Noch zögert die schwedische Polizei, offiziell von einem antisemitischen Brandanschlag auf eine Göteborger Synagoge zu sprechen. Aber ein Brandanschlag war es ohne Zweifel, zum Glück auch ohne Verletzte oder Sachschäden. Inzwischen sind drei Verdächtige festgenommen worden, darunter ein junger Palästinenser und ein 18-Jähriger aus Syrien. In Stockholm hatten Demonstranten zuvor israelische Flaggen verbrannt. In Malmö wurden ebenfalls Brandsätze geworfen, bei einer Demo gegen US-Präsident Trumps Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, wurden antisemitische Parolen gebrüllt bis hin zu Morddrohungen. Freddy Gellberg ist Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Malmö. Er meldete sich per Telefon im schwedischen Rundfunk: "Es ist empörend und wir müssen scharf reagieren. Wir können nicht akzeptieren, dass wir hier in Malmö aufgrund unserer Herkunft oder Religion angegriffen werden. Natürlich weckt das bei einigen ein Gefühl von Unsicherheit und Angst."
Nahost-Konflikt schürt neue Form von Antisemitismus
Dieser unerwartet offene Ausbruch von Hass hat die Schweden überrascht. Eine erschrockene Debatte ist im Gang, Außenministerin Margot Wallström hat die Anschläge, das Verbrennen von Flaggen und die Parolen scharf verurteilt, Regierungschef Stefan Löfven gab öffentlich zu:
"Wir haben ein Problem mit Antisemitismus in der schwedischen Gesellschaft, das müssen wir sehen. Es liegt jetzt an uns, dem entgegenzuwirken und vorzubeugen. In Schweden ist es völlig inakzeptabel, Judenhass zu äußern."
Aber genau das ist passiert. Für Freddy Gellberg ist die Gefahr sogar doppelt groß: Auch in Schweden gebe es den, wie er sich ausdrückte, "klassischen" Antisemitismus mit einer langen und schrecklichen Geschichte, und dazu den "neuen" Antisemitismus, der seine Wurzeln im Konflikt zwischen Israel und Palästina habe. In beiden Fällen sei das sehr ernst zu nehmen, sagt Henrik Bachner, Ideenhistoriker mit dem Themenschwerpunkt Antisemitismus: "Antisemitismus ist ein zentraler Punkt für die beiden gewaltbereitesten und politisch extremsten Ideologien hier in Schweden: Zum einen für die rechtsextreme, nazistische und zum anderen für die extrem islamistisch jihadistische. Damit gibt es konkrete Bedrohungen für Juden, auch wenn die Verbreitung antisemitischer Einstellungen in Schweden vergleichsweise geringer ist als in anderen Ländern."
Sicherheitsmaßnahmen für Synagogen und andere jüdische Einrichtungen erhöht
Das beruhigt derzeit aber niemanden. Der Schock über die Angriffe auf jüdische Gemeinden sitzt tief. Polizei und Politik sind unter Druck. Überall im Land wurden Sicherheitsmaßnahmen für Synagogen und andere jüdische Einrichtungen erhöht. Viele jüdische Bürger vermeiden inzwischen vor allem in den Ballungszentren Stockholm, Göteborg oder Malmö das Tragen von Symbolen ihres Glaubens wie Davidsternen als Schmuck oder das Tragen der Kippa.
Eine Ausnahme war der Beginn des Chanukkah-Lichterfestes in der Hauptstadt. Unter starkem Polizeischutz hatten sich die Mitglieder der jüdischen Gemeinde auf einem öffentlichen Platz im Stockholmer Stadtzentrum getroffen, am Rednerpult Oppositionspolitikerin Anni Lööf, Chefin der bürgerlich-liberalen Zentrumspartei: "Was passiert ist, ist tragisch und ein Armutszeugnis für unsere Arbeit gegen Extremismus. Wir müssen stärker dagegen angehen. Wir müssen uns auf die Seite des Lichts und der Anständigkeit stellen. Einstehen für die Gleichheit aller Menschen, für Religionsfreiheit, und die Möglichkeit, so zu leben, wie man will."
Der Abend verlief ruhig. Es gab keine erneuten antisemitischen Ausschreitungen und trotzdem: Die Stimmung war gedämpft, bestenfalls...