"Sollen wir reingehen oder raus? -Wir haben gedacht, draußen. Sie können auch alle reingucken, sich auch die Gebäude dann angucken.."
Ein sonniger Sonntag auf der Baustelle der Schwarzmühle in Schwarzkollm. Besuch aus einem Nachbarort ist gekommen, um sich anzuschauen, was Wandergesellen, Ein-Euro-Jobber und die Mitglieder des Vereins Krabatmühle Schwarzkollm bisher auf die grüne Wiese gestellt haben. Die Vereinsvorsitzende Gertrud Winzer empfängt die Gäste:
"Ich begrüße sie ganz herzlich an dieser Stelle, wo die schwarze Mühle wieder entstehen wird, hier in Schwarzkollm. Wir freuen uns, dass Sie Sonntag Vormittag, so zeitig losgemacht sind."
Das Straßendorf in der Nähe von Hoyerswerda ist Ausgangspunkt unserer Radtour durch die Krabatregion. Am Ortsrand wächst das größte Projekt des überregionalen Krabatvereins: Der Wiederaufbau der Schwarzen Mühle, in dessen Original der Hirtenjunge Krabat einst beim bösen Schwarzmüller das Zauberhandwerk lernte. Doch von dunklen Zauberkräften ist keine Spur. Die Sonne strahlt auf zwei honigfarbene Holzhäuser, das Gesindehaus und den Laubengang, die die Besuchergruppe aus Lauta jetzt erkundet.
"-Am Anfang waren wir alle ziemlich skeptisch, ob sich das tragen wird, aber mittlerweile hat's doch Formen angenommen und wird auch angenommen. Skeptisch bin ich noch nie gewesen, denn was die Frau Winzer in die Hand nimmt, das klappt meistens. ...das mit dem Projekt ist ne tolle Sache. Immer wieder sieht man wie das wächst "
Für Skepsis ist kein Platz im Kopf von Gertrud Winzer. In einem Laubengang, so erzählt sie, waren oben Schlafräume für's Gesinde und unten Platz für Hühner, Ziegen, Schafe. Wenn alles fertig ist, wird es hier einen kleinen Laden geben mit Produkten aus der Region, Filmvorführungen und Märchenstunden für Kinder. Das Krabatprojekt soll die Region beleben, für Touristen und Arbeit sorgen. Und Gertrud Winzer, die schon zu DDR-Zeiten eine Macherin war, ist die Seele des Ganzen, die schon so manchen Kampf ausgefochten hat: Zum Beispiel vor zwei Jahren, als ein Aufruf im Internet frei reisende Wandergesellen auf die Baustelle aufmerksam machte, die sie daraufhin zur Sommerbaustelle erklärten - dem alljährlichen festen Arbeitstreffpunkt. Holz und Steine gab es auf der grünen Wiese am Rande von Schwarzkollm, aber sonst nichts. Und lange beantragte Gelder vom Land wurden in letzter Minute verweigert.
"Dann haben se gesagt: Ihr Projekt ist nicht förderfähig, das Konzept ist nicht schlüssig, Sie müssen ein neues Konzept erarbeiten. Damit waren Fördermittel weg, aber die Wandergesellen waren da."
Und sie blieben. Sägten Bretter und Balken zurecht, schleppten Steine und Stämme. Das Dorf versorgte zu Spitzenzeiten rund 100 junge Frauen und Männer aus Handwerksberufen. Kostenlos, mit Hilfe von Spenden unzähliger Sponsoren aus der Region. Die Verweigerung der Fördergelder war nur einer von unzähligen Nackenschlägen für das Projekt, dessen überregionale Bedeutung das Land Sachsen erst ganz langsam zu erkennen scheint. Doch Gertrud Winzer lässt sich von so etwas nicht schrecken. Schließlich hatte es auch der echte Krabat, der Kroate Oberst Johann Schadowitz nicht leicht vor 300 Jahren:
"Seine Zeit war ja auch eine sehr schwierige Zeit, der 30jährige Krieg (... Den Bauern ging's ja sehr schlecht, das sind ja sehr karge Böden, hier gerade die mittlere Lausitz ist überwiegend von Sandboden geprägt, auf Niederschläge angewiesen, oder es war stauende Nässe da. Und da hat er neue Wege aufgezeigt. Er ist einer gewesen, der gesagt hat, wie man die Böden ordentlich bearbeitet, (..) er hat sicher an dem ganzen Grabensystem mitgewirkt, was hier in der Lausitz entstanden ist - ein Mann der in der damaligen Zeit den Menschen sehr zukunftsweisend war."
Zur Erfrischung gibt' s unterm Sonnenschirm dann kalte Getränke und - eine Überraschung: Mit wehendem Umhang, Dreispitz und dicken schwarzen Stiefeln tritt der Schwarzmüller auf! Der Schwarzkollmer Dieter Klimek, Botschafter der Oberlausitz, ist leidenschaftlicher Laiendarsteller des bösen Müllers und erzählt kurz die Geschichte des Zauberlehrlings Krabat. Und kennt so manche literarische Anekdote:
"Wenn ich Ihnen erzähle, dass selbst der Goethe in Leipzig im Auerbachskeller gesessen hat und mit Studenten über viele Sachen referiert hat, waren auch hier aus der Region Studenten dort mit unten und die haben über den Krabat was erzählt. Und Goethe, pfiffig wie er war, hat den Faust und den Zauberlehrling geschrieben."
Klimek erzählt vom Engagement des echten Krabat, Oberst Schadowitz, der im Nachbarort Groß Särchen lebte, dort die Landwirtschaft auf Vordermann brachte und so den Menschen in der Region zu einem besseren Leben verhalf.
"Im übertragenen Sinne machen wir in Region genau das Gleiche: Krabat soll in dieser Region etwas bewirken, er soll die Menschen aufrütteln, er soll ihnen zeigen, wie es aus der schwierigen Situation wieder herausgeht. "
Auf die Idee, die Schwarze Mühle wieder aufzubauen, kamen die Schwarzkollmer, weil immer wieder Besucher aus dem Westen danach gefragt haben. Viele hatten den Roman "Krabat" von Otfried Preußler gelesen und waren neugierig auf den Koselbruch. Schließlich trommelte Gertrud Winzer, die frühere Ortsvorsteherin von Schwarzkollm, die Interessierten zusammen. Sie gründeten einen überregionalen Verein, nannten die Region "Krabatregion" und bauten als erstes den Krabatradweg, auf dem man den Spuren des Zauberers folgen kann.
Von der Mühlenbaustelle in Schwarzkollm führt der Krabatradweg durch stille Kiefernwälder und kleine Ortschaften, vorbei an Fischteichen durch eine beschauliche Landschaft. Nach wenigen Kilometern erreichen wir das Städtchen Wittichenau, dessen katholische Kirche der echte Krabat, Oberst Schadowitz, seinerzeit täglich besucht haben soll.
Die Marienkirche zu Wittichenau glänzt mit gold-barockem Altar und dicken Säulen. An einer dieser Säulen ist eine kleine Messingtafel mit einer Inschrift von 1704 angebracht
Den 29. Mai ist in Särchen gestorben und allhier in der Kirchen den 2. Juni begraben worden, unterhalb des Presbytorij am Gläkel, der gnädige Herr H. Obrist Joannes Schadowitz, in Kroatien von Agram gebürtig.
Pfarrer Heinz Morawitz hat viele Jahre in der Marienkirche gepredigt. Er glaubt, dass es tatsächlich die Gebeine von Johann Schadowitz sind, die hier unter der Säule ruhen:
"Der Oberst Schadowitz ist hier bestattet. Schadowitz ist halt ein vorbildlicher Christ gewesen und hat die Ehre bekommen, dass er in der Pfarrkirche bestattet worden ist. Er muss Gutes getan haben, gegenüber den Mitchristen oder den Mitbewohnern in Groß Särchen und muss hier oft zur Kirche gekommen sein. Das wird erzählt."
Nahe der Kirche, auf dem Marktplatz, steht eine Krabatsäule aus Sandstein, die mit den Sagenfiguren geschmückt ist - zu DDR-Zeiten ein Streitobjekt, denn die Wittichenauer Sorben wollten das staatlich geförderte Denkmal nicht haben. In Wittichenau trieb Krabat der Zauberer seinen Schabernack. Verwandelte sich, nachdem er dem bösen Müller entkommen war, kurzfristig in einen fetten Ochsen, den sein Vater auf dem Viehmarkt verkaufte. So kam etwas Kleingeld in die karge Kasse von Krabats Zieheltern, und sie konnten sich besseres Essen leisten. Dazu gehörte damals wie heute ein guter Schluck Bier. Und den gibt es in einer kleinen Wittichenauer Familienbrauerei, die unter anderem das Krabatpils braut:
"Wenn das Bier gekocht ist, kommt's mit 96 Grad hier oben an, und wird im Wärmetauschverfahren auf 8 Grad runtergekühlt bevor es auf Lagertanks geht. (..) Das Krabatpils wird auch hier gebraut, sind ganz spezielle Zutaten und im Verfahren das gleiche wie Wittichenauer Pils."
Johannes Glaab, der Junior der Wittichenauer Familienbrauerei, kennt das Brauhandwerk aus dem ff. Das Krabatpils ist eines der Produkte, die die Region für Touristen schmackhaft machen sollen. Das süffige Pils hat einen süßlich-malzigen Geschmack:
"Sind halt spezielle Hopfenarten, Malzarten, ganz besondere Rohstoffe ausgesucht, um das qualitativ hochwertige Pils zu erhalten, und haben es jetzt auch wieder mal bei der VLB in Berlin, Versuchs- und Lehranstalt prüfen lassen, und haben dort wieder Bestnoten bekommen. Vielleicht macht Krabat noch n bisschen Zauber, dass es was ganz Besonders ist?"
Der Radweg führt weiter nach Kotten, einem Ortsteil von Wittichenau. Hier nimmt ein Milchviehbetrieb die Verbindung von Krabat und dem Viehmarkt für sich in Anspruch, hat umgebaut und modernisiert und zeigt Besuchern, wie moderne Milchwirtschaft funktioniert
Einige hundert dicke Schwarzbunte Holsteiner stehen und liegen in großen Ställen und tun, was Kühe eben so tun - fressen und wiederkäuen. Die Anlage darf man besichtigen - mit blauen Plastikhäubchen über den Schuhen.
"Wir sind hier in der Krabat-Milchwelt, Kuh-Käse-Kilowatt. Es ist ursprünglich hervorgegangen aus einem Landwirtschaftsbetrieb und einem Betriebszweig Milchviehhaltung der MKH-Agrarprodukte GmbH in Wittichenau. Jetzt wollen wir dem Verbraucher hier zeigen, wie wir Milch produzieren und wie wir praktisch unsere Tiere artgerecht halten. Und natürlich auch die Milch veredeln zu Käse."
Tobias Kockert von der Krabat-Milchwelt führt über das Gelände. Schulklassen und Reisegruppen lernen hier die Kopplung von Milchwirtschaft und Energiegewinnung kennen. Die 300 Kühe bekommen selbst angebautes Futter, im strohbedeckten Kuhkindergarten leben dazu noch etwa 200 Kälber. Der Betrieb wurde kürzlich Landessieger für artgerechte Tierhaltung. Fast alles läuft automatisch:
"Wir sind jetzt in der Melkanlage, die Kühe werden 3 mal am Tag gemolken, wir haben n 24er Melkkarussell, das heißt 24 Kühe stehen auf einmal in dem Melkkarussell drin. Karussell deshalb, weil es sich so wie aufm Rummel dreht. Hier gehen die Kühe auf der einen Seite rein und werden rumgefahren und das Euter wird abgemolken und dann gehen die Kühe wieder raus. "
Die Kühe produzieren nicht nur Milch, sondern auch Gülle für einen Generator. Aus Kuhfladen und Maissilage wird Biogas, das ein Motor verbrennt. 1000 Kilowatt pro Tag werden so ins Netz eingespeist und sind eine zusätzliche Einkommensquelle für den Betrieb. Zum Schluss heißt es: Käse gucken - durch eine große Glasscheibe sieht man viele größere und kleinere Käselaibe in Regalen liegen. Einen Krabatkäse gibt es allerdings noch nicht. Tobias Kockert:
"Der weiße ist einfach ein frischer Käse, der noch länger reifen muss, als der goldgelbe Käse, der bei uns immer jeden Tag von Hand geschmiert wird,(..) die schwarzen Punkte sind Pfefferkörner, bzw. daneben der Gesprenkelte ist Kreuzkümmel der dort mit im Käse drin ist, und dann ham wer (..) auch paar Probiersorten, mit Lein, wie Leinsaat, weil das bei uns in der Lausitz vorkommt oder auch ein Kleinkäse, das ist der kleine Würzige nennen wir den."
Von Kotten aus ist es nur ein Katzensprung bis nach Groß Särchen. Der Radweg führt nahe am Knappensee vorbei, ein gefluteter ehemaliger Braunkohletagebau, in dem man an heißen Tagen baden und sich abkühlen kann. In Groß Särchen verbrachte Krabat seine letzten Jahre auf einem Gut, das ihm der Sachsenkönig August der Starke für seine Verdienste in dessen Armee schenkte.
Das alte Gut, das Vorwerk Groß Särchen, mit Brauerei, Försterei, Mühle und Ställen fürs Kleinvieh gibt es längst nicht mehr. Vor 300 Jahren soll Oberst Johann Schadowitz jedoch mit Klugheit und technischem Sachverstand die Landwirtschaft auf Vordermann gebracht haben, so will es die Legende.
Er ließ das Land entwässern, brachte neue Getreidesorten mit, verbesserte den Obstbau. Schriftlich festgehalten sind diese guten Taten jedoch nicht, weiß der Architekt Wolfgang Kraus. Der gebürtige Sauerländer ist eine Art geistiger Nachfolger von Krabat. Vor 12 Jahren siedelte er nach Groß Särchen um; erst der Arbeit und dann der Liebe wegen. Kraus ist ein Macher im besten Sinne. Gründete bald nach seiner Umsiedlung einen Heimatverein und regte an, das Gut von Krabat neu aufzubauen. Mit seinem Wissen als Architekt half er beim Bau des neuen Vorwerks in Groß Särchen, das einladend Orange mitten im Ort steht.
"Dies ist ein altes, brachgefallenes Wohngebäude aus dem Ende des 18. Jh. Und das war zum Ärgernis der Leute geworden und mal wollte es abreißen und wir haben gesagt, wir bauen hier das neue Vorwerk. Das alte Vorwerk liegt im Dorfkern, das existiert aber bestimmt schon 200 Jahre nicht mehr."
Das neue Vorwerk hat viel Platz für Vereine, die Theatergruppe, für einen kleinen Regionalladen mit Leinöl, Senf und anderen Produkten aus der Region.
Kraus' Engagement im Ort führte schließlich dazu, dass er für die 625-Jahr-Feier in einem Singspiel die Rolle des Krabat übernahm.
"Und wenn ich alle Zaubersprüche der Welt beherrschen würde. Und wenn ich allen Reichtum und alles Geld der Welt besäße, hätte aber die Liebe nicht, was wäre der Preis Meister? So hat das angefangen, ich bin dann 5,6 mal aufgetreten als Krabat, als Figur Krabat und hatte soviel Anerkennung, auch in der sorbischen Bevölkerung, dass man gesagt hat, der sieht fast aus wie Krabat und jetzt hab ich s schon über 400 mal gemacht."
Inzwischen ist der 56-jährige sogar Botschafter der Oberlausitz - ein Sauerländer als Kulturträger im Osten. Die Figur des Krabat ist Kraus mit seiner grauen Mähne und dem Schnauzbart wie auf den Leib geschrieben. Und entspricht seiner Lebenseinstellung:
"Krabat ist sozusagen der typische Mensch, der eine sympathische Grundeinstellung hat, der geliebt ist, der die Welt natürlich verändern möchte, zum Positiven verändern möchte und der sie dann erst mal gewaltig auf die Schnauze kriegt. "
Nicht alles lief so glatt, wie Wolfgang Kraus es sich gewünscht hätte. Doch Krabat zu sein bedeutet eben auch, die Steine, die einem das Leben immer wieder in den Weg wirft, beiseite zu räumen. - Der Radweg führt Richtung Süden und streift dabei die Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft - ein Biosphärenreservat, in dem Mensch und Natur seit Jahrhunderten eine Lebensgemeinschaft bilden.
Es geht durch Eutrich, den Ort, in dem Krabat der Sage nach seine Kindheit verbrachte, durch Rosenthal mit seiner Wallfahrtskirche, und am Abend erreichen wir das riesige Kloster Marienstern in Panschwitz-Kuckau. Am nächsten Morgen steht eine kurze Besichtigung des klostereigenen Gartens auf dem Programm. Sonja Heiduschka ist die Herrin über den riesigen Klostergarten, in dem Blumen, Kräuter und Gemüsesorten wachsen.
Als sie Anfang der 90er Jahre hier anfing, war das Gelände nach einem Hochwasser eine schlammverkrustete Unkrautwüste. Sonja Heiduschka und ihre Mitarbeiter besannen sich beim Wiederaufbau auf klösterliche Traditionen:
"Wir haben originalgetreu einen historischen Kräutergarten, den Hortulus angelegt, nach Plönen des Abtes Wahlafrid Strabo, der im 9. Jh. am Bodensee gelebt hat. Die Pflanzen, die wir verwendet haben, entsprechen alle den Plänen aus dieser Zeit."
Besucher interessieren sich vor allem für Heilkräuter und deren Wirkung - in Koch- und Kräuterkursen, die das Kloster veranstaltet, kann man dieses uralte Wissen lernen. Sonja Heiduschka hat eine Vorliebe für heimische Seltenheiten:
"Hier haben wir eine Pflanze, die riecht so richtig toll nach Spearmint, die Kinder würden sagen, die riecht nach Kaugummi, das ist die Frauenminze. Gehört jetzt nicht zu den Minzen, das ist eine Chrysanthemumart und bei Magen und Frauenbeschwerden wird als Tee zubereitet und kann man auch n bisschen als Gewürz nehmen zu Salaten, zu Soßen, weil es hat son erfrischenden Geschmack."
Nächstes Dorf mit unbedingtem Haltegebot ist Nebelschütz - ein Bilderbuchdorf, dass als "schönstes Dorf" schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Hier gibt es ein mächtiges, hölzernes Tor, der Nachbau eines alten Wendischen Hoftores, durch das man in den liebevoll gepflegten Stadtpark mit Blumenbeeten und altem Baumbestand gelangt. Auch die Nebelschützer hatten vor einigen Jahren die Idee, Krabat als Marke zu nutzen - doch Bürgermeister Thomas Zschornak wollte keinen Alleingang des Dorfes, sondern setzte, ganz im Sinne von Krabat, auf Zusammenarbeit. Die Werte, die die alte Legende vermittelt, zählen für Thomas Zschornak auch hier.
"Wertschöpfung, das Gute gewinnt gegenüber dem Bösen, Solidarität, alles wiederspiegelt sich in Krabat (..) und da haben wir vor 6 Jahren den Krabat e.V. gegründet, wo wir alle die touristische Entwicklung selber in die Hand nehmen wollen."
Den Nebelschützern liegt viel am sanften Tourismus, aber auch am Erhalt alter Bausubstanz. Deswegen gibt es einen inzwischen überregional bekannten Recyclinghof, der Arbeit Suchende weiterqualifiziert.
"Das sind beispielsweise alte Firststeine, ca. 150 Jahre alt, von einer alten Scheune abgetragen worden, die lagern wir jetzt momentan und in der Winterzeit, wenn unsere Leute aus dem 2. Arbeitsmarkt draußen keine Verschönerungsarbeit durchführen können oder keine richtige Arbeit haben, weil es kalt ist und sehr nass ist, werden diese Ziegel aufgearbeitet und wieder Denkmal geschützten Gebäuden dazu gegeben."
Die Nebelschützer sind inzwischen im In- und Ausland vernetzt, denn alte Gemäuer und den bedarf an passenden Steinen gibt es in Europa reichlich. Der Recyclinghof entstand eher zufällig:
"Wir haben ein Dreiseitgehöft gekauft, saniert mit ABM, mit ortsansässigen Firmen und haben festgestellt, dass dafür immer historisches Baumaterial benötigt wird. Und (..)weil wir genau gewusst haben, das Material ist knapp, kamen wir zum Resultat: Wir bauen eine Recycelhof. (..) Das Gute ist, dass man mit solchen Materialien auch innerhalb der Gemeinden tauschen kann, Ware gegen Ware, man kann auch ein gewisses Bewusstsein entwickeln, dass man eigenen Ressourcen nutzt und sie professionell einsetzt. "
Der umtriebige Bürgermeister muss schon wieder los, zum nächsten Termin. Wir treten fester in die Pedale, denn es geht durch leicht hügelige Landschaft, die von Kornfeldern geprägt ist. Über Kamenz, der Geburtsstadt Lessings, mit ihrer mächtigen Marienkirche, geht es weiter nach Weissig und seinen Fischteichen. Es ist Zeit für ein Mittagspause, die Teichwirtschaft von Familie Bräuer kommt wie gerufen. Es gibt eine leckere, frische Fischsuppe und anschließend eine kleine Lektion in Sachen Teichwirtschaft von Teichwirt Uwe Bräuer. Der Altteich Weissig ist vor allem Angelteich. Deswegen hat der Fischer viele verschiedene Arten im Netz:
"In der Hauptsache natürlich Karpfen, Grasfresser, Graskarpfen, Schleien, Hechte, Zander, Welse, das sind die Hauptfischarten. Nebenfische noch, Wildfische sagen wir, Plötze und Rotfeder, fast alles an unsern einheimischen Süßwasserfische, außer Salmoniden - Forellen. Die passen hier nicht rein, das vertragen die nicht."
Die Teichwirtschaft ist typisch für die Lausitz. Die flachen Teiche wärmt die Sommersonne gut durch, und deshalb fühlen sich vor allem dicke Karpfen im angewärmten Wasser sehr wohl. Nicht nur Angler, auch Naturliebhaber kommen in der Gegend auf ihre Kosten: Es gibt Seeadler, Kraniche, seltene Entenarten, Kormorane und Fischotter zu sehen - geschützte Arten, von denen manche den Teichwirten schon ein Dorn im Auge sind, gibt Uwe Bräuer zu. Die Teichwirtschaft in der Lausitz ist schon älter als die Krabatsage, erzählt der Profifischer - mit dem Zauberer selbst hat er nicht viel am Hut.
"Wir profitieren kaum davon. Die Leute, die nur den Krabatweg abfahren, die halten kaum an oder kommen hierher n Abstecher machen - wir haben nicht den meisten Kontakt, vielleicht ist der Wirbel um den Krabat auch n bisschen viel. "
Der Krabatradweg, ein Rundweg, endet wieder in Schwarzkollm. An einem Wochentag wie heute herrscht reger Betrieb: Ein-Euro-Jobber hacken Holz für den Winter, andere schälen Rinde von Kieferstämmen aus der später natürliche Dachziegel gemacht werden.
Christina Strache aus Hoyerswerda, die von Beruf Sachbearbeiterin ist, ist eine von ihnen. Den Wiederaufbau der Schwarzmühle findet sie sinnvoll. Für die Ein-Euro-Jobber, aber auch für die Region. Das es hier so eine große Baustelle gibt, hat sie vor ihrem Job nicht gewusst.
"Man hats vorher nicht gekannt, wir wären auch hier vorbei gefahren, wenn nicht jemand aus dem Ort hier gewesen wäre und hätte gesagt, das ist hier die Mühle. Wir haben zwar Krabat-Mühle, da muss ne Mühle stehen. Stand aber nüscht. Und wenn die nachher mal steht und alles fertig ist, wird schon mal interessant sein, das mal zu sehen."
Schon jetzt, wo bisher nur Gesindehaus und Laubengang stehen, ist die Baustelle Schwarze Mühle am Koselbruch in Schwarzkollm ein Anziehungspunkt für viele Besucher, die auf Krabats Spuren unterwegs sind. An den Wochenenden gibt es Kaffee und Kuchen und auch das Krabatpils wird ausgeschenkt; jeder Euro, der eingenommen wird hilft, die Mühle wieder aufzubauen. Wenn die Schwarze Mühle und ihre Nebengebäude erst mal stehen, werden Handwerker einziehen und Besucher können sich im Töpfern oder Blaudruck üben, lernen, wie Korn zu Mehl vermahlen wird und dürfen ihr eigenes Brot backen. Gertrud Winzer, auf deren Schultern der Großteil der Arbeit ruht, ist zuversichtlich. Obwohl es wieder einen Nackenschlag gegeben hat - im Sommer hat der alte Bauleiter aufgehört - eine neue Fachkraft muss dringend her:
"Wir reißen hier im Ort ne alte Gaststätte ab, wo wir das Material wieder verwenden, (..) und wir haben ne Abrissmaßnahme in Dubrink, dort haben wir zwei Denkmal geschützte Häuser, die hierher müssen, eine Scheune, die unsere spätere Mühle sein wird und ein Wohnhaus, das wir als Trachtenhaus wieder aufbauen, und dort brauchen wir genauso diesen Fachmann zum Abriss (..) Ich bin dieses Auf und Ab schon gewöhnt. Natürlich ist dies ein besonders harter Fall, aber ich denke daran werden wir nicht zerbrechen, die Krabatmühle wird weitergebaut. "
Auch Krabat musste seinerzeit gegen immer neue Widerstände ankämpfen - der Zauberer ist ein Vorbild bis heute:
"Ich denke heute solche Projekt auf den Weg zu bringen und zu sagen, das wird was, und Menschen dazu zu begeistern, ist genauso n schwerer Weg. Und wir benutzen einfach Krabat, diese Kraft, die er damals zum Durchsetzen gehabt hat, diese Kraft haben wir einfach übernommen und wollen in seinem Namen einfach in der Region was bewegen."
Ein sonniger Sonntag auf der Baustelle der Schwarzmühle in Schwarzkollm. Besuch aus einem Nachbarort ist gekommen, um sich anzuschauen, was Wandergesellen, Ein-Euro-Jobber und die Mitglieder des Vereins Krabatmühle Schwarzkollm bisher auf die grüne Wiese gestellt haben. Die Vereinsvorsitzende Gertrud Winzer empfängt die Gäste:
"Ich begrüße sie ganz herzlich an dieser Stelle, wo die schwarze Mühle wieder entstehen wird, hier in Schwarzkollm. Wir freuen uns, dass Sie Sonntag Vormittag, so zeitig losgemacht sind."
Das Straßendorf in der Nähe von Hoyerswerda ist Ausgangspunkt unserer Radtour durch die Krabatregion. Am Ortsrand wächst das größte Projekt des überregionalen Krabatvereins: Der Wiederaufbau der Schwarzen Mühle, in dessen Original der Hirtenjunge Krabat einst beim bösen Schwarzmüller das Zauberhandwerk lernte. Doch von dunklen Zauberkräften ist keine Spur. Die Sonne strahlt auf zwei honigfarbene Holzhäuser, das Gesindehaus und den Laubengang, die die Besuchergruppe aus Lauta jetzt erkundet.
"-Am Anfang waren wir alle ziemlich skeptisch, ob sich das tragen wird, aber mittlerweile hat's doch Formen angenommen und wird auch angenommen. Skeptisch bin ich noch nie gewesen, denn was die Frau Winzer in die Hand nimmt, das klappt meistens. ...das mit dem Projekt ist ne tolle Sache. Immer wieder sieht man wie das wächst "
Für Skepsis ist kein Platz im Kopf von Gertrud Winzer. In einem Laubengang, so erzählt sie, waren oben Schlafräume für's Gesinde und unten Platz für Hühner, Ziegen, Schafe. Wenn alles fertig ist, wird es hier einen kleinen Laden geben mit Produkten aus der Region, Filmvorführungen und Märchenstunden für Kinder. Das Krabatprojekt soll die Region beleben, für Touristen und Arbeit sorgen. Und Gertrud Winzer, die schon zu DDR-Zeiten eine Macherin war, ist die Seele des Ganzen, die schon so manchen Kampf ausgefochten hat: Zum Beispiel vor zwei Jahren, als ein Aufruf im Internet frei reisende Wandergesellen auf die Baustelle aufmerksam machte, die sie daraufhin zur Sommerbaustelle erklärten - dem alljährlichen festen Arbeitstreffpunkt. Holz und Steine gab es auf der grünen Wiese am Rande von Schwarzkollm, aber sonst nichts. Und lange beantragte Gelder vom Land wurden in letzter Minute verweigert.
"Dann haben se gesagt: Ihr Projekt ist nicht förderfähig, das Konzept ist nicht schlüssig, Sie müssen ein neues Konzept erarbeiten. Damit waren Fördermittel weg, aber die Wandergesellen waren da."
Und sie blieben. Sägten Bretter und Balken zurecht, schleppten Steine und Stämme. Das Dorf versorgte zu Spitzenzeiten rund 100 junge Frauen und Männer aus Handwerksberufen. Kostenlos, mit Hilfe von Spenden unzähliger Sponsoren aus der Region. Die Verweigerung der Fördergelder war nur einer von unzähligen Nackenschlägen für das Projekt, dessen überregionale Bedeutung das Land Sachsen erst ganz langsam zu erkennen scheint. Doch Gertrud Winzer lässt sich von so etwas nicht schrecken. Schließlich hatte es auch der echte Krabat, der Kroate Oberst Johann Schadowitz nicht leicht vor 300 Jahren:
"Seine Zeit war ja auch eine sehr schwierige Zeit, der 30jährige Krieg (... Den Bauern ging's ja sehr schlecht, das sind ja sehr karge Böden, hier gerade die mittlere Lausitz ist überwiegend von Sandboden geprägt, auf Niederschläge angewiesen, oder es war stauende Nässe da. Und da hat er neue Wege aufgezeigt. Er ist einer gewesen, der gesagt hat, wie man die Böden ordentlich bearbeitet, (..) er hat sicher an dem ganzen Grabensystem mitgewirkt, was hier in der Lausitz entstanden ist - ein Mann der in der damaligen Zeit den Menschen sehr zukunftsweisend war."
Zur Erfrischung gibt' s unterm Sonnenschirm dann kalte Getränke und - eine Überraschung: Mit wehendem Umhang, Dreispitz und dicken schwarzen Stiefeln tritt der Schwarzmüller auf! Der Schwarzkollmer Dieter Klimek, Botschafter der Oberlausitz, ist leidenschaftlicher Laiendarsteller des bösen Müllers und erzählt kurz die Geschichte des Zauberlehrlings Krabat. Und kennt so manche literarische Anekdote:
"Wenn ich Ihnen erzähle, dass selbst der Goethe in Leipzig im Auerbachskeller gesessen hat und mit Studenten über viele Sachen referiert hat, waren auch hier aus der Region Studenten dort mit unten und die haben über den Krabat was erzählt. Und Goethe, pfiffig wie er war, hat den Faust und den Zauberlehrling geschrieben."
Klimek erzählt vom Engagement des echten Krabat, Oberst Schadowitz, der im Nachbarort Groß Särchen lebte, dort die Landwirtschaft auf Vordermann brachte und so den Menschen in der Region zu einem besseren Leben verhalf.
"Im übertragenen Sinne machen wir in Region genau das Gleiche: Krabat soll in dieser Region etwas bewirken, er soll die Menschen aufrütteln, er soll ihnen zeigen, wie es aus der schwierigen Situation wieder herausgeht. "
Auf die Idee, die Schwarze Mühle wieder aufzubauen, kamen die Schwarzkollmer, weil immer wieder Besucher aus dem Westen danach gefragt haben. Viele hatten den Roman "Krabat" von Otfried Preußler gelesen und waren neugierig auf den Koselbruch. Schließlich trommelte Gertrud Winzer, die frühere Ortsvorsteherin von Schwarzkollm, die Interessierten zusammen. Sie gründeten einen überregionalen Verein, nannten die Region "Krabatregion" und bauten als erstes den Krabatradweg, auf dem man den Spuren des Zauberers folgen kann.
Von der Mühlenbaustelle in Schwarzkollm führt der Krabatradweg durch stille Kiefernwälder und kleine Ortschaften, vorbei an Fischteichen durch eine beschauliche Landschaft. Nach wenigen Kilometern erreichen wir das Städtchen Wittichenau, dessen katholische Kirche der echte Krabat, Oberst Schadowitz, seinerzeit täglich besucht haben soll.
Die Marienkirche zu Wittichenau glänzt mit gold-barockem Altar und dicken Säulen. An einer dieser Säulen ist eine kleine Messingtafel mit einer Inschrift von 1704 angebracht
Den 29. Mai ist in Särchen gestorben und allhier in der Kirchen den 2. Juni begraben worden, unterhalb des Presbytorij am Gläkel, der gnädige Herr H. Obrist Joannes Schadowitz, in Kroatien von Agram gebürtig.
Pfarrer Heinz Morawitz hat viele Jahre in der Marienkirche gepredigt. Er glaubt, dass es tatsächlich die Gebeine von Johann Schadowitz sind, die hier unter der Säule ruhen:
"Der Oberst Schadowitz ist hier bestattet. Schadowitz ist halt ein vorbildlicher Christ gewesen und hat die Ehre bekommen, dass er in der Pfarrkirche bestattet worden ist. Er muss Gutes getan haben, gegenüber den Mitchristen oder den Mitbewohnern in Groß Särchen und muss hier oft zur Kirche gekommen sein. Das wird erzählt."
Nahe der Kirche, auf dem Marktplatz, steht eine Krabatsäule aus Sandstein, die mit den Sagenfiguren geschmückt ist - zu DDR-Zeiten ein Streitobjekt, denn die Wittichenauer Sorben wollten das staatlich geförderte Denkmal nicht haben. In Wittichenau trieb Krabat der Zauberer seinen Schabernack. Verwandelte sich, nachdem er dem bösen Müller entkommen war, kurzfristig in einen fetten Ochsen, den sein Vater auf dem Viehmarkt verkaufte. So kam etwas Kleingeld in die karge Kasse von Krabats Zieheltern, und sie konnten sich besseres Essen leisten. Dazu gehörte damals wie heute ein guter Schluck Bier. Und den gibt es in einer kleinen Wittichenauer Familienbrauerei, die unter anderem das Krabatpils braut:
"Wenn das Bier gekocht ist, kommt's mit 96 Grad hier oben an, und wird im Wärmetauschverfahren auf 8 Grad runtergekühlt bevor es auf Lagertanks geht. (..) Das Krabatpils wird auch hier gebraut, sind ganz spezielle Zutaten und im Verfahren das gleiche wie Wittichenauer Pils."
Johannes Glaab, der Junior der Wittichenauer Familienbrauerei, kennt das Brauhandwerk aus dem ff. Das Krabatpils ist eines der Produkte, die die Region für Touristen schmackhaft machen sollen. Das süffige Pils hat einen süßlich-malzigen Geschmack:
"Sind halt spezielle Hopfenarten, Malzarten, ganz besondere Rohstoffe ausgesucht, um das qualitativ hochwertige Pils zu erhalten, und haben es jetzt auch wieder mal bei der VLB in Berlin, Versuchs- und Lehranstalt prüfen lassen, und haben dort wieder Bestnoten bekommen. Vielleicht macht Krabat noch n bisschen Zauber, dass es was ganz Besonders ist?"
Der Radweg führt weiter nach Kotten, einem Ortsteil von Wittichenau. Hier nimmt ein Milchviehbetrieb die Verbindung von Krabat und dem Viehmarkt für sich in Anspruch, hat umgebaut und modernisiert und zeigt Besuchern, wie moderne Milchwirtschaft funktioniert
Einige hundert dicke Schwarzbunte Holsteiner stehen und liegen in großen Ställen und tun, was Kühe eben so tun - fressen und wiederkäuen. Die Anlage darf man besichtigen - mit blauen Plastikhäubchen über den Schuhen.
"Wir sind hier in der Krabat-Milchwelt, Kuh-Käse-Kilowatt. Es ist ursprünglich hervorgegangen aus einem Landwirtschaftsbetrieb und einem Betriebszweig Milchviehhaltung der MKH-Agrarprodukte GmbH in Wittichenau. Jetzt wollen wir dem Verbraucher hier zeigen, wie wir Milch produzieren und wie wir praktisch unsere Tiere artgerecht halten. Und natürlich auch die Milch veredeln zu Käse."
Tobias Kockert von der Krabat-Milchwelt führt über das Gelände. Schulklassen und Reisegruppen lernen hier die Kopplung von Milchwirtschaft und Energiegewinnung kennen. Die 300 Kühe bekommen selbst angebautes Futter, im strohbedeckten Kuhkindergarten leben dazu noch etwa 200 Kälber. Der Betrieb wurde kürzlich Landessieger für artgerechte Tierhaltung. Fast alles läuft automatisch:
"Wir sind jetzt in der Melkanlage, die Kühe werden 3 mal am Tag gemolken, wir haben n 24er Melkkarussell, das heißt 24 Kühe stehen auf einmal in dem Melkkarussell drin. Karussell deshalb, weil es sich so wie aufm Rummel dreht. Hier gehen die Kühe auf der einen Seite rein und werden rumgefahren und das Euter wird abgemolken und dann gehen die Kühe wieder raus. "
Die Kühe produzieren nicht nur Milch, sondern auch Gülle für einen Generator. Aus Kuhfladen und Maissilage wird Biogas, das ein Motor verbrennt. 1000 Kilowatt pro Tag werden so ins Netz eingespeist und sind eine zusätzliche Einkommensquelle für den Betrieb. Zum Schluss heißt es: Käse gucken - durch eine große Glasscheibe sieht man viele größere und kleinere Käselaibe in Regalen liegen. Einen Krabatkäse gibt es allerdings noch nicht. Tobias Kockert:
"Der weiße ist einfach ein frischer Käse, der noch länger reifen muss, als der goldgelbe Käse, der bei uns immer jeden Tag von Hand geschmiert wird,(..) die schwarzen Punkte sind Pfefferkörner, bzw. daneben der Gesprenkelte ist Kreuzkümmel der dort mit im Käse drin ist, und dann ham wer (..) auch paar Probiersorten, mit Lein, wie Leinsaat, weil das bei uns in der Lausitz vorkommt oder auch ein Kleinkäse, das ist der kleine Würzige nennen wir den."
Von Kotten aus ist es nur ein Katzensprung bis nach Groß Särchen. Der Radweg führt nahe am Knappensee vorbei, ein gefluteter ehemaliger Braunkohletagebau, in dem man an heißen Tagen baden und sich abkühlen kann. In Groß Särchen verbrachte Krabat seine letzten Jahre auf einem Gut, das ihm der Sachsenkönig August der Starke für seine Verdienste in dessen Armee schenkte.
Das alte Gut, das Vorwerk Groß Särchen, mit Brauerei, Försterei, Mühle und Ställen fürs Kleinvieh gibt es längst nicht mehr. Vor 300 Jahren soll Oberst Johann Schadowitz jedoch mit Klugheit und technischem Sachverstand die Landwirtschaft auf Vordermann gebracht haben, so will es die Legende.
Er ließ das Land entwässern, brachte neue Getreidesorten mit, verbesserte den Obstbau. Schriftlich festgehalten sind diese guten Taten jedoch nicht, weiß der Architekt Wolfgang Kraus. Der gebürtige Sauerländer ist eine Art geistiger Nachfolger von Krabat. Vor 12 Jahren siedelte er nach Groß Särchen um; erst der Arbeit und dann der Liebe wegen. Kraus ist ein Macher im besten Sinne. Gründete bald nach seiner Umsiedlung einen Heimatverein und regte an, das Gut von Krabat neu aufzubauen. Mit seinem Wissen als Architekt half er beim Bau des neuen Vorwerks in Groß Särchen, das einladend Orange mitten im Ort steht.
"Dies ist ein altes, brachgefallenes Wohngebäude aus dem Ende des 18. Jh. Und das war zum Ärgernis der Leute geworden und mal wollte es abreißen und wir haben gesagt, wir bauen hier das neue Vorwerk. Das alte Vorwerk liegt im Dorfkern, das existiert aber bestimmt schon 200 Jahre nicht mehr."
Das neue Vorwerk hat viel Platz für Vereine, die Theatergruppe, für einen kleinen Regionalladen mit Leinöl, Senf und anderen Produkten aus der Region.
Kraus' Engagement im Ort führte schließlich dazu, dass er für die 625-Jahr-Feier in einem Singspiel die Rolle des Krabat übernahm.
"Und wenn ich alle Zaubersprüche der Welt beherrschen würde. Und wenn ich allen Reichtum und alles Geld der Welt besäße, hätte aber die Liebe nicht, was wäre der Preis Meister? So hat das angefangen, ich bin dann 5,6 mal aufgetreten als Krabat, als Figur Krabat und hatte soviel Anerkennung, auch in der sorbischen Bevölkerung, dass man gesagt hat, der sieht fast aus wie Krabat und jetzt hab ich s schon über 400 mal gemacht."
Inzwischen ist der 56-jährige sogar Botschafter der Oberlausitz - ein Sauerländer als Kulturträger im Osten. Die Figur des Krabat ist Kraus mit seiner grauen Mähne und dem Schnauzbart wie auf den Leib geschrieben. Und entspricht seiner Lebenseinstellung:
"Krabat ist sozusagen der typische Mensch, der eine sympathische Grundeinstellung hat, der geliebt ist, der die Welt natürlich verändern möchte, zum Positiven verändern möchte und der sie dann erst mal gewaltig auf die Schnauze kriegt. "
Nicht alles lief so glatt, wie Wolfgang Kraus es sich gewünscht hätte. Doch Krabat zu sein bedeutet eben auch, die Steine, die einem das Leben immer wieder in den Weg wirft, beiseite zu räumen. - Der Radweg führt Richtung Süden und streift dabei die Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft - ein Biosphärenreservat, in dem Mensch und Natur seit Jahrhunderten eine Lebensgemeinschaft bilden.
Es geht durch Eutrich, den Ort, in dem Krabat der Sage nach seine Kindheit verbrachte, durch Rosenthal mit seiner Wallfahrtskirche, und am Abend erreichen wir das riesige Kloster Marienstern in Panschwitz-Kuckau. Am nächsten Morgen steht eine kurze Besichtigung des klostereigenen Gartens auf dem Programm. Sonja Heiduschka ist die Herrin über den riesigen Klostergarten, in dem Blumen, Kräuter und Gemüsesorten wachsen.
Als sie Anfang der 90er Jahre hier anfing, war das Gelände nach einem Hochwasser eine schlammverkrustete Unkrautwüste. Sonja Heiduschka und ihre Mitarbeiter besannen sich beim Wiederaufbau auf klösterliche Traditionen:
"Wir haben originalgetreu einen historischen Kräutergarten, den Hortulus angelegt, nach Plönen des Abtes Wahlafrid Strabo, der im 9. Jh. am Bodensee gelebt hat. Die Pflanzen, die wir verwendet haben, entsprechen alle den Plänen aus dieser Zeit."
Besucher interessieren sich vor allem für Heilkräuter und deren Wirkung - in Koch- und Kräuterkursen, die das Kloster veranstaltet, kann man dieses uralte Wissen lernen. Sonja Heiduschka hat eine Vorliebe für heimische Seltenheiten:
"Hier haben wir eine Pflanze, die riecht so richtig toll nach Spearmint, die Kinder würden sagen, die riecht nach Kaugummi, das ist die Frauenminze. Gehört jetzt nicht zu den Minzen, das ist eine Chrysanthemumart und bei Magen und Frauenbeschwerden wird als Tee zubereitet und kann man auch n bisschen als Gewürz nehmen zu Salaten, zu Soßen, weil es hat son erfrischenden Geschmack."
Nächstes Dorf mit unbedingtem Haltegebot ist Nebelschütz - ein Bilderbuchdorf, dass als "schönstes Dorf" schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Hier gibt es ein mächtiges, hölzernes Tor, der Nachbau eines alten Wendischen Hoftores, durch das man in den liebevoll gepflegten Stadtpark mit Blumenbeeten und altem Baumbestand gelangt. Auch die Nebelschützer hatten vor einigen Jahren die Idee, Krabat als Marke zu nutzen - doch Bürgermeister Thomas Zschornak wollte keinen Alleingang des Dorfes, sondern setzte, ganz im Sinne von Krabat, auf Zusammenarbeit. Die Werte, die die alte Legende vermittelt, zählen für Thomas Zschornak auch hier.
"Wertschöpfung, das Gute gewinnt gegenüber dem Bösen, Solidarität, alles wiederspiegelt sich in Krabat (..) und da haben wir vor 6 Jahren den Krabat e.V. gegründet, wo wir alle die touristische Entwicklung selber in die Hand nehmen wollen."
Den Nebelschützern liegt viel am sanften Tourismus, aber auch am Erhalt alter Bausubstanz. Deswegen gibt es einen inzwischen überregional bekannten Recyclinghof, der Arbeit Suchende weiterqualifiziert.
"Das sind beispielsweise alte Firststeine, ca. 150 Jahre alt, von einer alten Scheune abgetragen worden, die lagern wir jetzt momentan und in der Winterzeit, wenn unsere Leute aus dem 2. Arbeitsmarkt draußen keine Verschönerungsarbeit durchführen können oder keine richtige Arbeit haben, weil es kalt ist und sehr nass ist, werden diese Ziegel aufgearbeitet und wieder Denkmal geschützten Gebäuden dazu gegeben."
Die Nebelschützer sind inzwischen im In- und Ausland vernetzt, denn alte Gemäuer und den bedarf an passenden Steinen gibt es in Europa reichlich. Der Recyclinghof entstand eher zufällig:
"Wir haben ein Dreiseitgehöft gekauft, saniert mit ABM, mit ortsansässigen Firmen und haben festgestellt, dass dafür immer historisches Baumaterial benötigt wird. Und (..)weil wir genau gewusst haben, das Material ist knapp, kamen wir zum Resultat: Wir bauen eine Recycelhof. (..) Das Gute ist, dass man mit solchen Materialien auch innerhalb der Gemeinden tauschen kann, Ware gegen Ware, man kann auch ein gewisses Bewusstsein entwickeln, dass man eigenen Ressourcen nutzt und sie professionell einsetzt. "
Der umtriebige Bürgermeister muss schon wieder los, zum nächsten Termin. Wir treten fester in die Pedale, denn es geht durch leicht hügelige Landschaft, die von Kornfeldern geprägt ist. Über Kamenz, der Geburtsstadt Lessings, mit ihrer mächtigen Marienkirche, geht es weiter nach Weissig und seinen Fischteichen. Es ist Zeit für ein Mittagspause, die Teichwirtschaft von Familie Bräuer kommt wie gerufen. Es gibt eine leckere, frische Fischsuppe und anschließend eine kleine Lektion in Sachen Teichwirtschaft von Teichwirt Uwe Bräuer. Der Altteich Weissig ist vor allem Angelteich. Deswegen hat der Fischer viele verschiedene Arten im Netz:
"In der Hauptsache natürlich Karpfen, Grasfresser, Graskarpfen, Schleien, Hechte, Zander, Welse, das sind die Hauptfischarten. Nebenfische noch, Wildfische sagen wir, Plötze und Rotfeder, fast alles an unsern einheimischen Süßwasserfische, außer Salmoniden - Forellen. Die passen hier nicht rein, das vertragen die nicht."
Die Teichwirtschaft ist typisch für die Lausitz. Die flachen Teiche wärmt die Sommersonne gut durch, und deshalb fühlen sich vor allem dicke Karpfen im angewärmten Wasser sehr wohl. Nicht nur Angler, auch Naturliebhaber kommen in der Gegend auf ihre Kosten: Es gibt Seeadler, Kraniche, seltene Entenarten, Kormorane und Fischotter zu sehen - geschützte Arten, von denen manche den Teichwirten schon ein Dorn im Auge sind, gibt Uwe Bräuer zu. Die Teichwirtschaft in der Lausitz ist schon älter als die Krabatsage, erzählt der Profifischer - mit dem Zauberer selbst hat er nicht viel am Hut.
"Wir profitieren kaum davon. Die Leute, die nur den Krabatweg abfahren, die halten kaum an oder kommen hierher n Abstecher machen - wir haben nicht den meisten Kontakt, vielleicht ist der Wirbel um den Krabat auch n bisschen viel. "
Der Krabatradweg, ein Rundweg, endet wieder in Schwarzkollm. An einem Wochentag wie heute herrscht reger Betrieb: Ein-Euro-Jobber hacken Holz für den Winter, andere schälen Rinde von Kieferstämmen aus der später natürliche Dachziegel gemacht werden.
Christina Strache aus Hoyerswerda, die von Beruf Sachbearbeiterin ist, ist eine von ihnen. Den Wiederaufbau der Schwarzmühle findet sie sinnvoll. Für die Ein-Euro-Jobber, aber auch für die Region. Das es hier so eine große Baustelle gibt, hat sie vor ihrem Job nicht gewusst.
"Man hats vorher nicht gekannt, wir wären auch hier vorbei gefahren, wenn nicht jemand aus dem Ort hier gewesen wäre und hätte gesagt, das ist hier die Mühle. Wir haben zwar Krabat-Mühle, da muss ne Mühle stehen. Stand aber nüscht. Und wenn die nachher mal steht und alles fertig ist, wird schon mal interessant sein, das mal zu sehen."
Schon jetzt, wo bisher nur Gesindehaus und Laubengang stehen, ist die Baustelle Schwarze Mühle am Koselbruch in Schwarzkollm ein Anziehungspunkt für viele Besucher, die auf Krabats Spuren unterwegs sind. An den Wochenenden gibt es Kaffee und Kuchen und auch das Krabatpils wird ausgeschenkt; jeder Euro, der eingenommen wird hilft, die Mühle wieder aufzubauen. Wenn die Schwarze Mühle und ihre Nebengebäude erst mal stehen, werden Handwerker einziehen und Besucher können sich im Töpfern oder Blaudruck üben, lernen, wie Korn zu Mehl vermahlen wird und dürfen ihr eigenes Brot backen. Gertrud Winzer, auf deren Schultern der Großteil der Arbeit ruht, ist zuversichtlich. Obwohl es wieder einen Nackenschlag gegeben hat - im Sommer hat der alte Bauleiter aufgehört - eine neue Fachkraft muss dringend her:
"Wir reißen hier im Ort ne alte Gaststätte ab, wo wir das Material wieder verwenden, (..) und wir haben ne Abrissmaßnahme in Dubrink, dort haben wir zwei Denkmal geschützte Häuser, die hierher müssen, eine Scheune, die unsere spätere Mühle sein wird und ein Wohnhaus, das wir als Trachtenhaus wieder aufbauen, und dort brauchen wir genauso diesen Fachmann zum Abriss (..) Ich bin dieses Auf und Ab schon gewöhnt. Natürlich ist dies ein besonders harter Fall, aber ich denke daran werden wir nicht zerbrechen, die Krabatmühle wird weitergebaut. "
Auch Krabat musste seinerzeit gegen immer neue Widerstände ankämpfen - der Zauberer ist ein Vorbild bis heute:
"Ich denke heute solche Projekt auf den Weg zu bringen und zu sagen, das wird was, und Menschen dazu zu begeistern, ist genauso n schwerer Weg. Und wir benutzen einfach Krabat, diese Kraft, die er damals zum Durchsetzen gehabt hat, diese Kraft haben wir einfach übernommen und wollen in seinem Namen einfach in der Region was bewegen."