Dirk-Oliver Heckmann: Am Wahlabend, da sah Bundeskanzlerin Angela Merkel ja als strahlende Siegerin aus. Mittlerweile ist klar: Die Regierungsbildung, die wird nicht so einfach, wie sich das viele vorgestellt haben. Seit gestern steht jetzt fest der Termin für das Sondierungsgespräch zwischen Union und SPD. Am Freitag soll es stattfinden. Aber Angela Merkel hat auch die Grünen eingeladen, die demonstrativ Lob erhalten haben gestern. Telefonisch zugeschaltet jetzt Martin Schulz von der SPD. Er ist Präsident des Europaparlaments und Mitglied im SPD-Präsidium. Schönen guten Morgen, Herr Schulz!
Martin Schulz: Guten Morgen, Herr Heckmann.
Heckmann: Herr Schulz, CDU und CSU entsenden 14 Vertreter in die Sondierungsgespräche am Freitag, die SPD sieben. Die Union macht damit klar, wie die Mehrheitsverhältnisse in einer Großen Koalition wären. Das mit der Augenhöhe und das mit dem Verhandeln auf Augenhöhe, das können Sie vergessen, oder?
Schulz: Das weiß ich nicht. Ich glaube nicht, dass die Anzahl derjenigen, die da um den Tisch herumsitzen, entscheidet über die Inhalte, und die Inhalte entscheiden über die Koalitionsbildung. Von daher: Die numerische Präsenz spielt keine Rolle. Entscheidend ist, was am Ende vereinbart werden kann, und wir werden uns orientieren an den Inhalten, nicht an den Personen, die da am Tisch sitzen.
Heckmann: Aber Sie können ja nicht leugnen, dass die SPD mit 25,7 Prozent wesentlich schwächer ist als die Union, die ja 41,5 Prozent eingefahren hat.
Schulz: Nein, das kann man nicht leugnen. Das Wahlergebnis steht fest, die CDU ist die mit Abstand stärkste Partei im Deutschen Bundestag. Aber sie hat keine Mehrheit und sie muss zum Regieren eine Mehrheit finden. Sie will, wenn man der Regierungschefin glaubt, eine stabile Mehrheit. Dann muss sie sicher Angebote machen, wie die zustande kommen soll, und diese Angebote sind inhaltlicher Natur. Deshalb werden wir uns auf diese Inhalte konzentrieren.
Heckmann: Die Union hat mehrere Optionen, Pardon, Herr Schulz, nämlich auch die Grünen. Die wurden ja jetzt auch eingeladen für Sondierungsgespräche, die dann in der kommenden Woche stattfinden sollen. Hermann Gröhe, der Generalsekretär der CDU, der hat die Grünen ja demonstrativ gelobt, weil sie ihren Linkskurs kritisch aufarbeiten würden, während vonseiten der SPD nicht groß was kommen würde. Wie groß ist denn die Gefahr aus Ihrer Sicht, dass Sie dann doch am Ende in der Opposition landen?
Schulz: Zunächst einmal haben wir ja für Freitag Sondierungsgespräche vereinbart. Bei diesen Sondierungsgesprächen wird sicherlich festgestellt werden müssen, dass Parallelverhandlungen keine Option sind. Man kann nicht hingehen, auch wenn man die stärkste Partei ist, und nach dem Rosinenpicker-Prinzip sagen, mal mit denen, mal mit denen. Die CDU/CSU wird sich schon entscheiden müssen, mit wem sie denn ernst zu nehmende Koalitionsverhandlungen aufnehmen will. Sie hat deshalb sowohl ein Angebot an uns unterbreitet als auch an die Grünen. Da wird man am Ende sehen, was dabei herauskommt. Parallelverhandlungen, das kann ich Ihnen sagen, wird es sicher nicht geben.
Heckmann: Aber wie wollen Sie denn verhindern, dass die Union nicht doch SPD und Grüne gegeneinander ausspielt?
Schulz: Der Ball liegt ja – das ist jetzt schon tausendmal gesagt worden – im Feld der Union. Die Union muss sich entscheiden, mit wem sie verhandeln will.
Heckmann: Aber die Union kann doch jederzeit sagen, wir brechen an dieser Stelle die Koalitionsverhandlungen ab, wir sprechen dann mit den Grünen.
Schulz: Dann soll sie das tun. Wer mit der SPD eine Koalition bilden will, der wird am Freitag mit uns sondieren, was sind die Inhalte: gibt es einen flächendeckenden Mindestlohn, gibt es den gleichen Lohn für gleiche Arbeit, gibt es Steuererhöhungen, um die ganzen Wahlversprechen vor allen Dingen der Union zu finanzieren. Bis daher ist sie ja schuldig geblieben, wie sie das finanzieren will. All diese Dinge wird man am Freitag miteinander ausloten. Wenn es dann sich lohnt, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, dann wird das sicher bei der SPD gemacht werden. Wir werden das bewerten im Lichte der Ergebnisse dieser Sondierungsgespräche.
Aber noch einmal: Wenn die CDU lieber mit den Grünen verhandeln will, weil sie meint, damit kriegt sie besser eine Regierung hin, wird sie das sicher tun. Wenn sie glaubt, eine stabile Regierung mit der SPD bilden zu können, dann wird sie auf uns und unsere Forderungen eingehen müssen. Da wird es sicher Kompromisse geben. Aber mal hier, mal da, seien Sie sicher: Das wird es nicht geben. Das wird es auch von der CDU-Seite nicht geben.
Heckmann: Sie glauben nicht im Ernst, Herr Schulz, dass Sie 50 Prozent Ihrer Inhalte durchbringen werden?
Schulz: Wir haben, ich wiederhole das noch mal, bestimmte zentrale Forderungen, und ohne diese zentralen Forderungen werden wir sicher in keine Koalitionsverhandlungen hineingehen. Das haben wir am vergangenen Freitag festgelegt. Das weiß auch die CDU. Wir wissen auch, dass die CDU zentrale Forderungen hat, auf die wir werden eingehen müssen und Kompromisse finden müssen. Das ist das Wesen der Demokratie, der Kompromiss. Aber Sie werden umgekehrt nicht von mir erwarten, dass ich Ihnen heute sage, wir würden von irgendwelchen zentralen Forderungen abgehen.
Ich nehme mal eine kleine zentrale Forderung, die in Deutschland unbedingt gelöst werden muss. Das ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Soweit ich die Bundeskanzlerin verstanden habe, will die das sicher auch.
Heckmann: Dazu kommen wir gleich noch mal. Aber im Zentrum steht ja im Moment das Thema Steuererhöhungen. Die SPD bleibt ja dabei, die soll es und muss es geben aus ihrer Sicht. Die Union schließt Steuererhöhungen aus. Im Prinzip können Sie sich die Sondierungsgespräche doch sparen, oder?
Schulz: Ich weiß nicht, ob die Union Steuererhöhungen ausschließt. Ich habe die Herren Vertreterinnen und Vertreter der Union ja gehört, die in der vergangenen Woche gesagt haben, man muss unter Umständen auch über Steuererhöhungen reden. Das ist ja ein Krach im Haus der CDU. Warum soll ich mich da jetzt zu äußern?
Heckmann: Na ja. Wolfgang Schäuble hat gesagt, Deutschland steuert auf einen ausgeglichenen Haushalt zu unter Angela Merkel. Darum gelte weiterhin das, was wir vor der Wahl gesagt haben: keine Steuererhöhungen.
Schulz: Ja. Aber Sie haben ja andere Vertreter der CDU auch gehört, Sie haben Herrn Laschet gehört, der hat genau das Gegenteil gesagt. Von daher: Das ist ja ein Streit im Hause der CDU. Das muss die CDU regeln, bevor sie in die Gespräche geht, doch nicht wir. Wir haben ein Wahlprogramm, da steht drin, dass wir unter Umständen Steuererhöhungen brauchen. Übrigens zur Finanzierung von Wahlversprechen, glaube ich, wird die CDU das auch brauchen. Jetzt sehen wir, dass in der CDU darüber ein Streit ausgebrochen ist. Jetzt fragen Sie dazu ein SPD-Präsidiumsmitglied. Ich glaube, das ist ein Streit in der Union, nicht bei uns.
Heckmann: Aber, Herr Schulz, die Union sagt ja, dass die angepeilten Ausgaben auch ohne Steuererhöhungen möglich sind. Weshalb sind Sie eigentlich so scharf auf Steuererhöhungen? Haben Sie nicht gemerkt bei der Wahl, dass die Wählerinnen und Wähler das gar nicht wollen?
Schulz: Wir haben 25,7 Prozent für unsere Vorschläge bekommen. Mit diesen 25,7 Prozent – Sie hatten die Freundlichkeit, mich zu Beginn unseres Gespräches darauf hinzuweisen, dass wir die bekommen haben – werden wir in diese Verhandlungen gehen. Wir haben von diesen 25,7 Prozent einen Auftrag und diesen Auftrag werden wir versuchen, umzusetzen. Was da am Ende an Kompromiss rauskommt, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass man staatliche Aufgaben nicht finanzieren kann über permanentes Schulden machen oder über permanente Kürzungen. Also wird man irgendwann auch über Steuererhöhungen reden müssen. Wenn man keine Steuererhöhungen braucht, ist das besser. Dann soll die Union die entsprechenden Vorschläge unterbreiten. Aber sie streitet sich gerade darüber, ob sie sie braucht oder nicht. Also ich sage es Ihnen noch einmal: Das ist ein Problem, das im Moment im Lager der CDU entstanden ist, nicht bei uns.
Heckmann: Na ja. Die Union sagt ja eindeutig, es wird nicht gebraucht. – Kommen wir zu einem anderen Thema, das Sie gerade schon angesprochen haben: Zum Mindestlohn. Den wollen Sie ja, den gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn. Wie groß ist denn aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass die Union das so macht wie bei den Steuern, dass sie einfach sagt, machen wir nicht?
Schulz: Ich will Ihnen das versuchen, noch einmal näherzubringen. Wir werden am Freitag Sondierungsgespräche führen. Sondierungsgespräche sind keine Koalitionsverhandlungen, sondern Ausloten: Geht es überhaupt, macht es überhaupt Sinn, miteinander zu verhandeln. Dazu haben wir vergangenen Freitag einen ziemlich umfassenden Beschluss gefasst. Darin ist sicher enthalten, dass ohne die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von mindestens 8,50 Euro es keinen Sinn hat, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen.
Heckmann: Das ist eine Bedingung, sonst werden keine Koalitionsverhandlungen aufgenommen?
Schulz: Das weiß die Union und ich glaube, wenn Sie die Bundeskanzlerin während des Wahlkampfs aufmerksam verfolgt haben, werden Sie, glaube ich, sehen, dass es darüber sicher eine Einigung geben wird.
Heckmann: Aber, Herr Schulz, ist die Wahrheit nicht dann doch eigentlich eine andere, nämlich dass die Sozialdemokraten ein Thema nach dem anderen einpacken müssen, weil sonst Neuwahlen drohen, und die könnten noch schlimmer für die Sozialdemokraten ausfallen?
Schulz: Wir haben ganz sicher keine Angst vor Neuwahlen. Aber wir haben gerade Wahlen hinter uns und ich gehe mal davon aus, dass auch Sie sehen, dass die Bemühungen aller Parteien in Deutschland, eine stabile Regierung zu bilden, gerade am Anfang stehen. Ihre Fragen zielen aber die ganze Zeit auf das Ende oder auf den Verlauf. Wir haben am Freitag erst einmal den Versuch, auszuloten, können wir miteinander verhandeln oder nicht, lohnt sich das oder lohnt sich das nicht. Deshalb glaube ich, werden wir den Freitag abwarten müssen. Ich glaube schon, dass es eine Menge von Punkten auch aus unserem Wahlprogramm gibt, die in Deutschland dringend umgesetzt werden müssen und Wirklichkeit werden können, und dann schauen wir mal, ob das am Freitag geht.
Heckmann: Martin Schulz war das von der SPD, Präsident des Europaparlaments und Mitglied des SPD-Präsidiums. Herr Schulz, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Schulz: Danke, Herr Heckmann.
Heckmann: Schönen Tag noch.
Schulz: Tschüß!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Martin Schulz: Guten Morgen, Herr Heckmann.
Heckmann: Herr Schulz, CDU und CSU entsenden 14 Vertreter in die Sondierungsgespräche am Freitag, die SPD sieben. Die Union macht damit klar, wie die Mehrheitsverhältnisse in einer Großen Koalition wären. Das mit der Augenhöhe und das mit dem Verhandeln auf Augenhöhe, das können Sie vergessen, oder?
Schulz: Das weiß ich nicht. Ich glaube nicht, dass die Anzahl derjenigen, die da um den Tisch herumsitzen, entscheidet über die Inhalte, und die Inhalte entscheiden über die Koalitionsbildung. Von daher: Die numerische Präsenz spielt keine Rolle. Entscheidend ist, was am Ende vereinbart werden kann, und wir werden uns orientieren an den Inhalten, nicht an den Personen, die da am Tisch sitzen.
Heckmann: Aber Sie können ja nicht leugnen, dass die SPD mit 25,7 Prozent wesentlich schwächer ist als die Union, die ja 41,5 Prozent eingefahren hat.
Schulz: Nein, das kann man nicht leugnen. Das Wahlergebnis steht fest, die CDU ist die mit Abstand stärkste Partei im Deutschen Bundestag. Aber sie hat keine Mehrheit und sie muss zum Regieren eine Mehrheit finden. Sie will, wenn man der Regierungschefin glaubt, eine stabile Mehrheit. Dann muss sie sicher Angebote machen, wie die zustande kommen soll, und diese Angebote sind inhaltlicher Natur. Deshalb werden wir uns auf diese Inhalte konzentrieren.
Heckmann: Die Union hat mehrere Optionen, Pardon, Herr Schulz, nämlich auch die Grünen. Die wurden ja jetzt auch eingeladen für Sondierungsgespräche, die dann in der kommenden Woche stattfinden sollen. Hermann Gröhe, der Generalsekretär der CDU, der hat die Grünen ja demonstrativ gelobt, weil sie ihren Linkskurs kritisch aufarbeiten würden, während vonseiten der SPD nicht groß was kommen würde. Wie groß ist denn die Gefahr aus Ihrer Sicht, dass Sie dann doch am Ende in der Opposition landen?
Schulz: Zunächst einmal haben wir ja für Freitag Sondierungsgespräche vereinbart. Bei diesen Sondierungsgesprächen wird sicherlich festgestellt werden müssen, dass Parallelverhandlungen keine Option sind. Man kann nicht hingehen, auch wenn man die stärkste Partei ist, und nach dem Rosinenpicker-Prinzip sagen, mal mit denen, mal mit denen. Die CDU/CSU wird sich schon entscheiden müssen, mit wem sie denn ernst zu nehmende Koalitionsverhandlungen aufnehmen will. Sie hat deshalb sowohl ein Angebot an uns unterbreitet als auch an die Grünen. Da wird man am Ende sehen, was dabei herauskommt. Parallelverhandlungen, das kann ich Ihnen sagen, wird es sicher nicht geben.
Heckmann: Aber wie wollen Sie denn verhindern, dass die Union nicht doch SPD und Grüne gegeneinander ausspielt?
Schulz: Der Ball liegt ja – das ist jetzt schon tausendmal gesagt worden – im Feld der Union. Die Union muss sich entscheiden, mit wem sie verhandeln will.
Heckmann: Aber die Union kann doch jederzeit sagen, wir brechen an dieser Stelle die Koalitionsverhandlungen ab, wir sprechen dann mit den Grünen.
Schulz: Dann soll sie das tun. Wer mit der SPD eine Koalition bilden will, der wird am Freitag mit uns sondieren, was sind die Inhalte: gibt es einen flächendeckenden Mindestlohn, gibt es den gleichen Lohn für gleiche Arbeit, gibt es Steuererhöhungen, um die ganzen Wahlversprechen vor allen Dingen der Union zu finanzieren. Bis daher ist sie ja schuldig geblieben, wie sie das finanzieren will. All diese Dinge wird man am Freitag miteinander ausloten. Wenn es dann sich lohnt, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, dann wird das sicher bei der SPD gemacht werden. Wir werden das bewerten im Lichte der Ergebnisse dieser Sondierungsgespräche.
Aber noch einmal: Wenn die CDU lieber mit den Grünen verhandeln will, weil sie meint, damit kriegt sie besser eine Regierung hin, wird sie das sicher tun. Wenn sie glaubt, eine stabile Regierung mit der SPD bilden zu können, dann wird sie auf uns und unsere Forderungen eingehen müssen. Da wird es sicher Kompromisse geben. Aber mal hier, mal da, seien Sie sicher: Das wird es nicht geben. Das wird es auch von der CDU-Seite nicht geben.
Heckmann: Sie glauben nicht im Ernst, Herr Schulz, dass Sie 50 Prozent Ihrer Inhalte durchbringen werden?
Schulz: Wir haben, ich wiederhole das noch mal, bestimmte zentrale Forderungen, und ohne diese zentralen Forderungen werden wir sicher in keine Koalitionsverhandlungen hineingehen. Das haben wir am vergangenen Freitag festgelegt. Das weiß auch die CDU. Wir wissen auch, dass die CDU zentrale Forderungen hat, auf die wir werden eingehen müssen und Kompromisse finden müssen. Das ist das Wesen der Demokratie, der Kompromiss. Aber Sie werden umgekehrt nicht von mir erwarten, dass ich Ihnen heute sage, wir würden von irgendwelchen zentralen Forderungen abgehen.
Ich nehme mal eine kleine zentrale Forderung, die in Deutschland unbedingt gelöst werden muss. Das ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Soweit ich die Bundeskanzlerin verstanden habe, will die das sicher auch.
Heckmann: Dazu kommen wir gleich noch mal. Aber im Zentrum steht ja im Moment das Thema Steuererhöhungen. Die SPD bleibt ja dabei, die soll es und muss es geben aus ihrer Sicht. Die Union schließt Steuererhöhungen aus. Im Prinzip können Sie sich die Sondierungsgespräche doch sparen, oder?
Schulz: Ich weiß nicht, ob die Union Steuererhöhungen ausschließt. Ich habe die Herren Vertreterinnen und Vertreter der Union ja gehört, die in der vergangenen Woche gesagt haben, man muss unter Umständen auch über Steuererhöhungen reden. Das ist ja ein Krach im Haus der CDU. Warum soll ich mich da jetzt zu äußern?
Heckmann: Na ja. Wolfgang Schäuble hat gesagt, Deutschland steuert auf einen ausgeglichenen Haushalt zu unter Angela Merkel. Darum gelte weiterhin das, was wir vor der Wahl gesagt haben: keine Steuererhöhungen.
Schulz: Ja. Aber Sie haben ja andere Vertreter der CDU auch gehört, Sie haben Herrn Laschet gehört, der hat genau das Gegenteil gesagt. Von daher: Das ist ja ein Streit im Hause der CDU. Das muss die CDU regeln, bevor sie in die Gespräche geht, doch nicht wir. Wir haben ein Wahlprogramm, da steht drin, dass wir unter Umständen Steuererhöhungen brauchen. Übrigens zur Finanzierung von Wahlversprechen, glaube ich, wird die CDU das auch brauchen. Jetzt sehen wir, dass in der CDU darüber ein Streit ausgebrochen ist. Jetzt fragen Sie dazu ein SPD-Präsidiumsmitglied. Ich glaube, das ist ein Streit in der Union, nicht bei uns.
Heckmann: Aber, Herr Schulz, die Union sagt ja, dass die angepeilten Ausgaben auch ohne Steuererhöhungen möglich sind. Weshalb sind Sie eigentlich so scharf auf Steuererhöhungen? Haben Sie nicht gemerkt bei der Wahl, dass die Wählerinnen und Wähler das gar nicht wollen?
Schulz: Wir haben 25,7 Prozent für unsere Vorschläge bekommen. Mit diesen 25,7 Prozent – Sie hatten die Freundlichkeit, mich zu Beginn unseres Gespräches darauf hinzuweisen, dass wir die bekommen haben – werden wir in diese Verhandlungen gehen. Wir haben von diesen 25,7 Prozent einen Auftrag und diesen Auftrag werden wir versuchen, umzusetzen. Was da am Ende an Kompromiss rauskommt, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass man staatliche Aufgaben nicht finanzieren kann über permanentes Schulden machen oder über permanente Kürzungen. Also wird man irgendwann auch über Steuererhöhungen reden müssen. Wenn man keine Steuererhöhungen braucht, ist das besser. Dann soll die Union die entsprechenden Vorschläge unterbreiten. Aber sie streitet sich gerade darüber, ob sie sie braucht oder nicht. Also ich sage es Ihnen noch einmal: Das ist ein Problem, das im Moment im Lager der CDU entstanden ist, nicht bei uns.
Heckmann: Na ja. Die Union sagt ja eindeutig, es wird nicht gebraucht. – Kommen wir zu einem anderen Thema, das Sie gerade schon angesprochen haben: Zum Mindestlohn. Den wollen Sie ja, den gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn. Wie groß ist denn aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass die Union das so macht wie bei den Steuern, dass sie einfach sagt, machen wir nicht?
Schulz: Ich will Ihnen das versuchen, noch einmal näherzubringen. Wir werden am Freitag Sondierungsgespräche führen. Sondierungsgespräche sind keine Koalitionsverhandlungen, sondern Ausloten: Geht es überhaupt, macht es überhaupt Sinn, miteinander zu verhandeln. Dazu haben wir vergangenen Freitag einen ziemlich umfassenden Beschluss gefasst. Darin ist sicher enthalten, dass ohne die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von mindestens 8,50 Euro es keinen Sinn hat, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen.
Heckmann: Das ist eine Bedingung, sonst werden keine Koalitionsverhandlungen aufgenommen?
Schulz: Das weiß die Union und ich glaube, wenn Sie die Bundeskanzlerin während des Wahlkampfs aufmerksam verfolgt haben, werden Sie, glaube ich, sehen, dass es darüber sicher eine Einigung geben wird.
Heckmann: Aber, Herr Schulz, ist die Wahrheit nicht dann doch eigentlich eine andere, nämlich dass die Sozialdemokraten ein Thema nach dem anderen einpacken müssen, weil sonst Neuwahlen drohen, und die könnten noch schlimmer für die Sozialdemokraten ausfallen?
Schulz: Wir haben ganz sicher keine Angst vor Neuwahlen. Aber wir haben gerade Wahlen hinter uns und ich gehe mal davon aus, dass auch Sie sehen, dass die Bemühungen aller Parteien in Deutschland, eine stabile Regierung zu bilden, gerade am Anfang stehen. Ihre Fragen zielen aber die ganze Zeit auf das Ende oder auf den Verlauf. Wir haben am Freitag erst einmal den Versuch, auszuloten, können wir miteinander verhandeln oder nicht, lohnt sich das oder lohnt sich das nicht. Deshalb glaube ich, werden wir den Freitag abwarten müssen. Ich glaube schon, dass es eine Menge von Punkten auch aus unserem Wahlprogramm gibt, die in Deutschland dringend umgesetzt werden müssen und Wirklichkeit werden können, und dann schauen wir mal, ob das am Freitag geht.
Heckmann: Martin Schulz war das von der SPD, Präsident des Europaparlaments und Mitglied des SPD-Präsidiums. Herr Schulz, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Schulz: Danke, Herr Heckmann.
Heckmann: Schönen Tag noch.
Schulz: Tschüß!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.