Archiv

Schwangerschaft und Epigenetik
Ernährung beeinflusst das Erbgut des Babys

Wie viel wir uns bewegen, was wir essen - das Verhalten beeinflusst die Aktivitätsmuster unserer Gene. Eine Studie legt nun nahe: Der Lebensstil von Schwangeren hat nicht nur Auswirkungen auf sie selbst. Er führt offenbar auch zu messbaren Veränderungen im Erbgut ihrer Kinder.

Von Christine Westerhaus |
Eine schwangere Frau legt ihre Hand auf den Bauch (Symbolfoto).
Sport und gesunde Kost werdender Mütter führen offenbar zu epigenetischen Veränderungen beim ungeborenen Kind (imago/Westend)
Dicke Mütter bekommen dicke Kinder. Das stimmt zwar nicht immer, aber der Trend ist eindeutig: Die Babys fettleibiger Mütter bringen oft zu viel auf die Waage. Doch woran liegt das? Und wie können fettleibige Schwangere verhindern, dass ihr Baby ebenfalls übergewichtig wird? Diesen Fragen sind die Epigenetik-Professorin Charlotte Ling von der Lund Universität in Schweden und ihre Kolleginnen und Kollegen nachgegangen. Sie haben untersucht, ob es im Genom von Neugeborenen zu epigenetischen Veränderungen kommt. Das sind reversible Modifizierungen an der DNA, die die Aktivität der Gene beeinflussen.
"Ich habe in einer früheren Studie gezeigt, dass solche Veränderungen im Erbgut auch bei Menschen auftreten, die ihren Lebensstil ändern. Zum Beispiel, wenn sie anfangen Sport zu treiben und sich gesund zu ernähren. In dieser Studie wollten wir nun herausfinden, ob es auch bei Ungeborenen zu solchen epigenetischen Änderungen kommt, wenn die Mutter während der Schwangerschaft ihren Lebensstil ändert, indem sie sich gesund ernährt und Sport treibt."

Epigenetische Veränderungen an 379 Stellen im Genom

Charlotte Ling und ihr Team untersuchten in ihrer Studie 425 Schwangere die adipös, also stark übergewichtig waren. Einem Drittel dieser Frauen verordneten die Forschenden eine gesunde Diät und ein tägliches Sportprogramm. Ein weiteres Drittel durfte wie gewohnt essen, sollte aber während der Schwangerschaft Sport treiben. Später suchten die Forschenden im Nabelschnurblut der Neugeborenen nach Veränderungen im Erbgut.
"Unsere DNA-Analyse hat gezeigt, dass sich der veränderte Lebensstil der Schwangeren auf das Erbgut der Babys auswirkte. An 379 Stellen im Genom traten Methylierungen, also epigenetische Veränderungen auf und wir konnten zeigen, dass viele der betroffenen Gene die Entstehung von Fettgewebe und Muskeln regulieren oder die Verdauung beeinflussen. Gleichzeitig haben wir gesehen, dass diese Babys mehr Muskelmasse hatten als die Kinder der Mütter aus der Kontrollgruppe. Und man weiß, dass das zum Beispiel den Zuckerstoffwechsel verbessert."

Dauer und Effekt der Gen-Aktivitätsmuster noch unklar

Wie lange diese veränderten Gen-Aktivitätsmuster erhalten bleiben, ist bislang unklar. Und die Forschenden können auch nur vermuten, dass sie das Risiko der Neugeborenen senken, später fettleibig zu werden. Andere Untersuchungen deuten in diese Richtung. Eine kürzlich erschienene Studie aus Irland hat gezeigt, dass eine ungesunde Ernährung während der Schwangerschaft das Risiko erhöht, dass Babys in ihrer Kindheit fettleibig werden. Und auch andere Analysen legen nahe, dass sich der mütterliche Lebensstil und ihre Ernährung auch langfristig auf das Ungeborene auswirken können.
"Aus Tierversuchen wissen wir, dass ein Proteinmangel während der Schwangerschaft zu epigenetischen Veränderungen bei den Nachkommen führt und ihr Risiko erhöht, später an Diabetes zu erkranken. Und dann gibt es Studien aus den Niederlanden an Schwangeren, die im zweiten Weltkrieg Hunger leiden mussten. Deren Babys hatten im späteren Leben ein höheres Risiko für Stoffwechselprobleme und Herz-Kreislauf-Erkrankungen."

Wichtige Weichen im Mutterleib

Solche Beobachtungen zeigen einmal mehr, dass die Zeit im Mutterleib wichtige Weichen für das spätere Leben eines Menschen stellt. Auch wenn die kausalen Zusammenhänge noch nicht eindeutig klar sind: Für werdende Mütter oder Frauen mit Kinderwunsch, die stark übergewichtig sind, lohnt es sich in jedem Fall, abzunehmen. Denn dadurch sinkt auch das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes.
"Wir wissen aus früheren Studien, dass es gut ist, wenn Frauen während der Schwangerschaft nur wenig Gewicht zulegen. Und wenn wir den Schwangeren sagen, dass sie mit einer gesunden Ernährung auch die epigenetischen Eigenschaften ihres Babys positiv beeinflussen, kann das ein zusätzlicher Anreiz für sie sein."