Immerhin: Die Versorgungslager von einst findet der Erzähler vor; und aus Brettern und Ziegeln baut er sich eine Art Überlebensloch. Mit dem Fahrrad bricht er (über Sprötze und Wulmstorf) gen Hamburg auf – und findet etwa die Kunsthalle zwar noch voller Bilder und Kataloge, aber sonst nur voller Toter vor: als habe hier die Neutronenbombe gewütet, die die Perversität des Kalten Kriegs doch erst gut zwanzig Jahre später erfand mit der eisigen Konsequenz, dass nur die Menschen, nicht die toten Werte zerstört werden müssten im Krieg der Neuen Zeit.
Wieder daheim in der Bretterbude nach dieser deprimierenden Wiederbegegnung mit den künstlerischen Dokumenten von Aufklärung, Fortschritt und Vernunft, nach manchem Fluch auch gegen den göttlichen Leviathan, der all das geschehen ließ, weht dem letzten Menschen überraschend noch ein zweiter zu: Lisa, beim Transport aus der Ukraine wer weiß wohin vom Zug gefallen und erst nur ein verstörtes Kind, wird zum letzten Versuch einer Liebe in Zeiten des nuklearen Fallouts; doch sie hat die schönere Zeit schon im Koffer und wird bald wieder gehen. Der Rest ist Einsamkeit.
Es tut gut, an diesen erstaunlichen Text erinnert zu werden; wie aktuell auch immer er empfunden werden mag angesichts aktueller Bedrohung. Ob es dem Text allerdings wirklich gut tut, ihn den Notwendigkeiten des Theaters auszusetzen, erschließt sich in Christian Pades hannoverscher Fassung zumindest nicht zwingend – und die Aufführung zeigt sogar, dass sie weiß, das das so ist. Sie bietet nämlich mit aller erdenklichen Phantasie auch des Bühnenbildners Alexander Lintl den ganzen Zauber auf, den das Theater jenseits normaler Bühnen-Bespielung zu bieten hat, um andere als die üblichen szenischen Wahrnehmungen in Kontakt und Kontrast zum spröd-schönen Text zu setzen. Wir Zuschauer zum Beispiel sitzen auf der Bühne quer zur Rampe; im uns gegenüberliegenden Seitenmagazin sind ein paar Requisiten und Kulissen zu sehen. Ein Versenkung zu unseren Füssen ist des letzten Menschen Unterschlupf, aber auch die höchsten Höhen des Bühnenhauses erklimmt er (um Holz zu schlagen); und durch den Zuschauerraum und dessen Reihen sowie, gerade so eben noch sichtbar, durch die Seitengänge des Theaters führt ihn die flotte Fahrradfahrt auf dem guten alten Drahtesel.
Doch wie viel auch immer uns Pade auf diese Weise zu zeigen versucht – vor allem ist (und bleibt) "Schwarze Spiegel" der herausfordernde Dauer-Monolog des Schauspielers Matthias Neukirch, der die schwierige akustische Konstellation dieser Bühnen-Varianten meist vergessen lässt; und Isabelle Menke muss trotz aller Rätselhaftigkeit des Flüchtlingsmädchen Episode bleiben. Denn da bricht ja nicht plötzlich intimes, womöglich gar berührendes Spiel aus, wo alles zuvor doch vor allem Erzählung ist.
Die Schmidt-Gemeinde, im Norddeutschen naturgemäß besonders stark, zeigt sich in Hannover dennoch begeistert über diese Wiederbegegnung mit dem Meister – der aber auch mit noch so engagierter Hilfe nicht postum zum Theatermacher wird.