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Schulstreik Fridays for Future
Umstrittene Klimaaktivistin

Die Schülerin Greta Thunberg ist nicht nur die Initiatorin des Schülerstreiks – sie ist längst Ikone der Klimaschutzbewegung geworden. Gretas furchtlose Art beeindruckt viele. Doch es werden zunehmend auch Vorwürfe laut, dass sie gesteuert werde: ein Teenager allein könne solches gar nicht leisten.

Von Simonetta Dibbern |
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Die Klimaaktivistin Greta Thunberg bei einer Kundgebung in Hamburg am 1.3.2019 (dpa/ Daniel Reinhardt)
Es sind an diesem Freitag höchstens 50 Demonstranten am Mynttorget, zuviel Wind, zuviel Schnee. Laut sind sie trotzdem, vor allem die Kindergruppen, die ihre selbstgebastelten Schilder halten: "Schulstreik fürs Klima" skandieren sie immer wieder. Greta Thunberg spricht mit einem Fernsehteam, ihr Vater hat ihr gerade etwas zu essen gebracht.
"Greta kommt nicht aus einer Familie von Klimaaktivisten. Im Gegenteil. Ich liebte Autos, Reisen, Essen, Kleidung war mir total wichtig. Und meine Frau ist Opernsängerin, sie hatte Engagements in der ganzen Welt. Sie musste fliegen, um arbeiten zu können. Greta beschäftigte sich mehr und mehr mit dem Thema, fing an, die Lichter auszumachen und jeden überflüssigen Stecker aus der Dose zu ziehen, sie kam auch mit Argumenten und sagte uns, dass Fliegen das Schlimmste ist, was man als einzelner tun kann. Und schließlich beschloss meine Frau, das Fliegen aufzugeben. Und dann sahen wir beide, dass diese Entscheidung Greta glücklich machte. Weil wir ihr zuhörten und sie ernst nahmen. Das war eine enorme Erfahrung."
Greta als PR-Marionette?
Die Unterstützung durch die Eltern ist zum Bumerang geworden: Das Kind werde als PR-Marionette ausgenutzt, lautet einer der Vorwürfe. Gretas Mutter Malena Ernman etwa wolle mit Hilfe ihrer Tochter ihr aktuelles Buch vermarkten. Denn in derselben Woche, in der Greta erstmals gegen die Klimapolitik demonstrierte, erschien das Buch der Mutter. In diesem Buch geht es auch um Greta – sie hat Asperger, eine Form von Autismus. Auch Greta selbst spricht offen über ihre Krankheit: Mit elf kam die große Krise. Sie aß nicht mehr, sie sprach nicht mehr, mehrere Monate. Ihr Protest sei für sie vor allem die beste Therapie, sagt ihr Vater.
"Ja, sie redet darüber, für sie ist es ein Geschenk, aus diesem Schubladendenken herauszukommen. Sie kann ihre Gefühle nicht verbergen, ist sehr transparent. Natürlich hatten wir Angst, dass es schlimmer werden würde. Doch nichts davon: Es hat sich alles verbessert, Essen, soziale Kontakte, Greta hat 1000 Prozent mehr Energie als früher."
Svante Thunberg, der Vater von Greta Thurnberg vor dem Parlament in Stockholm
Svante Thunberg, Vater von Greta (Deutschlandradio/ Simonetta Dibbern)
Nur in Nebensätzen versucht Svante Thunberg, manche Vorwürfe zu entkräften: er bezahle alles selbst. Die Bahnfahrkarten nach Davos, nach Brüssel und Paris – und
im vergangenen November den Mietwagen nach Kattowitz.
"Auf unseren ersten Fahrten mussten wir ein Elektroauto nehmen, weil sie es nicht ertrug, unter fremden Leuten zu sein. Sie konnte zum Beispiel nicht essen, wenn Menschen um sie waren. Heute geht sie in Restaurants, sie kann überall essen, solange es vegan ist – sogar im Zug. Und das hat unser Leben in der Tat verändert."
"Warum sollte ich nervös sein?"
Svante Thunberg, Anfang 40, Bart, lange Haare unter der Fellmütze, war Schauspieler, bevor Greta auf die Welt kam. Hat er mit ihr geübt und die großen Auftritte einstudiert?
"Nein, das habe ich nicht. Es ist seltsam und kaum zu erklären. Ihre erste Rede hielt sie im Spätsommer nach drei Wochen Schulstreik für einen großen Klima-Marsch hier im Amphitheater, 2.500 Menschen. Ich hielt das für keine gute Idee, sagte: Greta, du hast noch nie vor anderen Menschen gesprochen, nicht mal in deiner Klasse. Das könnte schrecklich für dich werden."
Die ganze Familie saß im Publikum, sehr nervös. Sie kannten ihre Tochter, fürchteten, sie könnte in Tränen ausbrechen oder stumm bleiben.
"Aber sie ging da rauf, hatte alles perfekt geübt. Sie sagte dem Publikum, ich werde englisch sprechen, nehmt gerne alles auf. Und alle hörten ihr zu. Und sie trifft den UN-Generalsekretär und Al Gore, alle diese Leute. Das sind doch ganz normale Menschen, so wie ich, sagt sie. Warum sollte ich nervös sein? Ich weiß doch, was ich sagen will."