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Schutz wandernder Tiere
Ambitioniert, aber noch mangelhaft umgesetzt

Eisbären, Elefanten und Wale - wandernde Tiere sind auf international koordinierten Schutz angewiesen. Den soll die sogenannte Bonner Konvention bieten, die seit den 1980er-Jahren inkraft ist. Auf einer Konferenz in Ecuador geht es um die Frage, wie dieser Schutz wirksamer gemacht werden kann - gegen viele Widerstände.

Nicolas Entrup im Gespräch mit Benjamin Hammer |
    Großaufnahme einer Elefantenmutter mit ihrem Kind
    Elefanten in der Nähe von Seisfontein in Namibia (picture alliance / dpa / Thomas Schulze)
    Benjamin Hammer: Eisbären sind träge und bewegen sich nur wenig. So wirkt das manchmal, wenn sie sich langsam durch den Schnee schleppen. Aber Eisbären können nicht nur kurze Distanzen im Eiltempo sprinten; sie sind auch gute Wanderer und gute Schwimmer. Die Tiere legen dann schon mal tausend Kilometer oder mehr zurück. Viele Tiere wandern, schwimmen oder fliegen enorme Strecken und Tierschützer stellt das vor enorme Herausforderungen. Was hilft zum Beispiel ein Jagdverbot in einem Land, wenn die Tiere ein paar Kilometer weiter hinter der Grenze in einem anderen Land eine Schrotflinte erwartet.
    Die Vereinten Nationen haben das Problem erkannt und stimmen sich seit über 30 Jahren ab in einem Abkommen zur Erhaltung von wandernden Tierarten, und heute startet in Ecuador die Konferenz zum Abkommen und mit dabei ist Nicolas Entrup von der Nichtregierungsorganisation Ocean Care. Guten Tag, Herr Entrup.
    Nicolas Entrup: Ja, guten Tag.
    Hammer: Schutz vor Tieren, die sich nur wenig bewegen, Schutz vor wandernden Tieren - wo liegt denn da jetzt der Unterschied?
    Entrup: Na ja, die Definition der Konvention über wandernde Tierarten ist eigentlich eine Tierart, die grenzüberschreitend ist, das heißt Landesgrenzen überschreitet, und dieser eigentlich sehr schöne Gedanke der Konvention ist, dass sich Länder zusammenschließen, um gemeinsam Schutzmechanismen zu erarbeiten, wandernde Tiere in ihrem Nahrungsgebiet, in ihrem Aufzuchtsgebiet, in ihrer gesamten Verbreitung zu schützen, und das stellt natürlich diese Staaten - aktuell sind es 120 - weltweit vor enorme Herausforderungen.
    Hammer: Erklären Sie uns das Abkommen vielleicht noch mal genauer. Welche Länder machen da mit und gibt es auch Länder, die sich sperren?
    Entrup: Ja, es ist ein Abkommen, das als Bonner Konvention den Sitz auch in Deutschland hat. Aber die Vertragsstaaten sind vor allem Vertragsstaaten Europas, Afrikas, teilweise Lateinamerikas und Asiens. Länder, die nicht Mitglied der Bonner Konvention sind, sind unter anderem die USA, Japan, China und Russland. Das ist natürlich sehr bedenklich zum einen. Andererseits denke ich, es liegt aber auch da genau die Chance, dass man eine weltpolitische prekäre Situation oder vielleicht eine Politisierung des Abkommens dadurch bislang verhindert hat und auch die Möglichkeit hat, sehr progressive Schutzinitiativen zu setzen, und das hoffe ich und erwarte ich mir auch für diese Tagung hier.
    Hammer: Verstehe ich das richtig: Die US-Amerikaner zum Beispiel machen nicht mit? Sind die denn überhaupt da? Und anders gefragt: Was bringt ein globales Abkommen, wenn solch riesige Länder wie die USA oder Russland nicht mit dabei sind?
    Ambitionierter Antrag Norwegens für den Schutz der Eisbären
    Entrup: Es bringt natürlich sehr viel, weil es ist, wie Sie sagen, ein globales Abkommen und das betrifft nicht nur diese Staaten. Andererseits sind eben die USA vielleicht das Land als bestes Beispiel, das sehr wohl erstens mit einer großen Delegation vor Ort ist, einige Arteninitiativen wie zum Beispiel jene für den verbesserten Schutz von Haien sehr, sehr stark und intensiv auch finanziell unterstützen. Das heißt, hier ist schon internationale Kooperation angedacht.
    Ein anderes Beispiel ist eben der Eisbär, den Sie schon in der Einleitung erwähnt hatten. Das Verbreitungsgebiet des Eisbärs ist die Arktis und hier hat der einzige Anrainerstaat, der Mitglied der Bonner Konvention ist, nämlich Norwegen, einen sehr ambitionierten Antrag gestellt und gesagt, Staaten, schaut her, dieses Verbreitungsgebiet, die Arktis, ist bedroht und sie ist nicht bedroht von Aktivitäten, die von Norwegen ausgehen, sondern von allen menschlichen Aktivitäten, insbesondere globale Erwärmung, und es betrifft eigentlich das Management von menschlichen Aktivitäten, sei es die Erdölerschließung, sei es die Schifffahrt, die von Firmen aus sämtlichen Staaten ausgehen, und hier brauchen wir eine strikte Regelung, ein besseres Management, um der Krone der Arktis irgendwie auch nur ansatzweise vielleicht eine Chance zu geben, in Zukunft zu halten.
    Hammer: Herr Entrup, jetzt stehen über 1000 Arten schon auf der Liste des Abkommens und in Quito sollen jetzt 32 dazukommen. Können Sie uns ein Beispiel nennen von so einer Tierart, von so einem Tier, was auf die Liste kommen soll und warum das geschieht?
    Entrup: Wir haben einen sehr spannenden Antrag der Europäischen Union, zum Beispiel den Cuvier-Schnabelwal - das ist eine tieftauchende Art - in seiner Verbreitung im Mittelmeer unter den striktesten Schutz zu stellen. Das ist ein ambitionierter Antrag, weil diese Schnabelwal-Art ist vor allem durch Unterwasserlärm bedroht. Unterwasserlärm wird insbesondere von Militärs als auch von der Ölindustrie bei der Suche nach Ölressourcen als Bedrohung gegenüber dieser Schnabelwal-Art emittiert, und die Problematik, die wir im Mittelmeer haben, ist ein sozusagen Ölrausch. Wir haben in Griechenland, vor Kroatien intensive Ölsuche, vor Spanien, und hier werden von einigen Staaten nicht einmal Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt. Diese Situation kann nicht sein und jetzt hat die Europäische Union einen Antrag gestellt, diesen Tieftaucher, der vom Unterwasserlärm gefährdet ist, dem striktesten, dem strengsten Schutz zu unterziehen, was bedeuten würde, eine Ölerschließung in Kerngebieten dieser Tierart sollte eigentlich ausgeschlossen werden. Da sehe ich mit großer Hoffnung diesem Antrag entgegen.
    Entscheidungen müssen auch umgesetzt werden
    Hammer: Jetzt gibt es dieses Abkommen schon seit den 80er-Jahren. Verhandelt wurde es in den 70er-Jahren. Die Situation vieler bedrohter Tierarten, die hat sich seitdem verschlechtert. Ist das ein bisschen wie bei den Klimaverhandlungen der UN, es wird viel geredet, aber es passiert kaum was?
    Entrup: Sie sprechen, glaube ich, den Kernpunkt an, den auch wir als Tier- und Artenschützer eigentlich von den Staaten abverlangen, und das ist die Frage der Implementierung von Entscheidungen. Wir haben schon jetzt in der Bonner Konvention Entscheidungen vorliegen aus den letzten Jahren, die sehr, sehr ambitioniert und sehr progressiv sind, und es mangelt an der Umsetzung. Ich habe ja vorhin das Beispiel der Umweltverträglichkeitsprüfungen gebracht. Die sind eigentlich schon längst beschlossene Sache im Rahmen dieses Abkommens und einige Staaten führen sie einfach nicht durch. Wir haben auch bei dieser Konferenz einen Vorschlag des Sekretariats über einen verbesserten Vollzug, eine verbesserte Implementierung des Abkommens, und hier sind die Staaten gefordert. Man sollte keine Angst davor haben, sondern man sollte auch gegenüber der Öffentlichkeit so transparent sein und sagen, wenn wir etwas beschließen und wenn es uns gesellschaftlich wert ist, Arten zu erhalten in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet, dann müssen wir auch einfach strengere Maßnahmen setzen, und die sollen auch überprüfbar sein.
    Hammer: Das war Nicolas Entrup von der Nichtregierungsorganisation OceanCare. Besten Dank!
    Entrup: Danke schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.