Im Supermarkt, in der Bäckerei und teilweise auch in der Kita – viele Bereiche des öffentlichen Lebens sind mittlerweile von Menschen geprägt, die Schutzmasken gegen COVID-19 tragen. Für Erwachsene ist das gewöhnungsbedürftig, für kleine Kinder könnte es womöglich sogar zum Problem werden, befürchten manche Eltern. Sabina Pauen, Professorin für Entwicklungs- und Biologische Psychologie an der Universität Heidelberg, kann diese Sorge nachvollziehen, denn für Kleinkinder ist das Gesicht anderer Menschen eine wichtige Informationsquelle.
"Das Kind kann aus einem offenen Gesicht die maximale Information über Sprache, über Beziehung und über Emotionen erschließen. Und je weniger Information es bekommt, desto weniger kann es sein Gegenüber berechnen. Insofern ist ein offenes Gesicht immer das informativste für kleine Kinder und sie können daraus am meisten lernen."
"Das Kind kann aus einem offenen Gesicht die maximale Information über Sprache, über Beziehung und über Emotionen erschließen. Und je weniger Information es bekommt, desto weniger kann es sein Gegenüber berechnen. Insofern ist ein offenes Gesicht immer das informativste für kleine Kinder und sie können daraus am meisten lernen."
Emotionserkennung auch mit verdeckter Mundpartie möglich
Wenn ein Mund-Nasen-Schutz große Teile des Gesichts anderer Personen verdeckt, könnte sich das also im Prinzip nachteilig auf die Entwicklung von Kleinkindern auswirken. Für besonders groß halten Experten diese Gefahr aber nicht. Kleinen Kindern genügt nämlich schon ein Teil der Mimik ihres Gegenübers, um zumindest einfache positive oder negative Emotionen zu erkennen, sagt Deborah Roberson. Die emeritierte Psychologieprofessorin der Universität Essex hatte vor einigen Jahren zusammen mit internationalen Kollegen Experimente dazu gemacht. Das Ergebnis: Bei der Erkennung grundlegender Gefühlslagen machte es für dreijährige Kinder keinen Unterschied, ob die Mundpartie einer Person teilweise bedeckt war oder nicht:
"Es scheint so, als würden sehr junge Kinder diese Art von emotionaler Zuordnung eher auf der Grundlage von einzelnen Gesichtsmerkmalen vornehmen, auf die sie sich konzentrieren, anstatt auf der Basis des gesamten Gesichts."
"Es scheint so, als würden sehr junge Kinder diese Art von emotionaler Zuordnung eher auf der Grundlage von einzelnen Gesichtsmerkmalen vornehmen, auf die sie sich konzentrieren, anstatt auf der Basis des gesamten Gesichts."
Wandel kann Irritationen auslösen
Bei Maskenträgern legen sie den Fokus dann beispielsweise auf deren Augen. Deborah Roberson geht daher nicht davon aus, dass verhüllte Mund-Nasen-Partien im öffentlichen Raum die Entwicklung von Kleinkindern langfristig und nachhaltig beeinflussen. Hinweise darauf seien zudem weder aus muslimisch geprägten Ländern bekannt, in denen Frauen Schleier tragen, noch aus dem asiatischen Raum, wo viel mehr Menschen Schutzmasken benutzen als hierzulande.
Diese Einschätzung teilt auch Sabina Pauen. Dennoch könne gerade der Wandel vom offenen Gesicht hin zu einem, das teilweise verdeckt ist, Kleinkinder irritieren, sagt die Heidelberger Forscherin – innerhalb der Kultur, in der sie aufwachsen, aber auch konkret dann, wenn Mama oder Papa vor dem Supermarkt eine Maske aufsetzt.
"Natürlich ist das ein Gewöhnungsprozess der auch relativ schnell einsetzt und dann kommen die auch damit klar. Man muss sich nur nicht wundern, wenn sich die Kinder selbst eben auch wundern und wenn sie das nicht unbedingt mögen."
Diese Einschätzung teilt auch Sabina Pauen. Dennoch könne gerade der Wandel vom offenen Gesicht hin zu einem, das teilweise verdeckt ist, Kleinkinder irritieren, sagt die Heidelberger Forscherin – innerhalb der Kultur, in der sie aufwachsen, aber auch konkret dann, wenn Mama oder Papa vor dem Supermarkt eine Maske aufsetzt.
"Natürlich ist das ein Gewöhnungsprozess der auch relativ schnell einsetzt und dann kommen die auch damit klar. Man muss sich nur nicht wundern, wenn sich die Kinder selbst eben auch wundern und wenn sie das nicht unbedingt mögen."
Kleinkinder brauchen viel Kontakt zu Menschen ohne Maske
Allerdings gibt es laut beiden Wissenschaftlerinnen eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Maskenpflicht die Entwicklung von Kleinkindern nicht beeinträchtigt: Die meiste Zeit des Tages, ob zuhause oder in der Kita, sollten Kinder mit Menschen in Kontakt sein, die keine Masken tragen. Nur dann könnten Kleinkinder weiterhin uneingeschränkt aus Gesichtern lesen und lernen. Andernfalls könnte laut Sabina Pauen vor allem die Sprachentwicklung potenziell leiden:
"Ich denke, wenn die Kinder in der Kinderbetreuung sehr viele Stunden verbringen und die Fachkräfte immer angehalten sind, Masken zu tragen, dann ist das schon eine deutliche Einschränkung in der Hörwahrnehmung, die diesen Kindern dann zuteil wird, über die wir nachdenken müssen."
Auf eine ähnliche Problematik verweist auch Deborah Roberson:
"Ich denke, für Kinder mit Hörbeeinträchtigungen wären beträchtliche Verzögerungen oder Schwierigkeiten denkbar, weil sie viel stärker auf das Lippenlesen angewiesen sind."
"Ich denke, wenn die Kinder in der Kinderbetreuung sehr viele Stunden verbringen und die Fachkräfte immer angehalten sind, Masken zu tragen, dann ist das schon eine deutliche Einschränkung in der Hörwahrnehmung, die diesen Kindern dann zuteil wird, über die wir nachdenken müssen."
Auf eine ähnliche Problematik verweist auch Deborah Roberson:
"Ich denke, für Kinder mit Hörbeeinträchtigungen wären beträchtliche Verzögerungen oder Schwierigkeiten denkbar, weil sie viel stärker auf das Lippenlesen angewiesen sind."
Kleinkinder sind anpassungsfähig
Bislang sind das nur Hypothesen, für die es noch keine Belege gibt. Beide Wissenschaftlerinnen betonen aber auch, Kleinkinder seien extrem anpassungsfähig – eher als manche Erwachsene. Gut möglich also, dass die meisten kleinen Kinder mit dem Vormarsch der Masken im öffentlichen Raum viel besser zurechtkommen als ihre Eltern und Betreuenden.