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Schwefelhexafluorid: Supertreibhausgas mit Durchhaltevermögen

Das Molekül dieser Woche heißt Schwefelhexafluorid. Meist einfach nur SF6 genannt. Dieses Gas könnte glatt Goethes Zauberlehrling entsprungen sein: ein Geist, den wir riefen und so schnell nicht mehr loswerden. Das ungiftige Schwefelhexafluorid war lange eine beliebte Industriechemikalie. Doch heute wissen wir: Einmal freigesetzt bleibt SF6 eine halbe Ewigkeit in der Atmosphäre - und wirkt dort als stärkstes bekanntes Treibhausgas.

Von Volker Mrasek |
    Wenn Atmosphärenforscher Messkampagnen im Freiland durchführen, dann haben sie oft auch Gasflaschen mit SF6 dabei. Die farblose Verbindung mit sechs Fluor-Atomen ist völlig inert, wie Chemiker sagen. Sie reagiert mit nichts und niemandem. Deshalb eignet sich das Molekül hervorragend als Tracer - als Stoff, den man freisetzt und an anderer Stelle wieder einfängt, um die Luftströmungen nachzuzeichnen.

    Wäre da nur nicht diese üble Eigenart stark fluorhaltiger Gase. Der britische Antarktisforscher Joe Farman, der als Entdecker des Ozonlochs gilt:

    "Diese Gase sind extrem langlebig. Es dauert gut und gerne 10.000 Jahre, bis sie in Höhen über 100 Kilometer gelangen. Erst dort ist die Strahlung der Sonne dann stark genug, um die Moleküle zu knacken."

    Bis dahin aber wirken sie wie Treibhausgase in der irdischen Lufthülle. Und Schwefelhexafluorid gilt als das potenteste von ihnen. Sein individuelles Erwärmungspotenzial ist 24.000-mal so hoch wie das von Kohlendioxid, sein Gehalt in der Atmosphäre allerdings auch um ein Vielfaches geringer.

    Schwefelhexafluorid dient vor allem als Schutzgas in Hochspannungsanlagen. Früher wurden auch Autoreifen und Isolierfenster damit befüllt. Da war noch nicht so geläufig, wie klimaschädlich SF6 ist.

    "Wir gehen dann jetzt in unser Luftprobennahme-Labor. Das ist eine kleine Kammer, wo die ganzen Pumpen stehen."

    Das Institut für Umweltphysik an der Universität Heidelberg.

    Ingeborg Levin misst hier routinemäßig den Gehalt von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Auch den von Schwefelhexafluorid. Und der ist unerklärlich hoch, wie die Physikerin sagt. SF6 zählt zu den Klimagasen, die im Kyoto-Protokoll gelistet sind. Das bedeutet: Alle Vertragsstaaten müssen Auskunft über ihre Emissionen geben.

    "Und wenn man sich die Zahlen anschaut, dann ist die Bilanz nicht geschlossen."

    Pieter Tans von der Nationalen Behörde für Ozean und Atmosphäre in den USA kommt zu ähnlichen Ergebnissen:

    "Wenn man die gemeldeten SF6-Mengen zusammenrechnet, kommt man allenfalls auf 30 Prozent der Emissionen, die es alles in allem geben muss."

    Der Physiker glaubt, dass weit mehr Schwefelhexafluorid aus elektrischen Anlagen entweicht als bisher gedacht. Und dass China beim Ausbau seines Energiesystems starken Gebrauch von dem Schutzgas macht.

    Es wäre auf jeden Fall sinnvoll, möglichst viele der SF6-Lecks zu schließen. Das findet auch Hartmut Graßl, langjähriger Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg. Schließlich

    "kann man mit einem Kilo vermiedenes SF6 zehn Tonnen CO2 einsparen."

    Auch Kleinvieh macht Mist! Für das Super-Treibhausgas SF6 gilt das ganz besonders.