Es ist Freitagabend in Göteborg, kurz nach 23 Uhr. Jenny Rådman und ihre Kollegin Jonna Boström verteilen auf dem Göteborger Straßenstrich Rosenlund Kondome, Gleitmittel und Tampons an Prostituierte. Die beiden Frauen arbeiten ehrenamtlich, die Spenden sind für sie eine gute Möglichkeit, mit den Prostituierten ins Gespräch zu kommen.
"Das Gesetz hat den Alltag der Frauen verändert"
Viele der Mädchen stammen aus Osteuropa und Nigeria. Sie haben Angst und wollen nicht mit Fremden sprechen, erst recht nicht mit Journalisten. Jenny und Jonna beobachten, dass das schwedische Gesetz die Frauen nicht vor Menschenhandel und den Machenschaften der Zuhälter schützt: Doch es helfe ihnen zumindest, sich gegen gewaltsame Übergriffe und Bedrohung durch ihre Kunden zu schützen, meint Jonna:
"Das Gesetz hat den Alltag der Frauen verändert. Sie trauen sich jetzt, Freier auch bei der Polizei anzuzeigen, wenn sie schlecht behandelt werden. Die Kunden wissen das und benehmen sich deshalb anständiger."
Auch Karin Dahlborg von der Göteborger Beratungsstelle "Mikamottagningen" begrüßt das schwedische Gesetz. Sie ist Sozialarbeiterin, berät Prostituierte und klärt sie über Ansprüche auf Sozialleistungen und medizinische Versorgung auf. Viel mehr kann sie aber meist nicht tun, beklagt Dahlborg:
"Keine staatlichen Hilfen, die den Ausstieg aus der Prostitution ermöglichen"
"Wenn man die Gesetze ändert, sollte man auch gleichzeitig Hilfsangebote für Prostituierte bereitstellen. Doch das ist nicht geschehen – es gibt zwar Beratungsstellen auf kommunalem Niveau so wie unsere. Aber es gibt keine staatlichen Hilfen, die den Menschen den Ausstieg aus der Prostitution ermöglichen. Das kritisieren wir sehr."
Das Gesetz habe aber immerhin dazu beigetragen, die Einstellung der Schweden zur Prostitution zu ändern. Die Mindeststrafe von 250 Euro für Freier, die erwischt werden, sei zwar viel zu gering, kritisieren viele Sozialarbeiter. Doch es sei wichtig, dass die Regierung Stellung bezogen und den Kauf von Sex kriminalisiert habe. Gleichzeitig bietet der Staat aussteigewilligen Sexkäufern aber auch Hilfe an: In der Beratungsstelle "KAST" können sie sich von Sozialarbeiterin Maja Strufve therapeutisch behandeln lassen:
Kritiker befürchten Abwanderung der Freier von der Straße ins Internet
"In unserer Gesellschaft ist die Prostitution ein großes Tabu, man gilt als Loser, wenn man Sex kauft und es ist absolut nichts, worüber man in der Kaffeepause reden würde. Ich denke, eine solche Einstellung bedeutet viel und hat auch sicher dazu beigetragen, dass dieses Gesetz in Schweden eingeführt werden konnte."
Zumindest die Statistik besagt, dass es auch Wirkung zeigt. Eine staatliche Untersuchung von 2010 hat ergeben, dass die Straßenprostitution um die Hälfte zurückgegangen ist. Kritiker gehen allerdings davon aus, dass der Sexkauf von der Straße nur ins Internet abgewandert ist und Kontrollen dadurch schwieriger geworden sind. Die schwedische Regierung hat angeblich keine konkreten Anzeichen gefunden, die dies belegen.
Angeblich gibt es auch keine Hinweise dafür, dass die schwedischen Männer nun ins Ausland reisen, um Sex zu kaufen. In den Foren im Internet jedoch kursieren Tipps für billigen Sex in Berlin oder Riga. Ganz offensichtlich gibt es also auch in Schweden noch immer jede Menge Sexkäufer. Und es wird sie auch in Zukunft geben, meint Jenny Rådman, die ehrenamtlich Kondome an Prostituierte verteilt.