Birgid Becker: Präzise aber war RWE mit einem betrieblichen Ergebnis, das in den ersten neun Monaten um fast 31 Prozent abgesackt ist. Und auch, wenn RWE-Chef Peter Terium sagte, das sei so erwartet worden, im Kern geht es um die Frage: Wie geht es mit den Energiekonzernen nach der Atomwende weiter? Damit begrüße ich Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, vom RWI. Guten Tag!
Manuel Frondel: Guten Tag.
Becker: Wie geht es weiter mit den Energiekonzernen? Bemerkenswert ist ja doch, wie schnell Deutschlands große Versorger, E.ON, RWE, ENBW und Vattenfall, ins Wanken geraten sind nach der Entscheidung, das Kapitel Atomkraft in Deutschland zu beenden. Ist das, was glauben Sie, erstaunlich, dass es so schnell ging mit dem Niedergang, oder ist der Atomausstieg so nicht vorhersehbar gewesen oder vielleicht anders gefragt, doch eine Ausrede für Management-Fehler?
Frondel: Auch auf die Gefahr hin, dass RWI jetzt wieder fälschlicherweise als Forschungsinstitut von RWE gehalten wird, möchte ich vor allen Dingen der Politik die Schuld für diese Misere in die Schuhe schieben, denn das Hü und Hott der Politik ist auch für eingeweihte sehr schwer vorhersehbar, und gerade beim Atomausstieg gab es ein immenses Hü und Hott. Da gab es zuerst mal den Atomausstiegs-Beschluss der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2000, der vorsah, dass die Atomkraftwerke irgendwann nach dem Jahre 2020 geschlossen werden sollen. Dann gab es im Jahre 2010 eine neue Bundesregierung, eine schwarz-gelbe Koalition, die in ihrem Energiekonzept beschlossen hat, dass die Laufzeiten der Atomkraftwerke um Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte verlängert werden sollen. Und kaum ein halbes Jahr später, im Zusammenhang mit dem Fukushima-Ereignis, wurde dann dieser Beschluss wieder kassiert und es wurde sogar ein verschärfter Atomausstieg beschlossen, mit der Konsequenz, dass acht Atomkraftwerke der 17 damals bestehenden Atomkraftwerke sofort geschlossen worden sind und dass auch die Atomkraftwerke, die jetzt noch am Netz sind, schneller abgeschaltet werden, als ursprünglich von der rot-grünen Bundesregierung geplant war.
Becker: Und doch noch mal nach Management-Schwächen gefragt. Wenn RWE nun so sehr, wie wir es eben gehört haben, auf einen offensichtlich wackeligen Verkauf von DEA setzt, ist das nicht ein Hinweis dafür, dass es doch in diesem Bereich der Energieversorger an Weitsicht des Managements fehlt?
Frondel: Nein! RWE-DEA wird ja deswegen verkauft, um jetzt Finanzen zu bekommen. RWE-DEA war und ist eine Perle von RWE und ohne dieses Hü und Hott der Politik hätte RWE gar nicht zwangsweise die Perle von RWE verkaufen müssen, und insofern ist das auch wieder letztendlich eine nicht vorhersehbare Konsequenz der Politik.
Becker: Wie stellt sich die Lage bei RWE dar im Vergleich zu den anderen drei großen Versorgern, E.ON zum Beispiel? Auch von dort wurde ja gerade erst ein hoher Quartalsverlust verkündet.
Frondel: RWE steht ein bisschen besser da als die übrigen Stromversorger, denn es gibt immerhin noch die Braunkohlekraftwerke, die sich momentan noch als Assets von RWE erweisen und mit denen man noch gut Geld verdienen kann bei RWE.
Becker: Und wäre das nicht wieder ein Fall von wenig vorhandener Weitsicht, wenn man ausgerechnet auf die Braunkohlekraftwerke gezwungenermaßen setzen muss, die ja unter Klimaschutzgesichtspunkten besonders gefährdet sind?
"Nationale Klimaschutzziele nützen nichts"
Frondel: Es muss an dieser Stelle einfach mal klar gesagt werden, dass ein nationales Klimaschutzziel sehr wenig nützlich ist. Klimaschutz und Klimaprobleme sind ein globales Problem. Nationale Klimaschutzziele nützen nichts, insbesondere dann nicht, wenn es einen europaweiten Emissionshandel gibt, in dem europaweit dann die Treibhausgasemissionen gedeckelt sind. Und wenn wir in Deutschland CO2-Emissionen einsparen, indem wir Braunkohlekraftwerke zwangsweise abschalten, so wie das die Bundesumweltministerin fordert, dann führt das einfach nur dazu, dass die Emissionen verlagert werden, denn die CO2-Zertifikate, die für diese Braunkohlekraftwerke vonnöten sind, würden dann verkauft werden an andere, die die Zertifikate kaufen und benötigen, und in der Somme kommt auch nur das heraus, was der Emissionshandel als Obergrenze für die Treibhausgasemissionen vorgibt. Braunkohlekraftwerke abzuschalten in Deutschland, genauso wie andere Kohlekraftwerke abzuschalten, Steinkohlekraftwerke beispielsweise, nützt dem Klima nichts, angesichts des vorhandenen Klimaschutzinstrumentes Emissionshandel.
Becker: Sprechen wir noch kurz über einen Hoffnungsträger, den RWE wohl ausgemacht hat: Großbritannien und eine Option dort, bei der sich RWE bewirbt mit mehreren Kraftwerken. Wenn das klappt und RWE den Zuschlag erhält, dann würde RWE nicht nur bezahlt werden für verkauften Strom, sondern auch für das Bereithalten von Anlagen. Das ist also genau das, was die anderen Versorger und auch RWE für Deutschland fordern. Was ist davon zu halten? Kann das ein Ausweg sein?
Frondel: Nein, davon halten wir sehr, sehr wenig. Da wollen wir uns ganz dezidiert distanzieren von dieser Forderung von RWE beziehungsweise auch der anderen Stromversorger. Wir sind der Auffassung, dass das schlichte Bereithalten von konventionellen Kraftwerken nicht prämiert werden soll. Wir sind der Auffassung, dass es noch längst nicht klar ist, dass der Markt nicht von selbst die Versorgungssicherheit richten kann, und wir sollten höchstens den Markt stärken und auf Marktkräfte setzen. Wir sollten aber nicht den Einstieg jetzt schon vorbereiten in einen neuen Subventionsmechanismus, den wir dann hinterher nur noch schwer abschalten können. Ein Prämieren für das Bereithalten von konventionellen Kraftwerken ist unserer Ansicht nach im Moment noch nicht notwendig.
Becker: Vielen Dank! - Professor Manuel Frondel war das vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung. Schönen Abend.
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