Das Mikrofon oder die Kamera wird weggeschlagen, tätliche Attacken: Für viele Journalistinnen und Journalisten auf rechtsextremen oder rechtspopulistischen Aufmärschen und Demonstrationen fast schon Alltag. Und: Die Situation hat sich zusehends verschärft. Weshalb Schutzwesten, Sicherheitshelme oder gar Bodyguards als Begleitschutz bei manchen Demonstrationen zur Basis-Ausstattung gehören. Was wie ein Einsatz im Krisengebiet klingt, ist in Deutschland - zumindest bei rechten Kundgebungen - längst zur Normalität geworden, sagt der Journalist und Buchautor Michael Kraske.
"Ich glaube, die Hemmschwelle ist auch deutlich abgesenkt. Mir erzählen Kollegen, dass sie regelmäßig erleben, dass sie angefeindet werden. Und dass Polizisten nicht immer die Seite der Journalisten ergreifen. Die Berichterstattung wird massiv eingeschränkt."
Die Polizei sieht Journalisten zunehmend als Störer, nicht als rechtsstaatliche Akteure, so der 47-Jährige Kraske weiter. Er ist einer der Podiumsteilnehmer einer Tagung zur Pressefreiheit an der Polizeifachhochschule Aschersleben, der Ausbildungsstätte für den Polizistennachwuchs in Sachsen-Anhalt.
"Da muss nachgebessert werden"
"Hier geht es darum, das Rollenbild ganz klar zu klopfen. Und zwar von den Einsatzleitungen der Polizei her. Dass Journalisten eben keine Störer sind, sondern einer grundgesetzlich garantierten, wichtigen Aufgabe für die demokratische Gesellschaft nachgehen. Das heißt, da muss nachgebessert werden. Und da braucht es den ganz festen politischen Willen in den Innenministerien."
Der mehrfach ausgezeichnete Medienjournalist Kraske berichtet von Situationen, in denen Polizeibeamte gar gezielt wegschauen, wenn Journalisten attackiert werden. Die Arbeit von Journalisten würde regelrecht behindert, wie kürzlich in Frankfurt am Main auf der Buchmesse geschehen, als der rechte Verleger Götz Kubitschek einen akkreditierten Journalisten bedrängt und mit physischer Gewalt gedroht habe.
Doch statt dem Journalisten zu Hilfe zu kommen, statt den Verleger in die Schranken zu weisen, habe die Polizei dem Medienvertreter Vorgaben gemacht, wie er seine Arbeit zu machen hätte. Belege, die zeigen, dass es seitens der Polizei Nachholbedarf gebe.
"Genau. Es geht darum, dass die Regeln gelten müssen. Und nicht irgendein Bauchgefühl. Und ich bin davon überzeugt, dass wir eine klare wissenschaftliche Erfassung von demokratiefeindlichen Einstellungen in den Sicherheitsbehörden brauchen. Da gibt es kein Lagebild, das ist eine Leerstelle, und die muss dringend gefüllt werden."
Direktor der Polizeiinspektion Halle: "Einzelfälle"
Aber klar sei auch, dass man natürlich nicht alle Polizisten über einen Kamm scheren dürfe, so Kraske weiter.
Mit auf dem Podium der Tagung zum Thema Pressefreiheit und dem spannungsgeladenen Umgang von Polizisten und Journalisten saß auch Mario Schwan, der Direktor der Polizeiinspektion Halle. In sein Zuständigkeitsgebiet fällt der Terroranschlag vom 9. Oktober, aber auch die letztjährigen Demonstrationen in Köthen, die 2018 für bundesweites Aufsehen gesorgt haben, nachdem bei einem Streit ein junger Mann an einem Herzinfarkt gestorben war.
Den Umgang von Polizei und Journalisten beschreibt Mario Schwan - anders als Journalist Michael Kraske - als konstruktiv und vertrauensvoll. Auch wenn durchaus so manche Situation - wie er sagt - "anspruchsvoll" sei. Den Ruf nach besserem Polizeischutz könne er aber nicht nachvollziehen, das seien lediglich Einzelfälle, so Schwan weiter.
"Ich bin der Meinung, dass es insgesamt gut läuft. Und wenn es in Einzelfällen dazu kommt, dass Medienvertreter nicht sachgerecht behandelt werden, dann müssen wir das mitgeteilt bekommen und werden das nachbesprechen."
Polizei-Chefausbilder will "Pressefreiheits-Seminar" für Beamte
Etwas anders - man kann auch sagen - differenzierter, sieht es Frank Knöppler. Er ist der Chefausbilder für den Polizisten-Nachwuchs im Land Sachsen-Anhalt und der Rektor der Polizei-Fachhochschule Aschersleben. Der Umgang von Polizeibeamten mit den Journalisten müsse viel mehr als bisher zum Curriculum der Polizei-Ausbildung werden. Da gebe es Nachbesserungsbedarf.
"Was ich für viel wichtiger halte: dieses Thema in der Fortbildung zu verankern. Sprich: Immer wieder den Finger in die Wunde zu legen und das als aktuelles Fortbildungsthema anzubieten. Diese Verabredung haben wir mit dem Pressrat getroffen, dass wir uns das nochmal anschauen."
Das heißt, künftig werde es - als Konsequenz aus den Ereignissen in Köthen und Chemnitz - in Sachsen-Anhalt eine Art Pressefreiheits-Seminar geben, als Nachschulungsangebot für Einsatzbeamte. Attacken auf Journalisten seien eben keine Kollateralschäden. Ein besserer Polizeischutz sei dringend geboten. Damit sich Journalistinnen und Journalisten in Deutschland - bei einer rechten Kundgebung - künftig eben nicht mehr, so Knöppler weiter, wie in einem fernen Krisengebiet fühlen.