Import von Kinderbräuten. 13- oder 14-jährige syrische Flüchtlingsmädchen, verheiratet mit 40-jährigen Männern: Irritiert und entsetzt musste die niederländische Öffentlichkeit in den letzten Monaten feststellen, dass mit dem Flüchtlingsstrom aus Syrien auch zunehmend minderjährige Mädchen einreisen, die in den Flüchtlingslagern in Jordanien oder dem Libanon mit einem Mann verheiratet wurden, der ihr Vater sein könnte.
Auslöser war das Verschwinden eines solches Kindes - 14 Jahre alt und hochschwanger. Fatema Alkasem heißt es, ein syrisches Flüchtlingsmädchen, das kurz vor der Geburt seines Babys nicht zu einem Krankenhaustermin erschien und spurlos aus der Erstaufnahmeeinrichtung Ter Apel im Nordosten der Niederlande verschwand. Die 14-Jährige war im Sommer über Deutschland in die Niederlande eingereist, zusammen mit ihrem 28-jährigen syrischen Ehemann. "Schockierend!" findet Richart Joling, sozialdemokratischer Fraktionsvorsitzender der Gemeinde:
"Es ist unerträglich, dass unser Staat so etwas duldet. Das ist Unzucht, das ist Missbrauch. Ich habe selbst eine 13-jährige Tochter, ich darf mir das gar nicht erst vorstellen."
Joling wollte wissen, wie viele Kinderbräute sich unter den Flüchtlingen befinden, die in den Niederlanden Asyl anfragen. Er bekam Einsicht in ein internes Dokument der zuständigen Immigrationsbehörde IND. Darin steht, dass im Jahr 2014 im Durchschnitt etwa zwei Mädchen pro Monat eingereist sind. Seit diesem Sommer, seit dem Flüchtlingsstrom sollen es drei pro Woche sein.
Eltern wollen ihre Töchter mit der Heirat schützen
"Girls not brides" - zu deutsch "Mädchen und keine Bräute" - ist der Name einer internationalen Nichtregierungsorganisation. Sie weist darauf hin, dass vor dem Ausbrechen der blutigen Konflikte 12 bis 13 Prozent aller Frauen in Syrien vor ihrem 18. Geburtstag geheiratet haben - nun seien es mehr als doppelt so viele. Weil die Eltern in den Flüchtlingslagern verzweifelt sind und ihre Töchter schützen wollen, erklärt Anthropologin Marja Buitelaar von der Universität Groningen:
"In den Lagern ist das Leben gefährlich und das Risiko einer Vergewaltigung hoch. Damit stünden das Ansehen des Mädchens und die Familienehre auf dem Spiel: Ein vergewaltigtes Mädchen hat keine Zukunft, es lässt sich nicht mehr verheiraten. So furchtbar es auch klingt: Wenn ein Mädchen als Ehefrau vergewaltigt wird, ist der Schaden weniger groß, als wenn sie unverheiratet ihre Jungfräulichkeit verliert."
In den Niederlanden werden Kinderbräute über 15 Jahren gemäß des internationalen Privatrechts und trotz Protesten von Menschenrechtsorganisationen bislang noch als ganz legale Ehefrauen anerkannt - vorausgesetzt, es geht um eine standesamtliche Ehe, die registriert und legal geschlossen wurde.
Kinderbräute, die jünger als 15 Jahre sind, müssten nach ihrer Einreise eigentlich sofort unter die Obhut einer Jugendschutzorganisation gestellt und von ihren Ehemännern getrennt werden. Aber, so hat Fraktionsvorsitzender Joling festgestellt:
"In der Praxis wird der Jugendschutz erst eingeschaltet, wenn diese Mädchen freiwillig von sich aus um Hilfe fragen. Aber wer von ihnen tut das schon? Und wenn sie nichts sagen, passiert auch nichts."
Ausbildung als Alternative zur Ehe
Zumindest juristisch haben die Niederlande den Ehen mit Kinderbräuten nun einen Riegel vorgeschoben: Aufgrund des Schocks, den das Schicksal der hochschwangeren Fatema Alkasem auslöste, hat das Parlament eine Gesetzesänderung verabschiedet, die im Eilverfahren durch beide Kammern gelotst wurde und bereits am 1. Januar in Kraft treten kann. Sie macht Heiraten unter 18 Jahren generell unmöglich und erkennt solche Ehen grundsätzlich nicht mehr an.
Menschenrechtsorganisationen begrüßen diesen Schritt, betonen aber, dass andere Länder nachziehen müssten: Dieses Problem lasse sich nur gemeinsam, auf europäischem Niveau lösen.
Außerdem sei es mit Gesetzen allein nicht getan. Das Phänomen der Kinderbräute müsse generell aus der Welt geschafft werden. Die Nichtregierungsorganisation "Girls not brides" setzt unter anderem auf Aufklärung der Eltern und der religiösen Führer vor Ort sowie den Bau von Mädchenschulen - Ausbildung als Alternative zur Ehe.
Die niederländische Prinzessin Mabel von Oranien, Gründerin und Vorsitzende von "Girls not brides", ist optimistisch. Vor wenigen Jahren noch seien sie unsichtbar gewesen, die Millionen von Kinderbräuten. Das habe sich geändert. Innerhalb von nur einer Generation könne dafür gesorgt werden, dass es keine Kinderbräute mehr gebe. Denn jede Frau, so Prinzessin Mabel, die wir vor diesem Schicksal bewahren können, wird auch ihre Tochter davor bewahren.