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Schweben in Shanghai

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Kerstin Lohse |
    Wenn man in Pudong landet und vom Flughafen in Richtung Stadtmitte fährt, prangt einem schon von weitem die Werbetafel mit den drei großen Buchstaben S, M, T. entgegen: "Shanghai Maglev Train". Darunter sind eine Dampflok, ein E-Zug und die Magnetschwebebahn Transrapid zu sehen. "Gestern, heute, morgen" steht darüber. Nur knapp 30 Meter von der Trasse entfernt steht das Haus der alten Li Xiaohua. 1942 ist sie hierher gezogen - lange bevor die Shanghaier Stadtväter sich entschlossen, aus Pudong das Finanzzentrum Asiens zu machen und nicht weit von ihrem Zuhause den Transrapid verkehren zu lassen. Nie hätte die Achtzigjährige gedacht, dass man ihr das kleine Stück Land wegnehmen würde, auf dem sie sich Jahrzehnte lang versorgt hatte. Rund 500 Familien wurden für das Transrapidprojekt umgesiedelt. Sie erhielten eine Entschädigung. Diejenigen aber, die blieben, wurden monatelang um ihren Schlaf gebracht. Bis zu 60 Meter tief mussten die tonnenschweren Betonpfeiler in den schlammigen Untergrund gerammt werden. Im Zehnminutentakt soll der Transrapid vom nächsten Jahr an auf der sechs Meter hohen Trasse verkehren. Sozusagen quer über das einstige Gemüsebeet der alten Li.

    Elf Häuser haben sie hier in der Nachbarschaft abgerissen. Meines steht zwar noch – aber dafür jetzt in der ersten Reihe, direkt neben der Trasse. Ich würde am liebsten wegziehen, aber andererseits ist es hier praktischer und wir haben relativ viel Platz. Die anderen, die dichter an der Brücke wohnten, mussten wegziehen.

    Wo bis vor kurzem noch Häuser standen, legten am 1. März 2001 Vertreter der chinesischen Regierung und der deutschen Industrie den Grundstein für den Transrapid. Gut einen Monat, nachdem die Stadt Shanghai den Vertrag mit dem Industriekonsortium Thyssen-Krupp und Siemens unterzeichnet hatte. Fast zwei Monate war über das aufwendige Vertragswerk verhandelt worden. Vor allem bei den Kosten waren die beiden Seiten immer wieder aneinander geraten. Am Ende stand fest, dass die Chinesen 1,2 Milliarden Euro für die Wagen sowie die Antriebs- und Signaltechnik zahlen sollen. Darüber hinaus musste die chinesische Seite ungefähr eine halbe Milliarde Euro in den Bau der Trasse investieren.

    Der damalige Shanghaier Bürgermeister Xu Kuangdi, der als großer Verfechter der deutschen Magnettechnologie gilt, betonte bei der Grundsteinlegung, wie stolz Shanghai ist, die erste Transrapid-Stadt der Welt zu sein.

    Die Teststrecke für den Transrapid in Shanghai ist ein Schlüsselprojekt für ganz China. Der kommende Fünfjahres-Plan sieht vor, dass Shanghai sich zu einem internationalen Handels-, Finanz- und Transportzentrum entwickelt. Deshalb hat Shanghai die Gelegenheit ergriffen, die deutsche Spitzentechnologie bei dem Transrapid-Projekt einzusetzen. Und auf diese Weise werden wir landesweit einen großen Sprung in der Entwicklung der Bahntechnologie machen

    Trost für die enttäuschten Seelen der Transrapid-Anhänger in Deutschland: Fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem endgültigen Aus für die Strecke Berlin-Hamburg erfolgte der erste Spatenstich in Shanghai. Im Februar 2000 hatten sich die rotgrüne Bundesregierung und die Deutsche Bahn gegen die Strecke Hamburg-Berlin ausgesprochen.

    In Zeiten des Rotstiftes war in Deutschland offensichtlich kein Platz für Pioniergeist, wie ihn Thyssen-Krupp in seinem Werbevideo verbreitet.

    Was damals der deutschen Industrie blieb, war die Hoffnung auf den Export. Und tatsächlich holte der chinesische Ministerpräsident Zhu Rongji die deutsche Technologie vom Abstellgleis. Den studierten Ingenieur hatte die Magnettechnik schon seit langem fasziniert. Immer wieder sprach er Bundeskanzler Schröder auf die Schätze an, die dieser im eigenen Land nicht nutzte. Doch spätestens seit Zhu im Sommer 2000 auf der Versuchsanlage im Emsland eine Runde im Transrapid gedreht hatte, stand sein Entschluss fest: China würde dieser Technologie zum Durchbruch verhelfen.

    Den bayerischen Wirtschaftsminister Wiesheu, der als Verfechter des Transrapid gilt, wurmt es, dass die Chinesen Deutschland überholt haben.

    Für mich ist es schon – und ich sage es so: blamabel – dass man in Deutschland 30 Jahre lang diese Technologie debattiert und hin- und herwälzt und diskutiert und diskutiert und einen Probebetrieb macht, aber nicht dazu kommt, das Ganze mal in irgendeinem Projekt umzusetzen. Die Chinesen gehen jetzt voraus. Ist doch seltsam, dass man sich von einem Land, das vor ein paar Jahren noch als Schwellenland gerechnet worden ist, zeigen lassen muss, wie man mit einer modernen Technologie im Verkehrsbereich umgeht. Also mich stört das schon – und ich kenne genügend Leute in Deutschland, die das genauso stört. Nicht weil die Chinesen das jetzt machen, sondern weil man bei uns so lange so zögerlich war, wie das der Fall ist – und jetzt immer noch zögerlich ist.

    Für das deutsche Konsortium, das seit Jahren den Transrapid weltweit wie Sauerbier angeboten hatte, war Shanghai gewissermaßen die letzte Hoffnung. Ohne die Referenzstrecke in der Hafenmetropole wäre die Magnet-Technologie mit großer Wahrscheinlichkeit in den Schubladen verschwunden. Die Flughafenverbindung soll beweisen, dass die Magnettechnologie sich auch im Rund-um-die-Uhr-Betrieb bewährt. Nachdem es im 20. Jahrhundert nicht geklappt hatte die Züge schweben zu lassen, ist nun von der "Verkehrstechnologie für das 21. Jahrhundert" die Rede.

    Die Magnetschnellbahn ist die erste grundlegende Innovation der Bahntechnik seit dem Bau der ersten Eisenbahnen. Denn der Transrapid fährt nicht, er schwebt – ohne dabei seinen Fahrweg zu berühren.

    In Shanghai werden seit Wochen Testfahrten auf der 30 km langen Strecke zwischen U-Bahnhof und Flughafen mit bis zu 430 km/h durchgeführt. Kaum ist der Zug auf der kurzen Strecke angefahren, muss er auch schon wieder abbremsen. Ob alle Berechnungen aus Deutschland richtig sind, das lässt sich erst im nächsten Jahr sagen, wenn auch die zweite Trasse fertig ist und sich zwei Züge mit Höchstgeschwindigkeit begegnen werden. Dies gilt als die eigentliche technische Herausforderung.

    In der Endmontagehalle von Thyssen-Krupp in Kassel werden unter Hochdruck die nächsten Wagen für Shanghai genietet. Selten haben die Techniker und Ingenieure unter einem solchen Zeitdruck gearbeitet. In weniger als 17 Monaten ist es ihnen gelungen, alle Komponenten und die ersten drei von 18 Wagensektionen auszuliefern. Drei Jahrzehnte nach der Entwicklung des Transrapid eilt es plötzlich.

    Mit der Entscheidung für Shanghai ging es endlich wieder bergauf am Standort Kassel, sagt der Betriebsratsvorsitzende Hendrik Jordan.

    Innerhalb kürzester Zeit mussten praktisch Produktionsanlagen installiert werden. Und somit hoffen wir natürlich, dass, was hier investiert worden ist, sich auch am Ende so darstellt, dass es hier weitergeht. Und das heißt für uns, dass es auf jeden Fall zu den deutschen Anwendungen kommen muss, um die Arbeitsplätze zu halten und neue Arbeitsplätze hier am Standort zu schaffen.

    Auch in Shanghai schlugen die Bauarbeiter alle Rekorde. Innerhalb weniger Monate errichteten rund 3.000 Mann eine riesige Fabrik, in der insgesamt 2.600 Hybridträger für den Fahrweg gegossen wurden. Leiter des Prestigeprojektes ist Wu Xiangming. Er wird überall nur "Kommander Wu" genannt wird. Der 64jährige führt ein strenges Regiment und ist inzwischen auch von den deutschen Experten auf der Baustelle gefürchtet. Ministerpräsident Zhu Rongji hat ihn persönlich eingesetzt und dafür verantwortlich gemacht, dass der Transrapid am 31. Dezember fährt. Der kleine grauhaarige Mann mit durchdringendem Blick hat Erfahrungen mit heiklen Projekten. In Rekordzeit hat er einst den riesigen Flughafen Pudong gebaut. Er gilt als kompetenter Ingenieur, der seine Bauvorhaben bis ins kleinste Detail durchdringt, sagt sein alter Bekannter, der Shanghaier Professor für Ingenieurwissenschaften, Wu Wenqi.

    Ich bewundere Wu Xiangming sehr. Er hat sein ganzes Leben dem Bau von Brücken, Strassen und dem Flughafen gewidmet. Er steht zu seinen Grundsätzen. Und er ist durch und durch Chinese, ein wahrer Patriot – und in diesem Punkt kann er auch sehr dickköpfig sein.

    In der Tat. Wenn Kommander Wu etwas hasst, dann ist es die Überheblichkeit, die aus seiner Sicht manche der deutschen Experten an den Tag legten. Mehrfach sei es vorgekommen, dass er sie der Baustelle verwiesen und nach Deutschland zurück geschickt habehätte, berichten Mitarbeiter von Thyssen-Krupp. Langsam werden die Magnettechnologie-Experten in Deutschland knapp. Doch Protest von deutscher Seite war bisher nicht zu hören. Aus Sorge, Anschlussprojekte zu riskieren, fügt man sich. Möglicherweise wird sich eines Tages jedoch gerade diese Haltung rächen. Denn Duckmäusertum wird in China häufig als Gesichtsverlust interpretiert.

    Auch die Presse gehört zu Wus Opfern. Zwar hat selten ein deutsches Industrieprojekt im Ausland so viel Aufmerksamkeit von der Öffentlichkeit erhalten wie der Bau des Transrapid in Shanghai. Doch auch selten war es so schwierig, an Informationen zu kommen. Bereits in der Endphase der Vertragsverhandlungen verhängte das Transrapidkonsortium auf Druck des chinesischen Kunden eine Informationssperre. Knapp elf Monate nach Baubeginn gelang es der chinesischen Seite erneut, der deutschen Industrie einen Maulkorb zu verpassen. "Wer mit der Presse spricht, wird gefeuert", flüsterte ein chinesischer Mitarbeiter von Thyssen-Krupp ins Telefon und sagte damit die geplante Besichtigung der Baustelle ab. "Wir dürfen selbst nicht mehr auf das Gelände", fügte er hinzu – "nur, wenn Politiker zu Besuch kommen".

    Auslöser war ein Artikel, der im Dezember letzten Jahres in der Wirtschaftswoche erschien. Dort war von größeren Problemen bei der Zusammenarbeit die Rede, insbesondere aber wurde die Qualität der produzierten Betonträger und damit die Betonkunst der Chinesen in Frage gestellt. Auf diese Weise bekam auch die Zentralregierung in Peking Wind von den Schwierigkeiten. Ein Gesichtsverlust für Wu Xiangming. Der Projektleiter war in Peking fast eine Woche damit beschäftigt, die Wogen zu glätten. Als Finanzminister Eichel im Januar nach Shanghai kam, ging Wu in die Offensive.

    Eines will ich erwähnen, ich bedauere es sehr, dass einige Vertreter des deutschen Transrapidkonsortiums die Medien benutzt haben, um Kritik an der Qualität der in China produzierten Fahrwegträger zu üben. Ich will hiermit klarstellen, dass dies nicht stimmt. Sie konnten sich ja eben selbst von dem guten Standard der Träger überzeugen.

    Kommander Wu höchstpersönlich hat seitdem die Informationspolitik übernommen. Doch Pressepolitik auf Chinesisch heißt Schweigen. Weder Thyssen-Krupp noch Siemens-Vertreter dürfen mehr Stellung nehmen. Bis zur Selbstverleugnung halten sich die Deutschen an diese Vorgaben. Nicht mal zur eigenen Dokumentation des Projektes wagen sie es noch, Bild- oder Videoaufnahmen zu machen.

    Kommander Wu, oder Mr. Transrapid, wie er inzwischen von der deutschen Industrie genannt wird, weiß, welches Kapital in der Magnet-Technologie steckt. Im Herbst begann er, sich als Handelsreisender in Sachen Ausverkauf der Deutschen Industrie zu betätigen. Begleitet von dem Vertreter des deutschen Transrapid-Konsortiums in Shanghai, Günter Weckerlein, reiste Kommander Wu nach Deutschland, um sich über den Stand der Projekte in München und Nordrhein-Westfalen zu informieren. Bei der Gelegenheit versuchte er auch gleich, die Technologie zum Bau des Fahrwegs zu vermarkten, wie sein Gesprächspartner, der bayerische Wirtschaftsminister Wiesheu, bestätigt.

    Ich kenne Kommander Wu seit einiger Zeit und wir haben letztes Jahr ausführlich mit ihm gesprochen. Auch über die Art und Weise, wie er das Ganze managt und macht: In kurzer Zeit alles so aufzubauen, dass praktisch alle Bestandteile hier in China produziert werden können – außer dem Fahrzeug. Das ist eine ungeheure Leistung – auch eine Ingenieur-Leistung ersten Grades. Und dass die Chinesen, wenn wir das nicht machen, die Chancen im Export für den Transrapid suchen und wahrnehmen. Und dann kann man sich ja mal ein paar Gedanken in Deutschland machen zu dem Thema.

    Das Patent für die Konstruktion der Hybridträger gehört bereits den Chinesen. Der Technologietransfer durch den deutschen Mittelständler Bögel war von der Bundesregierung mit 50 Mio. Euro unterstützt worden. Der chinesische Projektpartner hat unterdessen die Konstruktion weiterentwickelt und sich jede Änderung patentieren lassen, so z.B. den Bau von Kurventeilen. So absurd es klingen mag, gerade auf diese Weise könnten die Chinesen zu einem attraktiven Partner für die Deutschen werden: Denn wer die Trasse vermarktet, der vermarktet auch den Transrapid.

    Der Knackpunkt einer weiteren Zusammenarbeit liegt dagegen im Technologietransfer. Kommander Wu will Einblick in alle Pläne und drängt darauf, dass in Zukunft nicht nur die Trasse in China gebaut wird, sondern auch die Wagen und die Antriebstechnik. Eckhard Rohkamm, der im Vorstand von Thyssen-Krupp für den Transrapid zuständig ist, erklärte im September in einem Interview mit der FAZ, dass die deutsche Seite bereits ihre Bereitschaft signalisiert habe, im Falle von Anschlussprojekten in China ein Joint-Venture zum Bau der Wagen einzugehen. Die Antriebstechnologie gilt jedoch auch in Zukunft als Heiligtum, das niemals preisgegeben werden darf, so der Konzern-Sprecher von Thyssen-Krupp, Alfred Wewers.

    Wir sind der Meinung, dass wir dieses Basis-Know-how behalten müssen und es nicht aus der Hand geben dürfen. Wir sind zuversichtlich, dass wir das dem Kunden klar machen können, dass es hier bei der Übertragung von Know-how auch Grenzen gibt.

    Entwicklungshilfe oder Ausverkauf der deutschen Industrie. Wie viel Technologie brauchen die Chinesen – und wann werden sie zu echten Konkurrenten? Die Deutschen sind sich unsicher, wie weit China in der eigenen Forschung ist. Aufmerksam werden Nachrichten über eine chinesische Version des Transrapid verfolgt. Chinesischen Medienberichten zufolge wurde der so genannte "China-Transrapid" im April das erste Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Doch offiziellen Angaben zufolge hat die chinesische Magnetschwebebahn bisher erst 2.000 Testkilometer hinter sich, und das auch nur bei Geschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern. Der Chefingenieur Long Zhiqiang sieht darin keine Konkurrenz zum Transrapid, sondern eine Alternative für den Nahverkehr. Ein weiteres Versuchsprojekt gibt es in der südwestchinesischen Provinz Sichuan. Beide unterstehen der staatlichen Verteidigungshochschule, sagt der Shanghaier Professor Wu Wenqi.

    China erforscht seit mehr als zehn Jahren die Magnettechnologie. Aber der "hausgemachte Transrapid" – wie er in der Presse genannt wird, der in Sichuan entwickelt wurde, fährt nur sehr niedrige Geschwindigkeiten – nicht mehr als 80 Kmh und ist vor allem für Touristengebiete gedacht. Der ist keinesfalls vergleichbar mit dem, der in Pudong fährt. Wir wollen aber auch gar nicht den bereits vorhandenen Transrapid selbständig entwickeln. Wir wollen die Technologie lediglich verstehen.

    Die Unternehmen Thyssen-Krupp und Siemens setzen auf das Signal, das von einem erfolgreichen Probelauf in Shanghai ausgehen könnte. Denn die 30km lange Verbindung zwischen dem Flughafen Pudong und dem Shanghaier Finanzviertel galt stets als Teststrecke für weitere Anwendungen in China.

    Die 1.250 km lange Verbindung Peking-Shanghai ist das Filetstück aller Infrastrukturprojekte, die die chinesische Regierung in den nächsten Jahren zu vergeben hat. Schätzungen zufolge beträgt das Auftragsvolumen stolze 22 Milliarden Euro. Die Strecke, für die momentan der schnellste chinesische Zug 14 Stunden benötigt, könnte mit dem Transrapid in weniger als vier Stunden bewältigt werden. Der Pekinger Experte für Magnettechnologie von der Akademie der Wissenschaften, Yan Luguan, hat einst die Machbarkeitsstudie für die Strecke in Shanghai betreut. Er sieht gute Chancen für die Anwendung der deutschen Technologie:

    Eine lange Transrapid-Verbindung kann ich mir nur in China vorstellen. Ich bin wirklich dafür, auf der 1.250 km langen Strecke den Transrapid einzusetzen. Nur er kann bei Geschwindigekiten von bis zu 500 kmh mit dem Flugzeug konkurrieren. Und wenn diese Strecke gelingen sollte, dann hätte der Transrapid endgültig den Sprung von der Versuchsphase zur Industriereife geschafft.

    Ebenso wie in Deutschland wird auch in China die Anwendung von den Anhängern der traditionellen Rad-Schiene-Technik boykottiert. Mit der Entscheidung für den Bau des Transrapid in Shanghai hatte Ministerpräsident Zhu Rongji sich nur vorrübergehend durchgesetzt, jedoch noch keine Systementscheidung getroffen. Seit jedoch klar ist, dass das deutsch-chinesische Gemeinschaftsprojekt trotz des engen Zeitrahmens von nur anderthalb Jahren Bauzeit rechtzeitig zum Abschluss kommen wird, hat das Eisenbahnministerium seinerseits eine Kampagne gestartet. So ist immer häufiger davon die Rede, auf der langen Strecke Peking-Shanghai den japanischen Shinkansen einzusetzen.

    Kommander Wu drängt seine deutschen Gesprächspartner unterdessen, dass der Transrapid endlich auch in Deutschland Anwendung findet. So hatte Bundeskanzler Schröder es ihm einst im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung zugesichert. Und nur so kann die chinesische Seite sicher gehen, dass die Technologie auch weiterhin gepflegt und entwickelt wird.

    Momentan sieht alles danach aus, dass die Magnetbahn planmäßig am Silvestermorgen ihre Jungfernfahrt starten wird. Die Bauarbeiter, die in den letzten Wochen die ersten Schwebeversuche verfolgt haben, sind fasziniert von dem schnellen Zug.

    Der Transrapid ist so schnell, dass man schon ein wenig überrascht ist, wenn man ihn plötzlich neben sich sieht. Er saust wie eine Gewehrkugel vorbei. Natürlich macht er dabei Lärm und man hört ein Vibrieren. Aber wie gesagt, dadurch, dass man ihn nicht kommen sieht, erschreckt man sich zunächst.

    Am Endbahnhof Longyang wird letzte Hand angelegt. Wo bis vor kurzem noch Häuser standen, werden nun Bäume gepflanzt und Spazierwege angelegt. Potemkinsche Dörfer.

    Neben Ministerpräsident Zhu Rongji werden auch der deutsche Bundeskanzler und die Vorstandsvorsitzenden von Siemens und Thyssen-Krupp, sowie knapp 200 geladene Gäste bei der Jungfernfahrt dabei sein. Doch für den lange ersehnten Tag sind weder großen Reden geplant, noch Pressekonferenzen. Auf die Frage nach Folgeaufträgen will an diesem Tag keiner antworten müssen.

    Je näher der so genannte VIP-Run rückt, um so nervöser werden alle Beteiligten. Tatsächlich stehe für beide Seiten viel auf dem Spiel, sagt der Shanghaier Professor Wu Wenqi, ein guter Freund des Hauses Siemens.

    Wenn das Shanghai Projekt scheitert, dann verliert nicht nur Kommander Wu sein Gesicht, sondern das wird auch die Beziehungen zwischen Deutschland und China verändern. Als ich kürzlich bei Siemens war, sagten mir die Projektmitarbeiter, dass sie monatlich ihrem Vorstandsvorsitzenden über die Fortschritte des Projekts berichten müssten. Von Pierer soll gesagt haben, wenn das Projekt scheitert, dann könnte Siemens in China dicht machen. Das Projekt muss einfach gelingen – und die chinesische Seite denkt genauso: es darf nichts schief gehen.

    Die 8 Minuten-lange Fahrt wird zum Showdown für die Zukunft der deutschen Magnettechnik. Sollte sich der Transrapid bewähren, so dürfte er seine Gegner endgültig überholen und eine weltweite Werbekampagne für die deutsche Hochtechnologie in Gang setzen.