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Schwedische Kälte für Facebook-Daten

In der schwedischen Stadt Luleå, 1000 Kilometer nördlich von Stockholm, schlägt bald so etwas wie das IT-Herz Europas. Denn hier baut Facebook sein erstes europäisches Datenzentrum. Das kommt den Wachstumsplänen der Stadt entgegen, denn das Unternehmen möchte in der Region investieren.

Von Simonetta Dibbern | 22.02.2013
    Der Klassenraum für die Fortgeschrittenen liegt im 4. Stock. Junge Erwachsene zwischen 20 und Mitte 30. Sie kommen aus Pakistan und Polen, aus Spanien, Ghana, Griechenland. Die Gründe, aus denen sie nach Luleå gekommen sind, sind unterschiedlich. Doch ihr Ziel ist dasselbe: Sie wollen hier bleiben, für längere Zeit oder für immer.

    Darum lernen sie Schwedisch: wie Marudja. Vor sechs Monaten ist die junge Inderin nach Luleå gekommen, zusammen mit ihrem Mann, der an der Universität seinen Doktor macht. Sie selbst ist Web-Designerin und möchte möglichst bald in ihrem Beruf arbeiten.

    "Es ist wichtig, die Sprache zu sprechen. Ganz besonders hier in Schweden, damit man mit den Menschen in Kontakt kommt. Es macht mir Spaß, noch eine neue Sprache zu lernen, und ich hoffe, dann bald einen Job zu finden."

    Marudja ist willkommen in Luleå. Nicht nur bei ihrer Lehrerin. Auch beim Institut für Erwachsenenbildung, das die kostenlosen Sprachkurse anbietet. Und nicht zuletzt bei der Stadt. Denn die will wachsen. 10.000 neue Einwohner – das ist das Ziel. Klotzen statt kleckern, sagt Susanne Lundholm. Sie ist die Projektleiterin im Rathaus von Luleå

    "Das ist natürlich langfristig gedacht, im vergangenen Jahr ist die Einwohnerzahl von Luleå um 500 gewachsen, immerhin! Ganz Norrbotten expandiert, seit in der Region Kiruna seit einiger Zeit ein regelrechter Rohstoffboom ausgebrochen ist. Das hat auch hier an der Küste Auswirkungen, wie man in Luleå sieht: Überall im Zentrum wird gebaut. Und diese Aufbruchstimmung überträgt sich auch auf die Menschen."

    Als Hafenstadt und Zentrum der Stahlindustrie war Luleå immer schon ein Magnet der ansonsten dünn besiedelten Provinz am Polarkreis. Der momentane Strukturwandel der wohlhabenden, aber bisher unattraktiven Industriestadt hin zu einer urbanen Region mit hoher Lebensqualität, ist jedoch unübersehbar.

    Die große Bucht um die Stadt verwandelt sich jeden Winter in einen riesigen Freiluftpark aus Eis. In die alten Speicher am Nordhafen ist das Theater eingezogen. Und das Kulturhuset gegenüber hat gleich ein ganz neues Gebäude bekommen, mit Museum, Konzertsaal und Bibliothek.

    Weniger sichtbar, aber nicht weniger bedeutend ist die Veränderung, für die die Beratungsfirma von Matz Engman verantwortlich ist. Der Marketing-Experte konnte, zusammen mit der Stadt und Kommune, die klimatischen und geographischen Vorzüge der Region einem der größten Datenunternehmen der Welt anpreisen. Und das, sagt Matz Engman, ist erst der Anfang.

    "Die Datenindustrie neigt dazu, Cluster zu bilden. Wenn ein großes Unternehmen sich in einer bestimmten Region ansiedelt, aus bestimmten Gründen, dann werden andere nachziehen. Weil sie von den Pionieren profitieren können. Das ist bei der Autoindustrie genauso: Man folgt dem Anführer. Und Facebook ist so ein Vorreiter."

    Im Norden der Stadt baut das soziale Netzwerk sein erstes europäisches Datenzentrum. Viele Arbeitsplätze werden dadurch erst einmal nicht geschaffen, wie in allen großen Rechenzentren werden nur wenige Spezialisten gebraucht. Doch das Unternehmen will investieren in der Region.

    "Wenn Facebook hierherkommt, dann brauchen wir Experten aus dem IT-Sektor. Und die Kommune von Luleå benötigt Lehrer, Pflegekräfte, die sich um die älteren Menschen kümmern, Erzieher für die Kindergärten und Vorschulen. Unser Ziel ist es, jedes Jahr etwa 500 neue Stellen zu besetzen."

    Dafür, sagt Susanne Lundholm, muss natürlich auch Wohnraum geschaffen werden. Drei große Hochhäuser sind gerade im Bau, Luxuswohnungen mit einem Blick weit über die Bucht.

    "Wir bauen auch Studentenappartements und Häuser für betreutes Wohnen. Das heißt natürlich: Dies übernehmen private Bauunternehmen. Aber wir sorgen dafür, dass es voran geht."