Gegenüber vom Supermarkt stehen zwei rot bemalte leere Sitzbänke. "Hier kannst du dich mit jemandem treffen", steht auf die Lehnen geschrieben. Im Second-Hand-Laden des Roten Kreuzes gibt es billigen Kaffee. Die Pizzeria hat geschlossen. Am schwarzen Brett neben dem Supermarkteingang wird für eine Pilgerwanderung mit anschließender Meditation geworben. Im Hafen liegt eine einsame Segelyacht vertäut.
Kein Schweden-Idyll
Lena Celion ist Abgeordnete der konservativen Partei "Moderaterna" im Regionalparlament von Gotland. Die pensionierte Lehrerin schaut beim Gang durch ihren Heimatort Slite etwas verhalten um sich, während sie von neuen Möglichkeiten für den Tourismus erzählt. Es sollen mehr Fahrradurlauber nach Slite gelockt werden. Dabei fehlt dem Ort hier im Nordosten der Ostsee-Insel jenes Schwedenidyll aus schmucken Holzhäusern, das den Süden prägt. Celion wendet ihren silbernen Pagenkopf den grauen Silos des Zementwerkes zu: Noch ist das der größte Arbeitgeber der Stadt.
"Man kann sagen, dass Gotland Schweden im Kleinen ist: Der Norden der Insel ist wirtschaftlich so benachteiligt wie Nord-Schweden, dem Süden dagegen geht es gut, und Visby ist unser Stockholm."
"Man kann sagen, dass Gotland Schweden im Kleinen ist: Der Norden der Insel ist wirtschaftlich so benachteiligt wie Nord-Schweden, dem Süden dagegen geht es gut, und Visby ist unser Stockholm."
Angst vor spionierenden Russen
Am Hafen verlangsamen sich Celions Schritte. Sie zeigt auf einen Betonkai, der gut 40 Meter in das Hafenbecken hinein ragt. Darauf liegen gestapelte Baumstämme, die offenbar auf ihren Abtransport warten. Vor ein paar Jahren lagerten dort noch Rohre für die russisch-deutsche Gaspipeline Nord Stream 2. Seitdem heißt der Anleger im Volksmund "Putin-Kai". Die Regierung hatte Angst vor spionierenden Russen und verbot das Geschäft. 50 Millionen Kronen, etwa fünf Millionen Euro, sind Slite so durch die Lappen gegangen. Die Rohre werden jetzt auf der dänischen Nachbarinsel Bornholm gelagert. Celion trauert dem Geld aber nicht nach:
"Klar die meisten Einwohner standen dem Projekt positiv gegenüber. Aber dann hat sich ja die Sicherheitslage verändert, und darum glaube ich, dass es eine richtige Entscheidung war. Es gibt immer andere Staaten, die ein Interesse haben, eine so strategisch wichtige Insel wie Gotland auszuspionieren. Aber am Ende bekamen wir die Verluste ja von der Regierung entschädigt. Aber diese Gelder sind nun leider an anderen Stellen der Insel gelandet. Bei der Universität von Visby und im Straßenbau."
"Klar die meisten Einwohner standen dem Projekt positiv gegenüber. Aber dann hat sich ja die Sicherheitslage verändert, und darum glaube ich, dass es eine richtige Entscheidung war. Es gibt immer andere Staaten, die ein Interesse haben, eine so strategisch wichtige Insel wie Gotland auszuspionieren. Aber am Ende bekamen wir die Verluste ja von der Regierung entschädigt. Aber diese Gelder sind nun leider an anderen Stellen der Insel gelandet. Bei der Universität von Visby und im Straßenbau."
Gerüchte versus Fakten
Am Ende der Hafenmole hocken zwei Männer in fleckigen Overalls auf Hockern und blicken misstrauisch herüber. Hinter ihnen ein aufgebockter Kahn, der nach einem neuen Anstrich verlangt. Vor ihnen auf dem Boden: aufgereihte Bierflaschen.
"Das hätte man den Russen verdammt noch mal erlauben sollen. Wär' 'ne Menge Geld herausgesprungen!"
Spricht's, steigt schwankend auf sein Moped und fährt davon. Celion schüttelt den Kopf:
"Dieser Kai wurde von der Hafenverwaltung bezahlt, nicht von Putin. Die haben bloß Hafengebühren bezahlt."
Von der silbrig gefleckten See weht eine leichte Brise herüber. Celion zieht ihre weiße Strickjacke fester und wendet sich einem Basaltstein zu, auf dem eine Gedenktafel angebracht ist: Überlebende Flüchtlinge aus Estland danken Gotland für die Hilfe in der Not während des Zweiten Weltkrieges. Fischer hatten die Schiffbrüchigen damals unter großer Gefahr an Land gebracht. Nicht ohne Risiko für das damals neutrale Schweden, das nicht in den Krieg hineingezogen werden wollte. Die Rettungsaktion, trotz allem - für die Gotländerin Celion eine Haltung, an der man sich heute noch ein Beispiel nehmen sollte.
"Das hätte man den Russen verdammt noch mal erlauben sollen. Wär' 'ne Menge Geld herausgesprungen!"
Spricht's, steigt schwankend auf sein Moped und fährt davon. Celion schüttelt den Kopf:
"Dieser Kai wurde von der Hafenverwaltung bezahlt, nicht von Putin. Die haben bloß Hafengebühren bezahlt."
Von der silbrig gefleckten See weht eine leichte Brise herüber. Celion zieht ihre weiße Strickjacke fester und wendet sich einem Basaltstein zu, auf dem eine Gedenktafel angebracht ist: Überlebende Flüchtlinge aus Estland danken Gotland für die Hilfe in der Not während des Zweiten Weltkrieges. Fischer hatten die Schiffbrüchigen damals unter großer Gefahr an Land gebracht. Nicht ohne Risiko für das damals neutrale Schweden, das nicht in den Krieg hineingezogen werden wollte. Die Rettungsaktion, trotz allem - für die Gotländerin Celion eine Haltung, an der man sich heute noch ein Beispiel nehmen sollte.
"Flagge zeigen für die Freiheit"
"Man muss eben für seine Freiheit und Überzeugungen Flagge zeigen und auch Opfer bringen. Und man sollte selbst Verantwortung übernehmen und sich nicht auf irgendwelche Allianzen verlassen."
Und man müsse wachsam bleiben, die Gefahr nähere sich Gotland auf vielfältige Weise. Vor zwei Jahren berichteten schwedische Medien, mehrere Touristen hätten sich auffallend nach militärischen Einrichtungen erkundigt. Es seien Russen gewesen.
Nach dem Abschied rollt Lena Celion mit ihrem Volvo langsam an der immer noch geschlossenen Pizzeria stadtauswärts. Vorbei an einem gelben Wohngebäude, unter dessen Giebel ein blaues Dreieck auf gelbem Quadrat prangt. "Schutzraum" steht darunter.
Und man müsse wachsam bleiben, die Gefahr nähere sich Gotland auf vielfältige Weise. Vor zwei Jahren berichteten schwedische Medien, mehrere Touristen hätten sich auffallend nach militärischen Einrichtungen erkundigt. Es seien Russen gewesen.
Nach dem Abschied rollt Lena Celion mit ihrem Volvo langsam an der immer noch geschlossenen Pizzeria stadtauswärts. Vorbei an einem gelben Wohngebäude, unter dessen Giebel ein blaues Dreieck auf gelbem Quadrat prangt. "Schutzraum" steht darunter.