Jessica Sturmberg: Wie gefährlich ist es, wenn wichtige Unternehmen mit Zukunftstechnologien, Stichwort Industrie 4.0, an chinesische oder arabische Investoren gehen? Dass das keine gute Entwicklung ist, diese Befürchtung ist in den letzten Monaten immer größer geworden. Heute die Reaktion der Bundesregierung – sie verstärkt den Schutz vor Übernahmen durch ausländische Käufer. Dazu hat das Kabinett am Morgen die sogenannte Außenwirtschaftsverordnung verschärft. Die Bundesregierung will strategisch wichtiges Know-how in Europa halten – das widerspricht eigentlich dem Gedanken freier Märkte und freien Handels.
- Wie nötig ist das? Darüber habe ich vor der Sendung mit Professor Gabriel Felbermayr, dem Leiter des Münchner ifo-Zentrums für Außenwirtschaft zum Thema Investorenschutz gesprochen und gefragt ob die bisherigen Regelungen im Außenwirtschaftsgesetz nicht ausreichen.
Gabriel Felbermayr: Es reicht in der Tat nicht mehr aus, wenn wir mit China einen Spieler heute haben auf den internationalen Kapitalmärkten, der ganz anders aufgestellt ist, als wir das bisher gesehen haben. Der chinesische Staatskapitalismus, diese ganz enge Verwobenheit von privat auftretenden Investoren mit dem chinesischen Staat, die Verfolgung von ehrgeizigen strategischen Zielen, all das ist etwas Neues, für das die alten rechtlichen Grundlagen in der Tat heute nicht mehr ausreichen.
Sturmberg: Geht es denn hauptsächlich um China? Oder gibt es auch noch andere Länder, auf die man schauen müsste?
"Enge Verknüpfung des Staates mit strategischen Investoren"
Felbermayr: Wir haben es hier sicher ein Stück weit mit Anlass-Gesetzgebung zu tun. Es ist einerseits eine Lex Kuka, andererseits eine Lex China. Aber neben China haben wir mit Russland eine ähnliche Situation, auch dort eine enge Verknüpfung des Staates mit strategischen Investoren. Da kann man nicht mehr von reiner Privatwirtschaft oder Marktwirtschaft sprechen. Wir haben ähnliche Themen auch in arabischen Ländern, den Golf-Staaten, Petro-Dollars, auch dort. Insofern ist das schon ein Thema, das über China Relevanz haben kann.
Sturmberg: Das Kabinett hat ja nicht nur die Erweiterung der Ausnahmen beschlossen, sondern auch die Fristen, in denen das geprüft werden soll. Bisher waren es überwiegend zwei Monate, jetzt sind es vier. Wie wichtig ist das denn aus Unternehmersicht, erst mal schnell Klarheit zu bekommen? Und anders herum: Reichen vier Monate überhaupt aus, um sich ein Bild zu machen, wie weit der Einstieg eines außereuropäischen Investors problematisch ist?
Felbermayr: Hier gibt es zwei Kräfte, die man benennen muss. Zum einen ist es natürlich so, dass lange Fristen Unsicherheit bringen, auch oft für die Familien, die hier ein Unternehmen verkaufen wollen, auch für die Belegschaft, die da im Gespräch ist. Und diese Unsicherheit ist schädlich. Andererseits will man ja mit dieser Verordnung auch Druck aufbauen gegenüber China und da ist es wieder gut, wenn man den ausländischen Investor eine Zeit lang zappeln lassen kann, sodass dieses Instrument, das wir hier entwickeln, auch verhandlungstaktisch eingesetzt werden kann. Dass die Verhandlungsmacht Deutschlands gegenüber China im Allgemeinen etwas gestärkt werden kann. Und diese beiden widerstreitenden Interessen gibt es da.
Sturmberg: Jetzt kann man sich ja auch ganz schnell einen Fall konstruieren, wo über eine Scheinfirma zum Beispiel, die in Europa angesiedelt ist, diese neue Regelung umgangen wird.
Felbermayr: Ja.
Sturmberg: Dieser mittelbare Erwerb ist zwar nicht zugelassen, aber wie schwierig ist das durchzusetzen?
Felbermayr: Schwierig. Ja, das ist ganz schwierig. Denn das können ja auch Joint Ventures sein. In solchen Höhen kann ja durchaus auch 49 oder 51 Prozent ein luxemburgischer Investmentfonds drin sein, der wiederum die Ersparnisse deutscher Sparer widerspiegelt. In der Tat ist es in unserer globalisierten Welt oft nicht trivial, festzustellen, welche Nationalität ein Investor hat.
Sturmberg: Also muss das Ganze eigentlich auch auf EU-Ebene ein Thema werden?
"Es muss auf EU-Ebene ein Thema werden"
Felbermayr: Es muss auf EU-Ebene ein Thema werden, schon allein deswegen, weil seit dem Lissabon-Vertrag von 2009 eigentlich die EU Kompetenz hat zu ausländischen Direktinvestitionen – erstens. Zweitens, weil wir ja mit China ein Investitionsschutzabkommen gerade verhandeln. Und letztlich wäre es besser, nicht diese Verordnung zu haben, sondern einen belastbaren bilateralen Investitionsvertrag mit China, wo einerseits drinsteht, wie wir mit chinesischen Investitionen in Deutschland umgehen oder in Europa umgehen. Und andererseits aber auch die Chinesen dazu gebracht werden, europäische und deutsche Investoren in China besser zu behandeln, zum Beispiel diesen Joint-Venture-Zwang, den es immer noch gibt in einzelnen Industrien, endlich aufzugeben.
Sturmberg: Inwieweit ist man in Europa, in der EU überhaupt schon so weit, dass man da mit einer Stimme sprechen kann? Denn da sind die Interessen ja auch unterschiedlich.
Felbermayr: In der Tat. Wir haben in Deutschland eine sehr viel kritischere Diskussion zu Investitionen aus China. In Ländern, die sehr viel stärker abhängig sind von ausländischen Direktinvestitionen, ist man da unkritischer. Ich sage einfach mal Hafen von Piräus in Griechenland. Diese Heterogenität in Europa ist ein Problem. Gleichzeitig aber gibt es kaum anderswo so klare Vorteile eines gemeinsamen Auftretens. Denn wir müssen uns gegen diesen strategisch aufgestellten Spieler China, der Wirtschaft und Staat immer zusammen denkt, auch gemeinsam aufstellen. China ist weiter auf der Überholspur, sie wachsen dreimal so schnell, wie Europa das tut. Es sind 1,4 Milliarden Konsumenten dort. Und gegen diese geballte Macht müssen wir uns schon auch organisatorisch aufstellen. Deswegen auch aus dieser Perspektive muss man diesen deutschen Alleingang leider Gottes etwas kritisch sehen. Und insofern ist es wiederum gut, dass es kein Gesetz ist, sondern eine Verordnung. Und man kann das sozusagen als Übergangsmaßnahme verstehen, bis wir ein umfassendes Investitionsschutzabkommen mit China haben, das die EU für uns abschließt.
Sturmberg: Das Außenwirtschaftsgesetz beruht ja im Grunde auf dem Grundsatz, dass alle Geschäfte mit dem Ausland uneingeschränkt zulässig sind, soweit sie nicht ausdrücklich Beschränkungen unterworfen worden sind. Bisher waren diese Ausnahmen vor allem in den sicherheitsrelevanten Bereichen, alles was mit Verteidigung zu tun hat, doch jetzt geht es um strategisch wichtige Bereiche, sogenannte kritische Infrastruktur.
Felbermayr: Ja, genau.
Sturmberg: Wo verläuft da für Sie die Grenze zwischen kritischer und unkritischer Infrastruktur?
"Was ist kritische Infrastruktur und was nicht?"
Felbermayr: Diese Grenze zu definieren, fällt mir schwer und fällt auch dem Gesetzgeber schwer. Das ist das Problem hier, wo es auch schwer sein wird, in Zukunft, wenn diese Forderung angewandt werden soll, wo Protektionismus anfängt und wo berechtigter Schutz endet. Denn es wird wahrscheinlich im Einzelfall immer Diskussionen geben darüber, was ist denn nun kritische Infrastruktur und was ist nicht kritische Infrastruktur. Darin besteht auch das zentrale ordnungspolitische Problem mit dieser Verordnung, dass man hier doch Tür und Tor öffnet für die Durchsetzung von Partikularinteressen. Wo dann durchaus vielleicht in Deutschland Interesse darin besteht, keinen mächtigen chinesischen Investor oder Investor aus Russland oder aus Arabien ins Land zu holen, der anderen Anbietern von ähnlichen Produkten in Deutschland hier Schwierigkeiten machen könnte. Diese Beschränkung von Wettbewerb, die wollen wir eigentlich nicht. Und die Gefahr ist, dass wir hier unter dem Schutzmäntelchen kritischer Infrastruktur diese Art von Protektionismus bekommen.
Sturmberg: Insgesamt passt das ja eigentlich überhaupt nicht zum Gedanken des freien Handels, der ja vor allem von Angela Merkel stark vertreten wird.
Felbermayr: Einerseits gibt es die Idee natürlich, den Handel möglichst barrierefrei zu gestalten. Aber das heißt nicht automatisch, dass er bei Investitionen nicht doch auch Schranken haben kann. Das muss man einfach auch sehen, dass China nun keine Marktwirtschaft westlichen Zuschnitts ist und dass hinter unternehmerischen Entscheidungen immer auch die strategischen Interessen des Staates stehen. Das ist in den USA oder in Großbritannien oder auch in Indien nicht so. Da ist sozusagen das unternehmerische Kalkül wirklich eines, das auf marktwirtschaftlicher Gewinnrechnung basiert und wo nicht gleichzeitig auch noch die große geopolitische Strategie mitverfolgt wird. Deswegen ist Freihandel über alles zu stellen oder eine Freihandelsfolklore zu betreiben manchmal auch naiv, vor allem im Umgang mit China.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.