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Schutz von Kulturgütern
"Eigentlich ist das kein schlechtes Gesetz"

Der Gesetzesentwurf von Kulturstaatsministerin Monika Grütters zum Schutz von Kulturgütern sei mit der Zeit "besser geworden", sagte Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Deutschland habe sich zu einem Handelsplatz von illegalem archäologischen Kulturgut entwickelt, dem werde entgegengewirkt.

Olaf Zimmermann im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des deutschen Kulturrats
    Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des deutschen Kulturrats (imago stock & people)
    Christiane Kaess: Schon lange bevor der deutsche Gesetzesentwurf zum Schutz von Kulturgütern vorlag, gab es heftige Diskussionen darüber. Die Aufregung war groß bei deutschen Kunsthändlern und Sammlern, das Gesetz sei die Guillotine des Kunstmarktes, hieß es, und dass das Prädikat „national wertvoll" für ein Kunstwerk einer Enteignung gleich käme, weil sein Besitzer es dann nicht mehr frei auf dem internationalen Markt verkaufen könne. Das alles, bevor der Entwurf freigegeben war und obwohl der Kunsthandel über seine Verbände, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters versichert, von Anfang an in die Gesetzgebung mit eingebunden gewesen sei. Heute hat Monika Grütters ihren Entwurf für das Gesetz offiziell vorgelegt.
    Vor der Sendung habe ich darüber mit Olaf Zimmermann gesprochen. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Ich habe ihn zuerst gefragt, ob dieser Gesetzesentwurf in seinem Sinne ist.
    Olaf Zimmermann: Na ja, zumindest ist er absolut notwendig, weil wir ja die Vorgabe der EU haben, jetzt ein Gesetz vorzulegen. Das heißt, die Staatsministerin musste jetzt etwas vorlegen. Es gibt ja jetzt drei Entwürfe. Das ist jetzt der erste offizielle Entwurf, aber es gab ja schon vorher zwei, wenn man so will, inoffizielle Entwürfe. Es ist jedes Mal besser geworden. Das heißt, es gibt auch eine Möglichkeit der, ich sage mal, positiven Beeinflussung und natürlich haben wir noch Änderungsbedarf. Das ist ja jetzt der Beginn eines Gesetzgebungsverfahrens und die werden wir auch in den Gesetzgebungsstrukturen einbringen. Aber eigentlich ist das kein schlechtes Gesetz.
    Kaess: Der Deutsche Kulturrat gilt ja als Ansprechpartner für die Politik. Inwieweit können Sie denn Ihre Interessen einbringen?
    Zimmermann: Wir sind gerade dabei, uns zu einigen. Wir haben ja 246 Bundeskulturverbände als Mitglieder. Wir werden jetzt Ende des Monats eine Stellungnahme zu diesem Gesetzesentwurf in unseren Gremien verabschieden. Und wenn sich alle 246 Mitglieder quasi auf eine Position geeinigt haben, dann wird sie von der Politik auch beachtet.
    Kaess: Es gab Kritik vor allem von Seiten der Kunsthändler am ursprünglichen Entwurf. Der deutsche Kunsthandel, der weltweit ohnehin schon eine untergeordnete Rolle spielt, so hieß es, der werde totreguliert. Ist dieser Vorwurf jetzt entkräftet?
    Zimmermann: Zumindest sind wichtige Punkte ja geändert, die in den ersten inoffiziellen Referentenentwürfen noch drinstanden, dass zum Beispiel Leihgaben automatisch zu national wertvollem Kulturgut werden. Aber es ist schon richtig: Der Kunsthandel muss sehr viele Nachweispflichten erbringen, mehr als normale Unternehmer, die in unserem Land erbringen müssen, wenn dieses Gesetz so umgesetzt wird, und deswegen glaube ich auch, dass man ihn dabei unterstützen muss. Wenn er quasi 30 Jahre lang bestimmte Nachweise erbringen muss, dann muss die öffentliche Hand, die das von ihm verlangt, ihn auch in die Lage versetzen, dass er das überhaupt erbringen kann. Da werden wir jetzt mit der Staatsministerin drüber sprechen.
    "Kunsthändler müssen sich umstellen"
    Kaess: Also bleibt der Vorwurf bestehen, die Politik greift nach wie vor zu sehr in den freien Markt hier ein?
    Zimmermann: Nein, das würde ich so nicht sagen. Ich glaube einfach, es ist notwendig, bestimmte Regularien zu machen. Das Gesetz besteht ja aus zwei Regularienebenen, wenn Sie so wollen: Einmal die Frage der Einführung von Kunstwerken nach Deutschland. Da müssen wir unbedingt strenger werden. Da sind wir in den letzten Jahren quasi zu einem Handelsplatz auch von illegalem archäologischen Kulturgut geworden. Das muss jetzt ein Ende haben. Da gibt es gute Vorschläge, wie man das beenden kann. Aber auch da muss man noch bei bestimmten Stellen nachregulieren.
    Und dann geht es quasi im zweiten Teil um die Ausfuhr von national bedeutsamen Kunstwerken. Wenn ein Werk quasi als nationales Kulturgut definiert wird, dann sind damit massive Handelsbeschränkungen quasi automatisch mit vorgegeben, und deswegen müssen wir genau schauen, wann wird eigentlich ein Kunstwerk national wertvolles Kulturgut. Da haben wir noch eine ganze Menge Fragen und wir glauben auch, dass man die Kriterien da noch schärfen muss, und man muss besonders die Gremien vernünftig zusammensetzen, die später quasi auf Länderebene ja diese Entscheidungen zu treffen haben.
    Kaess: Aber grundsätzlich finden Sie diese Handelsbeschränkungen in Ordnung, auch wenn, so wie der Kunsthandel sagt, die Gefahr besteht, dass der Kunsthandel totreguliert wird?
    Zimmermann: Ich war ja früher selbst Kunsthändler, bevor ich Geschäftsführer des Kulturrates geworden bin, und deswegen weiß ich, dass Kunsthändler es nicht einfach zu erbringen haben. Das ist ein ganz besonderer Typ von Mensch, die sind doch ein wenig anders auch als Unternehmer. Deswegen weiß ich, dass das für manche nicht ...
    Kaess: Was meinen Sie damit?
    Zimmermann: Na ja. Sie sind ja teilweise Künstler und Händler in einer Person. Man muss schon obsessiv sein, damit man diese Arbeit als Kunsthändler dauerhaft macht, als Galerist. Deswegen fällt es dem einen oder anderen Kollegen sicherlich auch nicht leicht, diese, ich sage mal, Zusatzbedingungen zu erfüllen. Ich glaube aber fest daran, dass man sie erfüllen muss, weil es ist richtig, dass wir in unserem Land auch definieren, was national wertvolles Kulturgut ist, auch wenn dieser Begriff erst mal ein bisschen komisch klingt. Aber er ist notwendig, damit wir ganz besonders wichtige Stücke, aber ich meine nur ganz besonders wichtige Stücke - das sind sehr wenige Kunstwerke - vor der Abwanderung ins Ausland schützen können.
    "Keine Enteignung, sondern Zweckfestlegung"
    Kaess: Ich möchte einen kurzen Absatz in diesem Zusammenhang aus dem Gesetz zitieren. Da heißt es: "Der Eigentümer, dessen Recht an dem Kulturgut durch die Entscheidung erloschen ist" - da geht es darum, dass das Werk auf diese Liste gesetzt wird -, "wird von dem Land, in dessen Eigentum das Kulturgut übergegangen ist, unter Berücksichtigung des Verkehrswertes angemessen in Geld entschädigt." Das heißt also, der Vorwurf der Enteignung, der muss auch bestehen bleiben?
    Zimmermann: Nein. Ich weiß jetzt nicht genau, was Sie dort jetzt zitiert haben. Die normalen Bedingungen sagen, dass ein Kunstwerk unter diesen Schutz gestellt wird. Das bedeutet nichts anderes, dass Sie es nicht ausführen dürfen aus Deutschland. Das behindert Sie natürlich, weil Sie es dann nicht mehr auf dem Weltmarkt, wenn Sie so wollen, verkaufen können. Aber das bleibt weiterhin in Ihrem Eigentum und Sie bekommen sogar quasi als Gegenleistung des Staates, wenn ein Werk unter diesen Schutz gestellt wird, steuerliche Vorteile. Sollten Sie dieses Werk in der Zukunft vererben, dann wird keine Erbschaftssteuer fällig.
    Kaess: Also keine Enteignung?
    Zimmermann: Nein, es ist keine. Es handelt sich nicht um eine Enteignung, sondern letztendlich um eine Zweckfestlegung. Das Werk bleibt weiterhin im Besitz des Eigentümers, aber der Staat schränkt quasi die freie Nutzung ein. Aber das haben wir ja in anderen Bereichen auch. Wir haben ja im Grundgesetz auch einen Artikel, der sagt, dass Eigentum verpflichtet, und wir können ja auch Eigentum im Sinne von sozialen Maßnahmen zum Beispiel auch in eine Sonderregelung hineinbringen. Wir haben dasselbe auch im Bereich des Denkmalschutzes. Schauen Sie sich an: Sie besitzen ein denkmalgeschütztes Haus. Das ist auch Ihr Eigentum und trotzdem können Sie nicht einfach ein Fenster hineinschlagen, obwohl es doch Ihnen gehört. Wir haben diese Regelungen und diese Regelungen soll es analog jetzt auch im Kulturbereich geben. Das ist nichts Ungewöhnliches, aber es muss mit Augenmaß gemacht werden, damit nicht auf einmal jedes zweite Kunstwerk zum national wertvollen Kulturgut erklärt wird.
    Kaess: Zum Schluss noch. Entschärft wurde ja auch, dass zumindest lebende Künstler sich weigern können, auf die Liste national wertvollen Kulturgutes erfasst zu werden. Die Vorgeschichte war, dass der Künstler Georg Baselitz zum Beispiel eine Leihgabe aus deutschen Museen zurückgezogen hat. Sollte der jetzt versöhnt sein?
    Zimmermann: Na ja, er müsste. Das hätte er aber auch schon bei dem zweiten Entwurf sein müssen, weil schon in dem zweiten Entwurf dieses Referentenentwurfes war dieser beanstandete Paragraph gestrichen worden. In der Zukunft kann ein Leihgeber, der ein Werk an ein Museum gibt, selbst entscheiden, möchte er, dass es zu nationalem Kulturgut wird - das hat ja auch Vorteile, ich habe eben nur die steuerlichen genannt, es gibt noch mehr -, oder sagt er, ich möchte das nicht. Und wenn er sagt, er möchte das nicht, dann wird auch in der Zukunft dieses Werk nicht zu nationalem Kulturgut erklärt werden. Das heißt, man kann Georg Baselitz jetzt zurufen, schau, dass Du Dich wieder mit Deinen Museen verträgst, bring Deine Werke zurück. Diese Gefahr ist wirklich gebannt.
    Kaess: Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat heute ihren Entwurf für das Gesetz zum Schutz von Kulturgütern offiziell vorgelegt. Darüber gesprochen habe ich mit Olaf Zimmermann. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Danke für das Gespräch.
    Zimmermann: Ich bedanke mich bei Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.