Archiv

Schulweg
Aktionen gegen das Elterntaxi

Autos halten im Sekundentakt, wenden und drängeln, Autotüren werden geöffnet, Kinder springen raus: Das birgt eine hohe Unfallgefahr und dennoch ist dies jeden Morgen ein typisches Bild vor vielen Grundschulen. Eltern bringen ihre Kinder mit dem sogenannten Elterntaxi zur Schule. Unterschiedliche Projekte wollen diese Praxis abstellen oder einschränken.

Von Susanne Schäfer |
    Zwei Erstklässler laufen zwischen zwei Autos durch. | picture alliance / dpa / Patrick Pleul
    Vor dem Unterricht kommt es vor Grundschulen oft zu gefährlichem Autoverkehr. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    - "Morgen, morgen, Sie wissen, dass Sie jetzt entgegen der Fahrtrichtung stehen? Dass ihr kleiner Sohn jetzt zur Fahrbahn hin ausgestiegen ist. Was meinen Sie, wenn da ein Auto gekommen wäre?"
    - "Ja, das ist gefährlich, er weiß auch eigentlich, dass er gucken soll."
    - "Nein, er soll da gar nicht aussteigen!"
    Es ist kurz vor acht in Osnabrück vor der Stüveschule. Karl-Heinz Klenke vom Präventionsteam der Polizei spricht Eltern an, so wie diese Mutter. Sie ist in Eile und will ihre Kinder auf dem Weg zur Arbeit eben schnell vor der Schule absetzen:
    - "Das ist ein Weg und dann sehe ich auch, wie er zur Schule rein läuft."
    - "Aber das ist ganz schön gefährlich."
    - "Da haben sie recht, das ist immer ein Chaos, jeden Morgen ist das das gleiche."
    Hektik am Morgen, Sorge um das Kind – die Gründe der Eltern sind nachvollziehbar. Aber das Ergebnis ist nicht hinnehmbar, meint Rektor Martin Igelmann:
    "Die allermeisten Kinder werden tatsächlich von den Eltern mit Autos gebracht. Die Eltern fahren von allen Seiten hier in die enge Straße rein, es gibt Wendemanöver, Autos fahren nah aneinander vorbei, Kinder huschen dazwischen durch. Das ist das eigentlich, was täglich passiert, und zwar bis zur letzten Minute. Und dann kommen die, die mit Auto gebracht werden auch noch zu spät zum Unterricht."
    Fußgänger laufen sicherer
    Ein Teufelskreis: Eltern sehen die Gefahr vor der Schule, bringen ihr Kind mit dem Auto und sorgen so für ein noch größeres Verkehrschaos. Dabei zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Als Mitfahrer im Auto verunglücken Kinder häufiger als als Fußgänger. Zu Fuß sind sie sicherer unterwegs.
    Die Stadt Osnabrück will jetzt gegen Elterntaxis vorgehen. Der Rat hat einstimmig beschlossen, sich Schule für Schule vorzunehmen. Wo es geografisch möglich ist, sollen Bannmeilen eingerichtet werden. Also Bereiche rund um die Schule, wo die Eltern nicht halten dürfen.
    Die Stadt Aachen verfolgt diesen Weg schon seit acht Jahren. Inzwischen haben zwölf Schulen sogenannte Elternhaltestellen – besonders beschilderte Parkplätze einige hundert Meter von der Schule entfernt. Laut der Stadt Aachen konnte der Bringverkehr dadurch deutlich reduziert werden.
    Mehrere Kampagnen und Projekte gegen das Elterntaxi
    Und Frankfurt am Main hat vor einigen Jahren die Kampagne "Schulweg-Safari" gestartet. Eine pfiffige Internetseite und ein Kurzfilm, der auch in Frankfurter Kinos läuft, werben für den Schulweg zu Fuß. Dass der viele Vorteile hat, finden auch diese Osnabrücker Viertklässler:
    - "Im Auto fühlt man sich natürlich sicher, aber es macht mehr Spaß, zu Fuß zu gehen, da ist Natur."
    - "Ich komme im Moment sehr oft mit dem Roller, weil mir das sehr viel Spaß macht, so kriege ich frische Luft, bin wach und habe mich meistens auch schon mit Freunden getroffen."
    - "Ich fahre gerne mit dem Fahrrad, denn wenn man in der Schule ankommt, ist man schön wach und hat schon frische Luft geschnappt."
    Olivia Zerwos, Til Ganschow und Johanna Haake besuchen die Osnabrücker Elisabethschule. Und die macht seit einigen Jahren mit bei der Aktion "Zu Fuß zur Schule" vom Verkehrsclub Deutschland und dem Deutschen Kinderhilfswerk.
    In den vier Projektwochen vor und nach den Herbstferien ist die Resonanz sehr gut, sagt Rektor Georg Jansen-Wätjen. Aber dann flaut das Engagement wieder ab. Das hat auch eine Umfrage gezeigt, die eine dritte Klasse gerade unter den Mitschülern durchgeführt hat:
    "Es waren 65 Kinder von unseren 228 Kindern, die noch gebracht werden, das sind umgerechnet so 25 Prozent. Mein Ziel wäre es, das wirklich 90 Prozent selbstständig zur Schule kommen. Weil es wirklich besser ist fürs Lernen und für die Persönlichkeitsentwicklung."
    Schulleiter Georg Jansen-Wätjen ist überzeugt: Wer den Schulweg ohne Eltern zurücklegt, ist deutlich selbstständiger. Die Kinder freuen sich, wenn man ihnen das zutraut – auch Johanna Haake:
    "In der ersten Klasse hat mein Papa mich noch gebracht. Aber ab der zweiten bin ich dann zu Fuß gegangen. Also ich habe mich gefreut, weil für mich war das neu. Mir hat das immer Spaß gemacht."
    Sogar Erstklässler seien schon in der Lage, morgens ein paar Kilometer zu Fuß zu gehen, sagt der Schulleiter:
    "Ich würde das nach und nach anleiern. Ich würde schauen, dass man mit mehreren Kindern geht, dass sich Erwachsene vielleicht abwechseln. Und dass man den Schwierigkeitsgrat nach und nach erhöht. Aber eigentlich kann man damit schon in der ersten Klasse beginnen."
    Und damit Mama oder Papa nicht jeden Morgen den Schulweg mitgehen müssen, empfiehlt der Verkehrsclub Deutschland den sogenannten Laufbus - eine organisierte Laufgemeinschaft, ein Schulbus auf Füßen, den soll es auch in Osnabrück künftig öfter geben.