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Schutz vor Ausgrenzung

Mobbing und Gewalt gehören an vielen Schulen zum Alltag. Dabei geht es nicht nur um ein Täter und ein Opfer, oft sind ganze Schülergruppen betroffen. Das an der Freien Universität Berlin entwickelte "Fairplayer-Programm" soll nun Jugendlichen zeigen, wie man Konflikte gewaltfrei löst.

Von Philipp Banse |
    "Sie wurde ausgeschlossen, weil sie halt sehr geklammert hat."

    "Sie hängt sich immer an einen ran und ist dann die ganze Zeit bei dem, bis es den irgendwie nervt, und der meckert sie dann an, und dann geht sie zum Nächsten, klammert dann da so lange, bis der meckert und, irgendwann ist sie dann ausgeschlossen","

    erzählen Jona und Fenja, sie gehen in die 8. Klasse des Felix-Mendelsohn-Bartholdy Gymnasiums. Die beiden Mädchen haben mit ihrer Klasse das Fairplayer-Programm mitgemacht: Über fünf Monate wird Gewalt, Ausgrenzung, Mobbing in verschiedenen Formaten thematisiert: Rollenspiele, Diskussionen, im normalen Unterricht, am besten zweimal pro Woche. Die Lehrer wurden unterstützt von Psychologen, erklärt Prof. Herbert Scheithauer von der Freien Universität Berlin, der das Fairplayer-Programm entwickelt hat. In Rollenspielen sollen die Schüler soziale Kompetenzen erwerben, lernen, sich in andere hineinzuversetzen:

    ""Mobbing ist immer ein Gruppenprozess und unterschiedliche soziale Rollen sind beteiligt. Es gibt nicht nur Täter und Opfer, sondern auch Verteidiger, Assistenten, potenzielle Verteidiger oder Outsider. In den Rollenspielen sollen den Jugendlichen diese unterschiedlichen Rollen klar werden. Wir bringen auch von uns erkannte Täter mal in eine andere Rolle, dass sie erfahren, dass es geht, auch andere Schüler zu verteidigen."

    Diese Rollenspiele werden auch gefilmt und ausgewertet, sagt Gabor, 8.Klasse, dem ein Rollenspiel besonders gefallen hat:

    "Ja, zum Beispiel saß dann in der U-Bahn jemand, aber alle wollten sich nebeneinandersetzen, haben ihn dann weggeschubst und getreten und alle haben zugeguckt. Und dann haben wir das das zweite Mal gedreht und dann sind dann wirklich welche hingegangen, haben gesagt, ey, was macht ihr denn hier, das ist nicht gut. Das fand ich besonders toll."

    Im Rahmen des Fairplayer-Kurses haben die Schülerinnen vom Anfang, Jona und Fenja, versucht, den Konflikt mit ihrer anhänglichen, klammernden Mitschülerin zu lösen:

    "Wir haben uns halt auch mit den Lehrern darüber unterhalten, mit den Eltern von ihr und die konnten einfach alle nicht verstehen, dass wir das Mädchen nicht mochten, mit ihr nichts zu tun haben wollen. Und sind wir dazu gekommen, dass wir jetzt nicht beste Freunde mit ihr sein müssen, aber wir haben versucht, ihr klar zu machen, dass wir nichts mit ihr zu tun haben wollen, so, naja."

    In Bremer und Berliner Schulen werden die Fairplayer-Kurse seit mehreren Jahren angeboten. Initiator Prof. Herbert Scheithauer, der sein eigenes Projekt evaluiert, hat Eltern, Schüler und Lehrer befragt:

    "Die Ergebnisse sind sehr, sehr positiv. Wir haben tatsächlich einen Rückgang von Mobbing. Wir haben mehr pro-soziales Verhalten. Schüler vertreten weniger die Ansicht, dass es legitim ist, Gewalt anzuwenden."

    Daher wollen Prof. Scheithauer und sein Team die Fairplayer-Kurse jetzt bundesweit anbieten, Lehrer und Sozialarbeiter schulen, damit diese dann solche Kurse geben können. Geld soll kein Problem sein, sagt der Rüdiger Grube, Chef der Deutschen Bahn, die das Fairplayer-Projekt vor allem bezahlt:

    "Was sind da ein oder zwei Millionen? Die nehme ich wirklich gern in die Hand. Und wenn es drei Millionen oder fünf Millionen sind, daran wird das nicht scheitern. Diese Initiative wird nicht daran scheitern, dass kein Geld da ist. Das Geld, das besorgen wir."

    Es bleiben genug andere Hürden: Rollenspiele müssen vorbereitet werden, Lehrer müssen ihren Unterricht zur Verfügung stellen, Eltern müssen akzeptieren, dass mal zwei Stunden Bio ausfallen. Beim Pilotkurs, der noch von den Fairplayer-Erfindern betreut wurde, habe das gut geklappt, sagt die Lehrerin Kerstin Funke.

    "Mich hat es der Klasse deutlich näher gebracht, wir haben jetzt ganz andere Möglichkeiten, miteinander umzugehen. Wenn Probleme auftreten, werden die sehr, sehr schnell geklärt. Ich hatte sogar den Fall, dass Schüler in meiner Klasse, die gemobbt haben, zu mir gekommen sind, und gesagt haben, wir haben da ein Problem, wir möchten das gemeinsam klären. Und da muss ich sagen: Wenn das soweit geht, dann hat man auf jeden Fall etwas erreicht."