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Schwämme aus Tantal und Niob

Materialforschung. - Tantal ist ein ungewöhnliches Metall: Sehr geringe Mengen reichen aus, um Stähle härter zu machen oder auch besonders stark brechenden Linsen herzustellen, wie sie sich etwa die an Bord des Hubble-Weltraumteleskops befinden. Der größte Markt für Tantal aber sind winzige Kondensatoren, die für Handys oder Spielkonsolen gebraucht werden. Doch das Spezialmetall hat noch eine andere Eigenschaft: Es ist sehr selten. Die Industrie sieht sich darum gezwungen, nach Alternativen Ausschau zu halten.

Von Jan Lublinski |
    Das sogenannte Mooresche Gesetz besagt, dass sich die Anzahl der Transistoren auf einem Computerchip alle zwei Jahre verdoppelt. Aber nicht nur die Chips werden immer weiter miniaturisiert, auch die sogenannten passiven Bauelemente folgen einem exponentiellen Trend: Kondensatoren aus Tantal, die in den 60er-Jahren fingernagelgroß waren, haben heute etwa die Größe von Sandkörnern.

    "Die Welt-Tantal-Produktion von 1500 Tonnen Tantal wird verteilt auf mehrere Milliarden Hochleistungskondensatoren. Und diese Kondensatoren kommen in alle möglichen Schaltkreise, in die Energieversorgung von solchen mobilen Geräten, also Mobiltelefone, Laptops, Autoelektronik, aber vor allen Dingen in der Luft- und Raumfahrtindustrie."

    Frank Melcher von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Kondensatoren sind Bauteile, die elektrische Ladung sehr schnell speichern und wieder abgeben können und damit ein zentraler Bestandteil von elektronischen Schaltungen. Das seltene Metall Tantal macht es möglich, dass auch die kleinsten Kondensatoren noch sehr zuverlässig und hitzebeständig arbeiten.

    "Sie können die Kondensatoren mit der größten Energiedichte herstellen. Sprich: die kleinsten Kondensatoren mit einer sehr hohen Leistung."

    Christoph Schnitter perfektioniert in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Firma H.C. Stark in Goslar die Verarbeitung von speziellem Tantal-Pulver. Um einen Kondensator herzustellen, verarbeitet er dieses Pulver in einem mehrstufigen chemischen Verfahren so, dass sich winzige Schwämme aus Metall bilden. Die Oberfläche dieser Schwämme entspricht dabei den beiden Metall-Platten beim klassischen Kondensator. Das heißt: Auf der großen Oberfläche des Tantal-Schwamms lassen sich besonders viele elektrische Ladungen speichern. Und genau dieser Umstand macht die Tantal-Kondensatoren so attraktiv für die Elektronikindustrie.

    "Das Pulver muss eine sehr gute Fließfähigkeit, Rieselfähigkeit aufweisen, weil das auf Hochgeschwindigkeitspressen verarbeitet wird. Das müssen Sie sich wie eine Nähmaschine vorstellen, da ist oben ein Vorratsbehälter mit Tantalpulver, das läuft über eine Rutsche in eine Pressmatritze, wo ein Stempel dauernd hoch und runter geht. Wenn Sie sich vorstellen, dass diese kleinen Kondensatoren nur einige Milligramm Pulver enthalten, dann sind da nur einige zehn Tantalkörner drin, auf der anderen Seite muss aber definiert dieselbe Masse drin sein, sonst hätten sie unterschiedliche Kapazitäten in den Bauteilen."

    Aber auch wenn Schnitter das anspruchsvolle Herstellungsverfahren immer weiter verbessern kann, bleibt ungewiss, in welchem Umfang und zu welchen Preisen seiner Firma der Rohstoff Tantal in Zukunft überhaupt zur Verfügung stehen wird. Die größten Mengen des Metalls werden in Zentralafrika abgebaut. Insbesondere im Kongo befinden sich große Ressourcen des Gesteins Coltan, das Tantal enthält. Aber europäische Firmen wie H.C. Starck kaufen derzeit kein Material aus dem Kongo, weil dort Rebellenarmeen ihre blutigen Feldzüge mit dem Verkauf von Coltan finanzieren. Eine große Mine in Australien, die bis vor einem Jahr den Rohstoff ethisch einwandfrei aber zu deutlich höheren Preisen anbot, hat die Förderung vorerst eingestellt. Die Konsequenz: Der Weltmarktpreis für Tantal ist starken Schwankungen unterworfen. Frank Melcher.

    "Und es gibt mittlerweile Automobilkonzerne, die haben ihren Ingenieuren verboten, Tantalkondensatoren in neue Schaltungen einzubauen. Die müssen auf substituiertes Material ausweichen, weil sie die Schwierigkeiten mit dem Tantalmarkt kennen und sie verhindern wollen, dass sich das ausweitet."

    Die Ingenieure müssen sich also nach Alternativen umsehen: Einen Teil der Tantal-Kondensatoren können sie durch Aluminium- und Keramik-Kondensatoren ersetzen. Denn auch diese billigeren Kondensator-Typen sind über die Jahre immer weiter verbessert worden. Bei H.C. Starck arbeitet man derzeit auch mit Spezialpulvern aus Niob - einem Metall, das chemisch eng verwandt ist mit dem Tantal. Diese neuen Kondensatoren, die aus Niob-Schwämmen bestehen, werden bereits in Spielkonsolen und Handys verwendet, bislang allerdings nur in vergleichsweise geringem Umfang.

    Keine Alternative zum Tantal gibt es bei Kondensatoren, die in besonders anspruchsvollen Spezialanwendungen zum Einsatz kommen. In der Medizintechnik etwa oder in der Luft- und Raumfahrt wird auch in absehbarer Zukunft gelten: "Tantal inside."