworten sind und vor denen wir im Grunde auch noch konkret stehen, wenn eben der Regelbetrieb wieder beginnt und sich dann zeigen wird, ob das, was wir vorbereitet haben und von dem Erlass auch grundgelegt ist, dann auch wirklich greifen kann.
Aufweichen der Maskenpflicht unter bestimmten Umständen
Barenberg: Wenn die Maskenpflicht sozusagen die größte Herausforderung für Sie jetzt konkret ist, worin besteht diese Herausforderung, an was müssen Sie da denken, ganz praktisch?
Wittka-Jelen: Also ganz praktisch ist daran zu denken, wie im Grunde diese Regelung dann in die Unterrichtsvorbereitung und in den realen Unterricht integrierbar ist. Da hat das Ministerium ja auch schon in Ansätzen formuliert, dass die Maskenpflicht unter ganz bestimmten Umständen auch aufgeweicht werden kann. Wir haben aber das Problem, dass wir aufgrund baulicher Gegebenheiten, die sind auch immer standortspezifisch zu betrachten, erst mal sehen müssen, wir klappt das mit der Akustik, der Durchlüftung der Räume, wie ist es möglich, auch in einen kommunikativen Interaktionsprozess zu treten, wenn die Schülerinnen und Schüler oder auch die Lehrkräfte Masken tragen. Ich denke da insbesondere an die sprachlichen Fächer, wo ja auch Aussprache und Prononcierungen in Mundbewegungen eingeübt werden müssen. Das wird sich im Alltag dann zeigen, wie einfach das umsetzbar ist, ob die Momente, die wir da zur Verfügung haben, nämlich zeitweise auf die Maskenpflicht zu verzichten dann ausreichend sind, um dann einen regelhaften Unterrichtsbetrieb dann auch laufen zu lassen.
Barenberg: Aber für den Augenblick haben Sie das Gefühl, Sie können erst mal den Versuch machen und Sie sagen uns, das lässt sich soweit umsetzen mit der Maskenpflicht?
Wittka-Jelen: Sie haben es richtig formuliert mit dem Begriff Versuch, der für uns auch im Grunde der Begriff ist, der uns ein bisschen durch die kommenden Tage leitet, wir wissen das alle. Die unvorhergesehene Situation war noch nie da, wir sind alle, die an dem Schulleben beteiligt sind, in einem Versuchsstadium. Wir werden sehen, wie sich die Vorgaben, die aus Düsseldorf gekommen sind, umsetzen lassen. Nicht umsonst hat Frau Gebauer ja eine Frist gesetzt bis zum Ende des Monats, um dann noch mal zu schauen – kalibriert auf die Erfahrungen hin, die wir und andere Schulen eben gemacht haben –, ob die Maßnahmen, die jetzt angedacht sind, ausreichen oder vielleicht sogar verschärft werden müssen.
"Renovierungsstau schlägt sich nieder"
Barenberg: Was das Thema Lüften angeht, das scheint ja eine sehr wichtige Regel zu sein, da heißt es jetzt, dass es bei den Räumlichkeiten, die es vielen Schulen gibt, das ist natürlich von Ort zu Ort unterschiedlich, ganz schwierig sein wird und dass erste Tests gezeigt haben, dass schon nach einer Stunde möglicherweise die Luft so schlecht sein kann, dass das Risiko von Ansteckung wieder steigt. Wie haben Sie das im Blick, wie beugen Sie da vor?
Wittka-Jelen: Das ist mit die größte Sorge nicht nur der Eltern, sondern auch des Kollegiums. Sie wissen das, die Schulen sind alle unterschiedlich eingerichtet, der Renovierungsstau, der sich da angedeutet hat, schlägt sich auch in manchen Gebäudeteilen unserer Schule nieder. Da lassen sich eben Fenster nicht öffnen, sodass eine hundertprozentige Belüftung da nicht gewährleistet ist. Da sind wir spezifisch aufgefordert, nach Alternativen zu suchen, Räume zu finden, wo dann Unterricht stattfinden kann.
Barenberg: Haben Sie diese Möglichkeit?
Wittka-Jelen: Die haben wir eingeschränkt, weil die spezifische Situation in Köln auch noch mal ein bisschen prekärer ist als vielleicht in anderen Orten in Nordrhein-Westfalen. Wir suchen uns dann Räume, die noch einigermaßen nutzbar sind und als Klassenräume dann herhalten können, zumindest wenn die Fenster funktionieren, ist die Gesundheitsgefährdung damit erst mal ausgeschlossen.
"Abstimmungsprozess muss zielgerichteter laufen"
Barenberg: Und die große Frage, die vermutlich viele umtreibt: Was, wenn es Infektionen gibt? Gibt es einen Plan B, haben Sie einen Plan B?
Wittka-Jelen: Der Plan B resultiert im Grunde aus den Erfahrungen, die wir vor den Sommerferien gemacht haben, der ist da. Die Möglichkeiten, auf Distanzunterricht zu wechseln, sind natürlich abhängig von der Ausstattung der Schule selbst. Ich persönlich habe nicht die hundertprozentige Ausstattung, um dann ein Distanzlernen auf qualitativ hohem Niveau zu gewährleisten. Da sind ja die Schulträger mit der Bezirksregierung und dem MfB im Gespräch. Ich würde mir wünschen, dass dieser Abstimmungsprozess zwischen Schulträgern, Bezirksregierung und Düsseldorf noch zielgerichteter läuft, sodass Ablauf und Optimierungsprozesse, was die Ausstattung mit digitalen Endgeräten anbelangt und die Vernetzung im WLAN möglichst zeitnah und schnell passiert, denn die Katastrophe, das Virus hat eben gezeigt, dass wir da schneller arbeiten müssen als die Jahre zuvor. Der Wille ist da, der wird aus Düsseldorf klar signalisiert, aber auf der Ebene der Kommunen, das haben Sie auch allenthalben schon mitbekommen, sind die Umsetzungsprozesse dann doch sehr träge.
Barenberg: Ich verstehe Sie also so: So einfach gibt es den Wechsel zurück oder das Parallellaufen von Präsenzunterricht, Unterricht in der Klasse und Unterricht aus der Ferne, auf Distanz, digitalen Unterricht, so leicht lässt sich das nicht mischen und wechseln?
Wittka-Jelen: Konzeptgebunden schon, die Konzepte sind da, die Erfahrungen, die wir gemacht haben auch, aber um ansatzweise einen qualitativ wertvollen Unterricht zu gewährleisten, wie es auch im Präsenzunterricht möglich ist, mit Sicherheit nicht. Dazu fehlen eben auch die Vorgaben bezüglich der Leistungsbewertung und der Notenfindung bei den Zeugnissen. Wie geben wir Noten im Distanzunterricht, wie ist die Leistungsbewertung dann auch so zu formulieren, dass sie widerspruchsfrei durchgeht und die Kolleginnen und Kollegen, aber auch Schulleitung, die dafür verantwortlich ist, rechtssicher dann entsprechend handeln können.
Bei Lockdown - Unterrichtsqualität zu sichern, wäre schwieirg
Barenberg: Ist denn das auch die Rückmeldung, Sie haben von den Erfahrungen aus der Zeit vor den Ferien gesprochen, wo es teils Unterricht in den Klassen gab und natürlich viel Unterricht in den letzten Monaten auch auf Distanz und aus der Ferne. Da hört man ja von sehr unterschiedlichen Rückmeldungen. Welche Rückmeldung haben Sie bekommen an Ihrer Schule, wie viel Nachholbedarf sehen da die Schülerinnen und Schüler, wie viel Nachholbedarf sehen die Eltern da?
Wittka-Jelen: Ich wäre nicht ehrlich, wenn ich nicht auch sagen würde, dass auch an meiner Schule da sicherlich Unterschiede aufgetaucht sind. Das kann man an verschiedenen Faktoren festmachen, woran das lag, aber dass unterschiedlich unterrichtet wurde, dass in Abhängigkeit der Kompetenzen der einzelnen Lehrkräfte und digitalen und infrastrukturellen Ausstattung ein Unterschied bestand, das führt bei mir und auch in der Schulleitungsrunde bei uns immer wieder auch zu der Frage, wie können wir im Distanzunterricht auch so unterrichten und die Lernerfolge sichern, dass ein erfolgreicher weiterer Verlauf der Schullaufbahn der Schülerinnen und Schüler gesichert ist. Und das kann ich mir bei einem jetzt folgenden oder möglichen zweiten Lockdown in längerer Zeit nicht vorstellen. Da wirklich adäquate Unterrichtsqualität zu sichern, stellen wir uns sehr schwierig vor.
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