2008 war das Tsunami-Schutzsystem von Kamaishi fertig. Nach drei Jahrzehnten Bauzeit und Kosten von 1,4 Milliarden Euro stand der Wellenbrecher da: Er war anderthalb Kilometer lang und ragte sechs Meter hoch über die Wasseroberfläche. Dann, am 11. März 2011, überflutete der in Kamaishi neun Meter hohe Tsunami den Wellenbrecher problemlos, ließ ihn schließlich kollabieren und Kamaishi war ohne Schutz.
"Mich hat sehr überrascht, dass der durch das Tohoku-Beben ausgelöste Tsunami 20.000 Menschen getötet hat. Wir hatten geglaubt, dass das Gebiet aufgrund der Schutzbauten und Übungen der Bevölkerung sehr gut vorbereitet gewesen wäre."
Das sei wohl ein Irrglaube gewesen, urteilt Masataka Ando von der taiwanesischen Academica Sinica. In den am schlimmsten betroffenen Gebieten lag die Todesrate bei sechs Prozent der Bevölkerung. Das entspricht rund der Hälfte der Rate in den vom Weihnachtstsunami 2004 am meisten zerstörten Gebieten im Indischen Ozean: Dort trafen die Wassermassen jedoch eine nicht vorbereitete, ungeschützte Bevölkerung. Um herauszufinden, warum am 11. März 2011 in Japan so viele Menschen ertranken, interviewten Masataka Ando und seine Gruppe Flüchtlinge:
"Sie erzählten, wie sie das Beben erlebt und was sie getan hatten. Es stellte sich heraus, dass sich viele im entscheidenden Moment nicht an die Verhaltensregeln erinnert hatten. Meist haben nur noch die die alten Leute die Auffrischungskurse besucht. Viele glaubten sich sicher, auch weil es nach einigen Beben Tsunamiwarnungen gegeben hatte und dann gar nichts passierte. Viele Menschen sind sogar zum Meer gelaufen, um sich den Tsunami anzusehen: Er erschien ihnen spannend, und sie glaubten sich hinter den Dämmen sicher."
Inzwischen hat die japanische Meeresforschungsorganisation Jamstec Modellrechnungen veröffentlicht, nach der die Schutzsysteme so gut wie keinen Effekt gehabt hätten - weder was die zeitliche Verzögerung angeht, noch bei der Höhe der ersten Welle. Erschreckend ist auch die Bilanz bei den Schutzräumen. Die Leute wussten zwar, wohin sie sich im Ernstfall begeben mussten - aber:
"Unglücklicherweise waren einige Schutzräume in zu niedrig gelegenen Gebieten errichtet worden. Die Menschen ertranken."
Als problematisch erwiesen sich auch die Warnsysteme, denn sie funktionierten nicht wie geplant, sagt Ando:
"Nur etwa drei Prozent der Befragten erhielten die Warnungen übers Fernsehen, zehn Prozent über das Radio und zwar über das Autoradio oder batteriebetrieben Radios - sofern die Batterien noch funktionierten, denn nach dem Beben waren durch den Ausfall etlicher Kraftwerke weite Gebiete ohne Strom. Wer informiert wurde, erhielt die Nachricht fast immer über lokale Lautsprecher. Aber oft waren die Durchsagen nicht zu verstehen. Ohnehin schenkten die aufgeregten Menschen ihnen nicht viel Beachtung."
Japan hat nach dem Zweiten Weltkrieg entlang seiner Küsten eine Tsunami-Verteidigungslinie errichten lassen, die länger ist als die Chinesische Mauer. Die 125 Millionen Menschen sollten in Sicherheit leben. Die Katastrophe lehre, dass der Zivilschutz anders arbeiten müsse, so Masataka Ando:
"Man sollte sich nicht zu sehr darauf verlassen, gewarnt zu werden und geschützt zu sein. Die Regierung ließ die Bürger glauben, dass sie hinter den gewaltigen und sehr, sehr teuren Bauwerken sicher seien - und deshalb ertranken viele Menschen zu Hause. Vom Meer weg auf die Anhöhen zu laufen, das ist das Einzige, was hilft und das muss man wissen."
Ob die Schutzsysteme in ganzer Länge wieder errichtet werden sollen, ist umstritten. Die Bürgermeister fürchten unter anderem, dass die Bewohner ihrer Städte ohne schützende Wellenbrecher nicht zurückkehren werden.
"Mich hat sehr überrascht, dass der durch das Tohoku-Beben ausgelöste Tsunami 20.000 Menschen getötet hat. Wir hatten geglaubt, dass das Gebiet aufgrund der Schutzbauten und Übungen der Bevölkerung sehr gut vorbereitet gewesen wäre."
Das sei wohl ein Irrglaube gewesen, urteilt Masataka Ando von der taiwanesischen Academica Sinica. In den am schlimmsten betroffenen Gebieten lag die Todesrate bei sechs Prozent der Bevölkerung. Das entspricht rund der Hälfte der Rate in den vom Weihnachtstsunami 2004 am meisten zerstörten Gebieten im Indischen Ozean: Dort trafen die Wassermassen jedoch eine nicht vorbereitete, ungeschützte Bevölkerung. Um herauszufinden, warum am 11. März 2011 in Japan so viele Menschen ertranken, interviewten Masataka Ando und seine Gruppe Flüchtlinge:
"Sie erzählten, wie sie das Beben erlebt und was sie getan hatten. Es stellte sich heraus, dass sich viele im entscheidenden Moment nicht an die Verhaltensregeln erinnert hatten. Meist haben nur noch die die alten Leute die Auffrischungskurse besucht. Viele glaubten sich sicher, auch weil es nach einigen Beben Tsunamiwarnungen gegeben hatte und dann gar nichts passierte. Viele Menschen sind sogar zum Meer gelaufen, um sich den Tsunami anzusehen: Er erschien ihnen spannend, und sie glaubten sich hinter den Dämmen sicher."
Inzwischen hat die japanische Meeresforschungsorganisation Jamstec Modellrechnungen veröffentlicht, nach der die Schutzsysteme so gut wie keinen Effekt gehabt hätten - weder was die zeitliche Verzögerung angeht, noch bei der Höhe der ersten Welle. Erschreckend ist auch die Bilanz bei den Schutzräumen. Die Leute wussten zwar, wohin sie sich im Ernstfall begeben mussten - aber:
"Unglücklicherweise waren einige Schutzräume in zu niedrig gelegenen Gebieten errichtet worden. Die Menschen ertranken."
Als problematisch erwiesen sich auch die Warnsysteme, denn sie funktionierten nicht wie geplant, sagt Ando:
"Nur etwa drei Prozent der Befragten erhielten die Warnungen übers Fernsehen, zehn Prozent über das Radio und zwar über das Autoradio oder batteriebetrieben Radios - sofern die Batterien noch funktionierten, denn nach dem Beben waren durch den Ausfall etlicher Kraftwerke weite Gebiete ohne Strom. Wer informiert wurde, erhielt die Nachricht fast immer über lokale Lautsprecher. Aber oft waren die Durchsagen nicht zu verstehen. Ohnehin schenkten die aufgeregten Menschen ihnen nicht viel Beachtung."
Japan hat nach dem Zweiten Weltkrieg entlang seiner Küsten eine Tsunami-Verteidigungslinie errichten lassen, die länger ist als die Chinesische Mauer. Die 125 Millionen Menschen sollten in Sicherheit leben. Die Katastrophe lehre, dass der Zivilschutz anders arbeiten müsse, so Masataka Ando:
"Man sollte sich nicht zu sehr darauf verlassen, gewarnt zu werden und geschützt zu sein. Die Regierung ließ die Bürger glauben, dass sie hinter den gewaltigen und sehr, sehr teuren Bauwerken sicher seien - und deshalb ertranken viele Menschen zu Hause. Vom Meer weg auf die Anhöhen zu laufen, das ist das Einzige, was hilft und das muss man wissen."
Ob die Schutzsysteme in ganzer Länge wieder errichtet werden sollen, ist umstritten. Die Bürgermeister fürchten unter anderem, dass die Bewohner ihrer Städte ohne schützende Wellenbrecher nicht zurückkehren werden.