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Schwäbisch-Hällische, Angler-Sattelschweine und Bunte Bentheimer

Viele Nutztier-Rassen verschwinden, weil ihre Eigenschaften nicht in die heutige industrialisierte Massentierzucht passen. Doch sie einfach aussterben zu lassen, wäre keine gute Idee, weil künftige Züchter eine Vielfalt an Nutztieren für ihre Arbeit brauchen können. In Deutschland wird das Erbmaterial seltener Tierrassen unter anderem am Tierärztlichen Institut der Universität Göttingen konserviert.

Von Elke Drewes |
    Auf dem Bio-Hof im Eichsfeld wälzen sich rosa-braun gefleckte Sattelschweine genüsslich im Schlamm. Die alte Schweinerasse ist sehr robust und kann im Freien gehalten werden. Trotzdem sind Sattelschweine in Deutschland nur noch selten zu sehen. Angestoßen durch ein EU-Projekt konserviert das Tierärztliche Institut der Universität Göttingen seit einigen Jahren Sperma-Proben seltener Schweinerassen. Direktor Bertram Brenig:

    "Dazu gehören unter anderem die Schwäbisch-Hällischen Schweine, Angler Sattelschweine, die Bunten Bentheimer. Also Schweinerassen, die zwar noch in kleinen Gruppen gehalten werden, die aber nicht mehr für intensive Schweinezucht genutzt werden."

    Die Bunten Bentheimer zum Beispiel hält noch ein älterer Landwirt bei Osnabrück. Von dort stammen auch die Sperma-Proben für die Genbank. Von den Bunten Bentheimern gibt es keine 200 mehr in Deutschland. Denn genau wie die Angler Sattelschweine und die Schwäbisch-Hällischen Schweine haben sie nicht die Eigenschaften, die der Markt zur Zeit fordert. Bertram Brenig:

    "Also die Schnellwüchsigkeit, der Fettgehalt. Es sind Rassen die andere Merkmale aufweisen, zum Beispiel eine besondere Robustheit, Krankheitsresistenzen, dass die im Freien gehalten werden können, ohne einen Sonnenbrand zu bekommen. Sie haben ein besonderes Potential, das zu erhalten ist und gegebenenfalls in Zukunft wieder in die Population einzubringen ist."

    Wenn bestimmte Merkmale wie Krankheitsresistenz durch die Zucht verloren gehen, können diese wertvollen Eigenschaften durch Kreuzungen mit den älteren, seltenen Rassen wieder gewonnen werden.

    Aber dazu muss das Erbgut der Tiere konserviert werden und das ist schwieriger als das Saatgut von Pflanzen zu lagern.

    In der Regel werden bei Tieren Spermaproben konserviert. Dafür sind hohe Minusgrade erforderlich. Flüssiger Stickstoff kühlt sie auf 196 Grad Minus. Bertram Brenig zeigt auf die großen Tanks im Tierärztlichen Institut:
    "Hier lagern die einzelnen Spermaproben in flüssigem Stickstoff. In den einzelnen Metallbehältern sind strohhalmartige Gebilde, an beiden Enden abgedichtet, darin das Sperma. Hier lagern Rinder und Schweine, für Zuchtzwecke und genetische Reserven bei Rindern. Auch das Sperma von Bullen, die 20, 30 Jahre tot sind. Falls einmal der Bulle für die Zucht wieder verwendet werden soll, dass das sofort eingesetzt werden kann."

    Henner Semianer vom Institut für Tierzucht der Uni Göttingen berät den Bund bei der Einrichtung einer nationalen Genbank für landwirtschaftliche Nutztiere. Auf seiner Liste stehen etwa 100 gefährdete Pferde-, Rinder-, Schweine-, Ziegen- und Schafrassen, darunter das Dülmener Wildpferd, das Uckermärker Rind und das rotbunte Husumer Schwein. Von diesen Tieren gibt es nur noch etwa 50 in Deutschland. Dringend erforderlich sei es, das Erbgut dieser 100 Tierrassen zu konservieren, sagt Henner Semianer. Aber:

    "Ich würde sagen, von der Liste, die vorliegt, wenn da zehn Prozent eingelagert sind, ist es viel. Der Sinn ist, möglichst frühzeitig anzufangen und nicht zu warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Denn wenn irgendwann nur noch 20 Tiere da sind, ist schon alles verloren."

    In den Bundesländern sollen Besamungsstationen dafür gewonnen werden, das Erbgut der seltenen Tierrassen einzulagern. Das wäre kostengünstiger als eine zentrale Lagerung. Aber noch sind nicht alle rechtlichen Fragen geklärt, zum Beispiel: Wem gehört die Probe? Wer darf verfügen? Dabei drängt die Zeit. Denn einige der seltenen Rassen leben in Risikogebieten:

    "Die Bunten Bentheimer Schweine sind zum Beispiel in der Grafschaft Bentheim, was ein Hochrisikogebiet ist, weil es in einer intensiven Schweinehaltungsregion ist, wo immer mal die Schweinepest einschlagen kann. Denen könnten wir dann weiter helfen, wenn wir sie in der Kühltruhe haben."

    Eine andere Möglichkeit, seltene Arten zu erhalten, sind Arche Noah Höfe, die vom Aussterben bedrohte Rassen aufnehmen, oder Prämienzahlungen an Landwirte, die seltene Schweine- und Rinderrassen halten. Henner Semianer vom Institut für Tierzucht der Universität Göttingen:

    "Am Leben erhalten, das ist natürlich die bevorzugte Variante. Aber bei manchen wird es auf die Dauer über längere Zeiträume, wir sprechen da von 50 oder 100 Jahren, nicht möglich sein und dann ist es gut: Man hat eine Sicherungskopie in der Kühltruhe."