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Schweden
Intensiv-Betreuung für Flüchtlingskinder

Schweden gilt in Europa als Vorbild für die freundliche Aufnahme von Flüchtlingen. Besonders bei den Kindern, die ohne Angehörige geflüchtet sind und meist stark traumatisiert in Europa ankommen, hat sich Schweden hervorgetan, sie werden in Familien oder in Heimen intensiv betreut. Doch nun stoßen die Behörden, Pädagogen und Betreuer auch in Schweden an ihre Grenzen.

Von Randi Häussler |
    Die Sonne steht schon etwas tiefer an diesem Spätsommernachmittag, sie gießt ihr goldenes Licht über die Birken und den Fluss. Ein großer Fisch taucht unvermutet auf - sein schimmernder Leib durchbricht die Wasseroberfläche, und schon ist er wieder verschwunden.
    Sozialpädagoge Andreas Eriksson und seine zwei Schützlinge Ali und Mowlid - 13 und 14 Jahre alt - haben die Angeln ausgeworfen.
    Sie gehen gern hier her, an den Skellefte-Fluss. Von ihrem Heim für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge sind es nur ein paar Minuten zu Fuß.
    So ist es eigentlich gedacht: ein Betreuer auf ein, zwei Jungs. Damit Zeit ist für Gespräche, für die Fragen, die der Alltag in Schweden aufwirft. Zeit für Spaß - und für das Schwere, das viele der unbegleiteten, jungen Flüchtlinge erlebt haben.
    Doch in diesen Wochen ist alles anders. Immer mehr unbegleitete, junge Flüchtlinge kommen nach Schweden und nach Skellefteå. Viele von ihnen werden nach ein paar Tagen an andere Kommunen weitergeleitet. Auch das ist der Job von Andreas und seinen Kollegen.
    "Da geht viel Zeit für Administration drauf, viele Telefonate, und dann sind solche Momente wie dieser hier seltener. Wir können uns dann nicht mehr auf jeden Einzelnen einlassen. Zum Beispiel letzte Woche war eine sehr stressige Woche, viel Arbeit, und da hatte ich keine Zeit für diese Jungs."
    Training für ein selbstständiges Leben
    Und es hört und hört nicht auf. Stefan Lindberg, ein drahtiger Mann mit einem klaren, entschiedenen Blick, schaut sich mit einer Kollegin im 9. Stock eines Wohnblocks/Mietshauses um. Stefan Lindberg arbeitet seit vielen Jahren mit unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen in Skellefteå. Die neun Heime der Stadt hat er mit etabliert und hochgezogen. Jetzt müssen dringend weitere entstehen.
    "Alle sind doch etwas geschockt über die Situation, über den Flüchtlingsstrom, der gerade stattfindet. Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge nach Schweden ist enorm gestiegen. Vor gut zehn Jahren hat Schweden ungefähr 400 Kinder pro Jahr entgegengenommen. Dieses Jahr rechnet man mit etwa 12.000 Kindern."
    Noch ist nicht alles fertig in dieser Etage des Wohnblocks, wo bald bis zu zehn junge Flüchtlinge und deren Betreuer einziehen sollen. Es gibt hohe Anforderungen, wenn es um Kinder geht.
    An erster Stelle: Brandsicherheit. Notausgänge, Brandtüren. Außerdem sollen die Kinder und Jugendlichen jeder ein eigenes Zimmer haben und eine gemeinschaftliche Küche - Kochen gehört zum Training für ein selbstständiges Leben in ihrer neuen Heimat.
    Je mehr sie am Anfang in die Kinder investieren, das ist die Linie von Stefan Lindberg und seinen Kollegen, desto besser finden diese sich in die schwedische Gesellschaft ein: Schule, noch beziehungsweise schon bevor der Asylantrag durch ist, Hausaufgabenhilfe, enge Betreuung, ihnen ein Stück weit Eltern sein. Sie als Individuen fördern.
    "Das ist auch weiter, trotz des erhöhten Drucks, unser Ehrgeiz. Wir versuchen die ganze Zeit eine hohe Qualität zu halten, und deswegen bilden wir kleine Einheiten. Wo es viel Personal, viele Erwachsene um die Kinder herum gibt, die ihre Bedürfnisse sehen können. Damit den Kindern die Voraussetzung dafür gegeben wird, dass sie irgendwann gut auf eigenen Füßen stehen können."
    "Es gibt eine Bruchstelle, wo die Qualität unserer Arbeit beeinträchtigt werden kann"
    Geeignetes Personal und Wohnraum - an Wohnraum mangelt es vor allem, sagt Pär Åhden, Abteilungschef im Sozialamt von Skellefteå. Es wird nicht genügend gebaut. Und wenn nun mehr und mehr unbegleitete Flüchtlinge kommen, dann wird das Konzept der Kommune sich bewähren müssen:
    "Natürlich gibt es eine Bruchstelle wo die Qualität in unserer Arbeit vielleicht beeinflusst, beeinträchtigt werden kann. An dem Punkt sind wir noch nicht. Aber sicher, wenn es so weitergeht in diesem Umfang - allein im August haben wir 31 Kinder aufgenommen - dann müssen wir selbstverständlich vorübergehende, akute Lösungen finden, die die Qualität beeinflussen werden."
    Doch noch halten er und Stefan Lindberg an ihrer Überzeugung und ihrem Konzept fest - dass die jungen Menschen, die in Schweden Zuflucht suchen, mit der richtigen Unterstützung viel mehr sind als nur Opfer:
    "Wir haben immer den Gedanken gehabt, dass die Kinder, die zu uns kommen, gesunde, starke und fähige junge Menschen sind. Sie haben Antriebskraft und die Ambition etwas zu Wollen. Und davon ausgehend versuchen wir, dies zu bewahren und zu fördern."