Archiv


Schwarzenegger siegt bei Gouverneurswahlen in Kalifornien

Engels: Es ist eine Geschichte, wie sie wohl nur in den Vereinigten Staaten spielen kann: Ein mittelloser Einwanderer aus Österreich schafft in Hollywood den Aufstieg zum bestbezahlten Actiondarsteller der Welt, und damit nicht genug; der Schauspieler geht in die Politik, und mit einem wenig sachlichen aber dafür gut inszenierten Wahlkampf gewinnt er auch hier. Arnold Schwarzenegger scheint es geschafft zu haben. In dieser Nacht ist er offenbar tatsächlich zum neuen Gouverneur im US-Bundesstaat Kalifornien gewählt worden. Über die Folgen dieser Wahl wollen wir nun sprechen mit Russell Berman. Er lehrt am Fachbereich für Deutschlandstudien an der Stanford University in Palo Alto in Kalifornien. Herr Berman, haben Sie mit diesem Ergebnis, so klar, wie es sich im Moment in den Umfragen abzeichnet, gerechnet?

    Berman: Ich denke, ja. Die Meinungsumfragen haben das schon vorausgesagt. Es gab einige Störungen in der letzten Woche mit den Angriffen gegenüber Schwarzenegger, aber ich denke, sie haben letzten Endes keine große Wirkung gehabt.

    Engels: Was erwarten Sie nun von dem mutmaßlichen neuen Gouverneur Ihres Bundesstaates?

    Berman: Erstens glaube ich, dass es keine Nachahmungen in anderen Bundesstaaten geben wird. Dieses Abberufungsverfahren ist zwar verfassungsmäßig in 18 anderen Bundesstaaten vorhanden, aber das ist sehr schwer. Das ist das zweite Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dass so etwas zu Stande gekommen ist. Ich denke, es gibt zwei eigentliche Auswirkungen. Schwarzenegger wird mit den großen Problemen Kaliforniens konfrontiert werden, mit Haushaltsfragen, mit Arbeitslosigkeit, und dann gibt es auch die große Wahrscheinlichkeit, dass seine Wahl landesweit politische Folgen haben wird.

    Engels: Politische Folgen landesweit, damit spielen Sie an darauf, dass die Republikanische Partei, die ja Schwarzenegger repräsentiert, mit seinen Inhalten, die er vertritt, nicht immer einverstanden ist.

    Berman: Genau. Es hat einen Republikaner rechts von Schwarzenegger gegeben, der kandidiert hat, Tom McClintock, der nur 12 Prozent der Stimmen bekommen hat. Während des Wahlkampfes hatten manche Republikaner die Angst ausgedrückt, wenn McClintock im Wahlkampf drin bleibt, würde er Schwarzenegger schaden. Nun hat Schwarzenegger ohne die Kernseele der Republikaner gesiegt. Schwarzenegger hat jetzt die Möglichkeit, eine Art Leitfigur zu werden in der republikanischen Politik landesweit. Er wird natürlich nicht als Präsidentschaftskandidat eine Rolle spielen können, aber er bringt das Modell einer gemäßigten Politik zurück in die Republikanische Partei. Seit Reagan haben die Republikaner eine Art Allianz mit der Rechten gehabt, mit der oft religiös gefärbten Rechten, und damit waren verbunden die sogenannten social questions, also Opposition gegen Abtreibung, Opposition gegen alle Diskriminierungsgesetze für Homosexuelle, Religion in den Schulen usw. Schwarzenegger hat nichts davon. Er ist sehr gemäßigt, sehr zentristisch, und das wird ein Gegenmodell zu der Politik von Bush sein innerhalb der Republikanischen Partei.

    Engels: Nun wird ja Kalifornien eigentlich seit Jahrzehnten von Demokraten beherrscht. Wird diese Position von Schwarzenegger, die Sie gerade beschrieben haben, das ihm leichter machen, möglicherweise Politik nun auch mit so vielen Demokraten um sich herum zu gestalten?

    Berman: Ich denke, nicht. Er wird als Gouverneur nicht Schwierigkeiten etwa mit Abtreibung oder anderen Sozialfragen haben. Die Kernfragen für Kalifornier hängen mit Haushaltsfragen und Arbeitslosigkeit zusammen. Die Arbeitslosigkeit ist in Kalifornien höher als woanders in den Vereinigten Staaten – ich glaube, sie liegt jetzt bei 6,8 Prozent –, und das ist auch ein Grund für die Niederlage von Davis.

    Engels: Sie haben es angesprochen, die Umstände dieser Wahl waren ja besondere. Durch ein Volksbegehren von 80.000 Stimmen wurde die vorgezogene nun wahrscheinliche Abwahl von Gouverneur Gray Davis erst möglich. Sie sagen, ein Vorbild für andere Bundesstaaten in den USA ist das wohl nicht, aber möglicherweise ein Trend zu mehr Populismus?

    Berman: Das ist auf jeden Fall ein Auflehnen gewesen gegen die Nomenklatur, die Klasse der Berufspolitiker. Wir haben hier eine Zeit der starken Ideologisierung der zwei Parteien durchgemacht. Ein erstes Auflehnen dagegen kam mit der Welle der Amtszeitbegrenzungsgesetze, und nun die Schwarzenegger-Wahl. Das ist sicherlich populistisch in dem Sinne, dass Berufspolitiker unter Verdacht stehen, bloß Probleme vor sich her zu schieben und sie nicht irgendwie im Kern aufgreifen und lösen zu wollen.

    Engels: Aber eine positive Erscheinung ist ja wohl, dass die Wahlbeteiligung deutlich höher war als bei der letzten Gouverneurswahl. Das heißt, es spricht die Leute tatsächlich im Kern an.

    Berman: Ja, ja. Diese Wahl hat viele neue Wähler zur Wahlurne gebracht, auch viele junge Wähler, die sonst nicht gewählt hätten, und man vermutet, dass gerade diese Wähler zum Sieg von Schwarzenegger beigetragen haben.

    Engels: Was heißt das denn nun für Kalifornien? Kann denn auch Schwarzenegger als nun gewählter Repräsentant darauf setzen, dass er seine ganze Legislaturperiode durchregieren kann, oder muss er aus Angst von neuen Voten gegen ihn, wenn das jetzt in Mode kommt, immer wieder Sorge vor den Meinungsumfragen haben?

    Berman: Ja, natürlich gibt es die Möglichkeit formalistisch, dass er auch abberufen werden könnte oder auch eine Abberufung ausgesetzt werden könnte, aber er wird jetzt anscheinend gewählt mit einer derartig starken Mehrheit, dass das sehr unwahrscheinlich ist. Als Davis wiedergewählt wurde vor weniger als einem Jahr, hat er nicht 50 Prozent der Stimmen bekommen. Schwarzenegger bekommt mehr als 50 Prozent, ganz gewiss, und das ist eine große Wende in der Politik hier. Wenn man die Stimmen von Schwarzenegger und die von McClintock zusammenzählt, sind es beinahe zwei Drittel der Stimmen, die an republikanische Kandidaten gegangen sind.

    Engels: Zum Schluss noch eine persönliche Einschätzung. Schwarzenegger ist nun ein Quereinsteiger in die Politik. Trauen Sie ihm als Person dieses Amt zu?

    Berman: Ich denke, auf der einen Seite bringt er wirklich eine Art Energie und ein Mandat mit sich, Neues anzugreifen, aber andrerseits denke ich, dass er sehr schnell in Konflikt geraten wird mit der Legislatur, die immer noch demokratisch beherrscht wird und demokratisch beherrscht bleiben wird. Was kommen könnte, ist, dass er, wenn er keinen Erfolg in Sacramento, in unserer Bundeshauptstadt hat, selber Volksbegehren zur Wahlurne bringen wird, um noch mehr direkt durch Abstimmung lösen zu wollen und nicht über das Parlament in Sacramento.

    Engels: Vielen Dank für das Gespräch.