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Schwarzes Gold oder Umweltgift?

Die US-Autoindustrie ist erschrocken, denn plötzlich kaufen immer mehr Menschen kleinere und sparsamere Modelle. Der Grund ist nur selten ein gestiegenes Umweltbewusstsein, sondern die hohen Spritpreise. Doch auch wenn viele Amerikaner inzwischen umdenken, in dieser Amtzeit wird sich an der rückwärtsgewandten Energiepolitik nichts mehr ändern.

Von Maya Dähne |
    Die kleine, kurvige Strasse schlängelt sich durch ein grünes Tal. Im Schatten der Baumriesen plätschert ein Bach. "Wild and Wonderful" so lautet das Motto des US-Bundesstaates West Virginia. Und tatsächlich scheint hier am Fuß der mächtigen Appalachen ein unberührtes Naturparadies zu liegen. Julia Bonds kurbelt das Fenster ihres uralten Toyota hoch und schüttelt energisch den Kopf.

    "Das hier ist alles nur Fassade, eine Filmkulisse. Von der Straße aus kann man leider nicht sehen, was direkt dahinter in den Bergen passiert. Abgeholzte Wälder, weggesprengte Bergkuppen. Leute, die hier durchfahren ahnen nichts davon. Die Kohleindustrie versucht, die brutale Zerstörung der Natur zu vertuschen. Es ist ein billiges Versteckspiel. "

    Julias Heimat, Boone County, ist das Herz der Kohleindustrie West Virginias. Seit 1860 wird hier das schwarze Gold gefördert, zunächst unter Tage, seit 1966 im Tagebau. Der Fluss heißt nicht zufällig Coal River. Nur wenige hundert Meter jenseits der Strasse in den engen Talmulden lagern riesige Mengen Klärschlamm in stillgelegten, unterirdischen Zechen. Die giftige Brühe aus Schwermetallen und Toxinen sickert langsam in das Grundwasser. Es ist eine Zeitbombe, sagt Julia Bonds.

    "Meine Nachbarn sind scharenweise weggezogen, nachdem die hier einen riesigen Damm aus 34 Milliarden Litern giftigen Kohleschlamms aufgeschichtet hatten. An manchen Tagen war das Wasser hier im Fluss schwarz. Irgendwann gab es ein Massenfischsterben. Jeden Morgen lag überall im Haus Kohlenstaub. Wir konnten alle nicht mehr atmen und mein Enkel hat Asthma bekommen. Sie haben die Leute hier buchstäblich umgebracht. "

    Julias Vater und Großvater schufteten in den Kohlegruben. Beide starben an den Folgen einer Staublunge. Zehn Generationen der Bonds Familie haben in der Siedlung gelebt. Julia war die letzte, die im Januar 2000 ihr Haus verließ. Sie erinnert sich noch gut an den Tag, als ihr Enkel am Flussufer in einem Meer von toten Fischen stand.

    "Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Das war genug. Ich hab angefangen Fragen zu stellen und ich hab gesagt: Schluss! Es reicht!"

    Ein paar Kilometer weiter steht die Marsh Fork Grundschule, ein flacher, lang gezogener Backsteinbau mit einem Spielplatz davor. Jetzt in den Ferien ist alles ruhig, aber an einem normalen Schultag toben hier 200 Kinder über das Gelände, sagt Julia.

    "Hier bin ich zur Schule gegangen und meine Tochter und mein Enkel auch. Das Silo da drüben gehört zu einer Wiederaufbereitungsanlage. Und auf dem Berggipfel dahinter ist ein Kohlebergwerk. Wenn sie dort sprengen, hat man hier unten das Gefühl man wird bombardiert."

    Julia zeigt auf das Silo, das etwa 100 Meter vom Schulhof entfernt hinter einem Zaun steht. Der Wind weht dunkle Rauchschwaden herüber. Die lokale Umweltinitiative Coal River Mountain Watch hat Eltern befragt und festgestellt, dass viele der Kinder Atem- und Hautprobleme haben. Kein Wunder, sagt Julia und wischt mit der Hand über einen der Blumenkästen.
    "Überall in der Schule ist der Staub. Auf dem Spielplatz, im Hof. Hier das ist ein Fenster an der Vorderfront. Das ist noch nicht mal die der Aufbereitungsanlage zugewandte Seite. Und wenn ich mit meiner Hand drüberwische, da, ist alles schwarz. Das ist Kohlestaub."

    Davon will Bill Raney, der Vorsitzende der West Virginia Coal Association in der 150 Kilometer weit entfernten Hauptstadt Charleston nichts wissen. Er repräsentiert die Kohleindustrie des Bundes-Staates. Auf seinem Schreibtisch liegt – ganz programmatisch - eine schwarze Baseballkappe mit der Aufschrift Friends of coal – Freunde der Kohle.

    "Kohle ist Americas best friend. Die Hälfte der Energie, die wir in den USA verbrauchen kommt aus der Kohleverbrennung. Eine enorme Menge Kohle lagert noch vor unserer Haustüre. Wir haben die besten Bergbauarbeiter der Welt und Hochtechnologie wie bei Star Wars."

    Für Bill Raney ist die Marschroute der Regierung in Washington – weg vom importierten Öl, hin zu den heimischen Rohstoff-Vorkommen ein Geschenk des Himmels. Das hat in der Region einen neuen Kohle Boom ausgelöst, sagt er.

    "Wir haben natürlich jede Menge Gegner, aber bisher hat mir noch keiner von denen eine Alternative nennen können. Sie sagen die Kohleindustrie, die 50 Prozent der Energie in diesem Land liefert soll komplett abgeschafft werden. Okay, dann sollen sie sich die sechs Monate im Jahr aussuchen, in denen sie ohne Strom auskommen wollen."
    In West Virginia kommen derzeit 99 Prozent der Energie, die verbraucht wird, aus der Kohleverbrennung – 35 Millionen Tonnen pro Jahr. Der Verbraucher zahlt dafür einen Spottpreis, weniger als 5 Cent pro Kilowattstunde. Und die Energie aus Kohle sei nicht nur billig, sondern auch noch umweltverträglich, sagt Bill Raney stolz.

    "Wir sind einer der drei waldreichsten Staaten in den USA. Kohlendioxid wird hier bei uns in West Virginia auf natürlichem Weg abgebaut. Das Gerede von globaler Erwärmung lässt uns deshalb ziemlich kalt. Wir haben wegen unserer Wälder ganz einfach einen natürlichen Vorteil gegenüber anderen Standorten."

    Das Argument der Umweltschützer, dass diese Wälder immer öfter abgeholzt werden, um an die Kohle nahe an der Erdoberfläche zu kommen, sei zwar richtig, gibt Raney zu. Aber immerhin werde überall wiederaufgeforstet, sobald die Kohlevorkommen erschöpft sind.

    "Wo Aufforsten nicht möglich ist, versuchen wir das Gelände zu erschließen. Es entstehen Industrieparks, öffentliche Gebäude oder eine Gartenanlage. Das ehemalige Kohleabbaugelände wird auf jeden Fall genutzt."

    Beim umstrittenen Mountaintop Mining verschwindet der ein oder andere Berggipfel. Andererseits bekommen die Leute erstklassiges Industriegelände, das im wirtschaftlich schwachen, ländlichen West Virginia Gold wert sei, argumentiert die Kohleindustrie. Beide Seiten gewinnen dabei - die Industrie und auch die Kommunen. So sieht Bill Raney die Dinge.

    "Unsere Geologen sagen es gibt noch 50 Milliarden Tonnen Kohle hier. Bei 150 Millionen Tonnen, die wir pro Jahr abbauen kann sich jeder leicht ausrechnen, dass der Vorrat noch lange reicht."

    Zurück in Whitesville: Ortstermin im Hauptquartier von Coal River Mountain Watch, der Umweltinitiative, die Julia Bonds und einige Frauen aus der Umgebung 1998 gegründet haben. Wir sind Krieger im Kampf gegen die Kohle und das hier ist unser war room, sagt Julia.

    In der niedrigen Baracke steht ein durchgesessenes Sofa, Computer auf wackeligen Campingtischen und an den Wänden hängen Karten und Fotos, auf denen die Aktivitäten der Kohleindustrie dokumentiert sind. Wir sind umzingelt von denen, sagt Julia.

    "Wir leben buchstäblich in der Höhle des Löwen. Die Kohleindustrie sagt, wir können hier noch die nächsten 300 Jahre Kohle abbauen. Ich frage mich nur, wozu 300 Jahre Kohle gut sind, wenn unsere Luft zum Atmen höchstens noch 30 Jahre reicht und unser Trinkwasser vielleicht noch zehn."

    Es ist ein Kampf David gegen Goliath, gibt die 54 Jährige zu. Aber aufgeben dürfen wir deshalb nicht. Das ist die Zukunft, sagt sie und zeigt auf ein Plakat hinter ihrem Schreibtisch, auf dem ein Windpark abgebildet ist. Alternative Energie aus Sonne und Wind. Auf ihrem schwarzen T-Shirt steht in großen weißen Lettern: Don’t destroy my mountains – God. Gott sagt: Du darfst meine Berge nicht zerstören.