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Schwarz-Grün in Hessen
Salzdebatte erschwert Koalitionsleben

Das erste Regierungsjahr der schwarz-grünen Koalition in Hessen verlief unerwartet harmonisch und geräuschlos. Doch dass es so weitergeht, ist nicht zu erwarten. Denn strittige Themen wie der Salzbergbau, das Atomkraftwerk Biblis und Stromtrassen stellen die Koalition auf den Prüfstand.

Von Ludger Fittkau |
    Am anderen Ufer der Werra ist am 25.02.2015 die Abraumhalde und das K+S-Verbundwerk Werra Standort Wintershall in Heringen (Hessen) zu sehen.
    In den Boden gepresste Abwässer aus dem Salzbergbau an der Werra bedrohen das Trinkwasser: Eine Bewährungsprobe für die schwarz-grüne Koalition in Hessen. (dpa / picture alliance / Uwe Zucchi)
    "Meine Damen und Herren, nehmen Sie bitte wieder Platz ..."
    Heute Nachmittag im hessischen Landtag. Es geht um Salz. Genauer gesagt, um den Salzbergbau an der Werra im Grenzgebiet von Hessen und Thüringen. Abwässer dieses Salzbergbaus bedrohen nun Trinkwasserbrunnen. Für die hessischen Grünen ist das ein Fiasko. Denn sie waren immer dagegen, dass diese salzhaltigen Abwässer im Boden versickern dürfen. Doch nun sind die Hessen-Grünen gemeinsam mit den Schwarzen in der Regierung. Auch um des lieben Koalitionsfriedens willen wollten sie es noch vor einigen Monaten zähneknirschend erlauben, dass die salzigen Abwässer weiterhin im Boden verschwinden - noch viele Jahre lang.
    Salzdebatte peinlich für die Grünen
    Doch nun zeigt sich: Dieses Verschwindenlassen rächt sich. Die Linkspartei im hessischen Landtag ärgert die Grünen bei der Salzdebatte mit ihrem Markenkern - dem Umweltschutz. Marjana Schott, die umweltpolitische Sprecherin der Linken, erwähnt ein kritisches Gutachten des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie - kurz HLUG. Es ist schon einige Monate alt, wurde aber erst kürzlich bekannt.
    Marjana Schott greift die grüne Umweltministerin Priska Hinz scharf an: "Eine Erlaubnis für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in das Grundwasser darf nur erteilt werden, wenn eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffung nicht zu besorgen ist. Spätestens seit der Stellungnahme des HLUG von Juli 2014 wissen wir, dass eine nachhaltige Veränderung des Grundwassers schon lange eingetreten ist. Und während dieser ganzen Zeit bedienen Grüne, CDU und das Umweltministerium die Presse mit der Behauptung, der Schutz des Grund- und Trinkwassers habe für sie höchste Priorität. Ich halte das für eine Lüge, Frau Ministerin."
    Schwarz-Grün aus dem Tritt gekommen
    Für den Begriff "Lüge" bekommt die Linke zwar eine Rüge. Doch für die Grünen ist die peinliche Salzdebatte heute Nachmittag ein Symptom. Dafür, dass Schwarz-Grün in Hessen seit ein paar Wochen aus dem Tritt gekommen ist. Ein Jahr lang lief alles verblüffend gut. Schwarze und Grüne in Hessen fanden besser zusammen, als es viele erwartet hatten. Ein wöchentliches Ritual half dabei - ein gemeinsames Abendessen beider Fraktionen in der Dienstvilla von Volker Bouffier, dem hessischen Ministerpräsidenten. Von versalzenen Speisen wurde nichts bekannt, dafür aber war nach einem Jahr viel von Harmonie die Rede: "Also zum einen - wir arbeiten sehr vertrauensvoll zusammen. Professionell. Und das merken, glaube ich, sowohl Sie als Betrachter, als auch die Bevölkerung. Wir sind kein Streitbündnis, sondern wir arbeiten erfolgreich", sagte Volker Bouffier noch vor dem Jahreswechsel.
    Auch jetzt ist Schwarz-Grün in Hessen noch kein Streitbündnis. Doch die Erzählung von der Erfolgsgeschichte, die 2017 dann auch ein Modell für die Bundespolitik sein könnte, stockt. Das Salz, das das Trinkwasser bedroht, ist dabei nur eines von mehreren belastenden Themen. Allein in dieser Woche tagen im hessischen Landtag zwei Untersuchungsausschüsse mit politischem Sprengstoff. Zum einen geht es um die Frage, ob die alte schwarz-gelbe Landesregierung unter Volker Bouffier teure politische Fehler gemacht hat. Es geht um 235 Millionen Euro Schadensersatz. Soviel verlangt die Atomindustrie. Sie klagt gegen die Art und Weise, wie vor vier Jahren nach Fukushima das hessische Atomkraftwerk Biblis abgeschaltet wurde. Fehlverhalten der damaligen schwarz-gelben Regierung beim Abschalten von Biblis hat bereits das Bundesverwaltungsgericht festgestellt. Jetzt geht es konkret darum, welchen Anteil Bouffier persönlich daran hat. Der Ministerpräsident reagiert gereizt: „Wenn man mir unterstellt, ich hätte bewusst zum Nachteil des Landes Hessen gehandelt, ist das erstens ehrenrührig, zweitens falsch und drittens weise ich das mit aller Entschiedenheit zurück."
    Bouffier weist Vorwürfe zu Schadensersatz und NSU-Mord zurück
    Doch auch wenn Volker Bouffier nicht bewusst zum Nachteil des Landes gehandelt haben sollte - 235 Millionen Euro Schadensersatzforderungen sind nicht von Pappe. Doch ein zweiter Untersuchungsausschuss könnte Volker Bouffier und seinem schwarz-grünen Bündnis noch mehr zusetzen. Es geht um den Kasseler NSU-Mord im Jahre 2006 an Halit Yozgat. Seit kurzem steht nun der Vorwurf im Raum, der hessische Verfassungsschutz könnte womöglich von den Mordplänen etwas gewusst haben.
    Volker Bouffier war 2006 Innenminister und für den Verfassungsschutz verantwortlich: "Meine Damen und Herren, in den letzten zwei Tagen sind in der Presse - gestützt auf Mitteilungen der Opferanwälte im Münchener NSU-Prozess - Berichte erschienen, die im Kern unterstellen, dass der hessische Verfassungsschutz schon im Vorhinein von dem Mord in Kassel Kenntnis gehabt habe, die Behörde dies gedeckt habe und ich als zuständiger Innenminister dies gebilligt oder gar unterstützt hätte. Diese Unterstellungen mir gegenüber sind eine Ungeheuerlichkeit, sie sind eine Unverschämtheit, und ich weise sie in aller Form zurück."
    Erinnerungen an geräuschloses Regierungsjahr verblassen
    Doch auch zu diesem Thema bleiben viele Fragen offen. So viele Fragen, dass nun auch die schwarz-grünen Regierungsfraktionen in Wiesbaden den NSU-Untersuchungsausschuss für nötig halten, der im vergangenen Jahr nur mit Stimmen der Opposition eingesetzt wurde. Eine peinliche Wendung vor allem für die hessischen Grünen. Der NSU-Mord, Biblis, Salz, das Trinkwasser bedroht, und umstrittene Stromtrassen nach Süden - die Erinnerungen an das geräuschlose erste Regierungsjahr von Schwarz-Grün in Hessen sind im angebrochenen zweiten Regierungsjahr verblasst.
    Der einzige Lichtblick: Die Koalition hat eine gemeinsame Sprachregelung gefunden, wie man mit dem Ausbau des Frankfurter Flughafens umgeht. Am umstrittenen Terminal 3 wird die Koalition nicht scheitern. Am Salz im Boden allein wohl auch nicht. Doch es bleiben genug Themen, die Schwarz-Grün das Koalitionsleben ab nun schwer machen können.