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Schweickert: Privatsphäre ist für Scoring tabu

Das soziale Leben gehöre zur Privatsphäre eines Menschen und sei damit für das sogenannte Scoring tabu, sagt der verbraucherschutzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Erik Schweickert. Die Politik sei nun gefordert, zu überprüfen, ob das Datenschutzgesetz auch genügend schütze.

Erik Schweickert im Gespräch mit Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: Der große Bruder Facebook hat offensichtlich kleinere Geschwister, die an seinem Wissen partizipieren, vielleicht sagt man besser, die von seinem Wissen profitieren wollen. Aber der Versuch der Schufa, das Wissen über die Nutzer von Facebook abzuschöpfen, stößt auf wachsende Empörung, und da hilft es wohl auch nur wenig, dass die Schufa beteuert, es handele sich nur um ein Forschungsprojekt. Rainer Brandes hat im Netz einige Stimmen herausgefischt.

    "Schön war die Zeit, als das Internet noch ein Platz des freien Austausches und der kleinen Communities war. Surfen ist heutzutage ein völlig anderes Gefühl: Man kann sich nirgendwo mehr aufhalten, ohne dass einem unerwünschte Gäste auflauern, einen beobachten und persönliche Daten abschmarotzen wie Blutegel. Wie widerlich und schamlos sich solche Datenpolypen an den User kleben, erfüllt mich mit Trauer und Entrüstung."

    "Erst registrieren sich alle wie die Verrückten bei Facebook gegen die ausdrückliche Warnung von Datenschützern und helfen fleißig beim Aufbau dieses riesigen Datenkraken, und jetzt geht das Gejammer los, weil diese Daten genutzt werden. Wenn es nicht ein Großteil der Bevölkerung wäre, dann würde ich denke, dass Facebook-Nutzer unheimlich naiv sind."

    "Dieses Land wird immer mehr zum Überwachungsstaat. Warum lässt eine Bundesregierung so etwas zu?"

    "Die Datensammelwut von Staat und Wirtschaft nimmt schon lange Ausmaße an, die mehr als nur Unbehagen auslösen. Gegen vieles kann man sich nicht wehren, Stichwort Vorratsdatenspeicherung oder gläserner Bürger. Wer aber denkt, er könne Persönliches selber ins Netz stellen, insbesondere via Facebook, und glaubt, dass da keiner drauf zugreift, ist naiv und selber Schuld, wenn seine Daten wer weiß wo landen."

    "Wieso hat die Schufa oder irgendwer anderes das Recht, meine auf "privat" gestellte Facebook-Seite auszuwerten? Warum nicht gleich noch meine Post!"

    Liminski: Empörung im Netz über den Versuch der Schufa, das Wissen über die Nutzer von Facebook abzuschöpfen und damit Geld zu geben oder zu behalten, denn bei allem was man treibt, so wusste schon Molière, ist Geld der Schlüssel, dem kein Tor verschlossen bleibt. Das gilt auch für Facebook und erst recht für die Schufa. Sie beteuern zwar, es handele sich nur um ein Forschungsprojekt. Aber steht hier die Forschungsfreiheit nicht gegen die Privatsphäre der Menschen? Muss hier nicht die Politik eingreifen und diesen Versuch stoppen? – Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich nun Professor Erik Schweickert, er ist der verbraucherschutzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Schweickert.

    Erik Schweickert: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Schweickert, Daten- und Verbraucherschützer lehnen das Forschungsvorhaben der Schufa und von Facebook vehement ab. Die Grünen halten das Vorhaben gar für verfassungswidrig. Ist jetzt die Politik gefragt oder gar gefordert?

    Schweickert: Gefordert ist, dass man auf jeden Fall sich das Bundesdatenschutzgesetz genau anschaut und überprüft, ob die Regelungen zum sogenannten Scoring darin eventuell mangelhaft sind, denn ich gehe mal davon aus, wenn klargestellt wäre, dass so etwas nicht geht, dann käme man auch gar nicht auf die Idee, so etwas in einem Projekt dann mal untersuchen zu lassen. Das ist ein Gesetz der Großen Koalition und wir müssen uns des Themas jetzt annehmen.

    Liminski: Aber der gesunde Menschenverstand sagt doch eigentlich schon, dass die Schufa solche Daten von Facebook nicht nutzen darf.

    Schweickert: Genau so ist es. Deswegen ist ja auch die Empörung so groß. Denn ich meine, das soziale Leben, der Freundes- oder der Kollegenkreis gehören zur Privatsphäre eines Menschen, und das ist eigentlich für Scoring Tabu.

    Liminski: Kann man hier auch Facebook belangen? Immerhin stellt das Netzwerk seine Daten in Deutschland zur Verfügung.

    Schweickert: Na die Daten stellen schon die Nutzer rein, und es ist dementsprechend ein Problem, was hier virulent wird, dass diese Daten ja vorhanden sind und Facebook ist die Plattform dazu. Es ist ja jeder selber verantwortlich, was er da draufstellt. Die Frage ist halt nur, wie gehe ich mit diesen Daten um, bewerte ich die als öffentlich zugängliche Quellen und ist jedem klar, wenn er es da reinschreibt wie bei einem Handy-Vertrag, dass die Daten der Schufa übermittelt werden, oder ist es privat. Ich bin der Meinung, es ist privat, und so muss man es auch handhaben.

    Liminski: Wird hier nicht mit Forschung eine ganz andere Absicht bemäntelt? Bei der Schufa handelt es sich um eine von Kreditinstituten getragene Organisation, bei Facebook steht, wie der Börsengang zeigt, ebenfalls die Profitmaximierung an erster Stelle.

    Schweickert: Ich bin ja selber Wissenschaftler und als Wissenschaftler können Sie so ein Projekt natürlich machen. Wenn sich aus der wissenschaftlichen Community so eine Fragestellung ergibt, dann forschen Sie und schauen, was hinter dem Thema steckt. Das ist die eine Seite. So war es ja aber in diesem Falle nicht, sondern es gab ja einen klaren Forschungsauftrag mit einer Projektskizze, und wenn man sich dann diese Projektskizze anschaut, wo die Fragen gestellt werden an die Forscher, die man gerne beantwortet hätte, dann ist da ein klarer Hintergrund erkennbar. Und der Hintergrund ist, die Schufa möchte in Zukunft ihre Vorhersage zur Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers um Daten von zum Beispiel sozialen Netzwerken anreichern. Sie möchte prüfen, ob das geht, wie das geht, ob da Korrelationen, also Abhängigkeiten bestehen, dass wenn bei mir zum Beispiel steht, dass ich gerne griechisch essen gehe, dass ich vielleicht dann ein schlechter Schuldner bin. Aber das sind Dinge, die nach meinem Verständnis – das zeigt auch die Öffentlichkeit – und nach dem Verständnis der großen Teile der Bevölkerung nicht gehen, und wir als Politik sind gefordert, in dem Bereich zu schauen, ob das Bundesdatenschutzgesetz das auch genügend schützt.

    Liminski: Die Schufa-Lab behauptet, bei diesem Projekt handele es sich um Grundlagenforschung, es würden nur Daten benutzt, auf die jeder Mensch sowieso zugreifen kann. Glauben Sie, dass die Schufa sich damit zufrieden gibt? Das wäre doch eine Aufgabe für ein Institut mit anderen Interessen und Zielsetzungen.

    Schweickert: Na gut, man sucht sich das Institut aus, wo man denkt, dass die Ressourcen da sind, so was untersuchen zu können. Das ist das eine. Auf der anderen Seite ist es natürlich aber so, wenn ich so was diskutieren möchte, noch mal, dann soll das diskutiert werden. Ich bin auch sicher, dass diese Diskussion, die im Moment im öffentlichen Raum stattfindet, in diese Studie mit eingeht. Aber nichts desto Trotz, ich bleibe dabei: Es ist eine klare Absicht erkennbar, was man machen möchte. Auch in der Vergangenheit hat die Schufa ja mit ihren Geodaten-Diensten, indem sie Wohnblocks eingeordnet hat nach Zahlungsmoral und Zahlungsfähigkeit, immer mal wieder Grenzbereiche ausgetestet. Wir sind jetzt hier an einem Punkt, wir kennen die Algorithmen der Schufa nicht, wie sie das Ganze berechnet, und wenn man immer wieder in diese Richtung geht, dann zeigt das, man möchte hier mehr tun, und die Politik muss klar sagen, dass das nicht geht.

    Liminski: Aus der langwierigen Debatte um die Vorratsdatenspeicherung wissen wir, dass die Gesetze in Brüssel gemacht und hier umgesetzt werden, gerade was das Internet auch betrifft. Muss man in dieser Frage nicht auch gleich in Brüssel vorstellig werden?

    Schweickert: Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Wir haben natürlich zum einen die Problematik, dass nicht jeder Surfer, nicht jedes soziale Netzwerk in Deutschland steht, dass wir viele in Übersee, aber auch in Brüssel haben, und selbstverständlich gehört das dazu, dass man so ein Thema nicht nur national spielt, sondern auch auf europäischer Ebene. Da muss man gucken, dass man Mitstreiter bekommt, denn oftmals sind die Deutschen bezüglich der Sensibilität für so ein Thema eher Vorreiter. Aber ich bin der Überzeugung, dass wir da auch auf europäischer Ebene Mitstreiter kriegen die sagen, da müssen wir einen Riegel vorschieben.

    Liminski: Glauben Sie, dass die Politik hier geschlossen handeln wird?

    Schweickert: Ich gehe davon aus.

    Liminski: Es gibt schon einige Forschungsprojekte, die die Software von sozialen Netzwerken untersuchen. Kann man nicht ein anderes Institut damit beauftragen vonseiten der Politik, das nicht so offenkundig in einen Interessenkonflikt hineinläuft?

    Schweickert: Das ist natürlich eine Geschichte. Wir haben jetzt einen Fall vorliegen, wo das ja passiert ist. Das ist ja ein längerfristiges Projekt der Schufa, das mit der Uni Potsdam zusammenlaufen soll. Jetzt da mit Gegengutachten was zu tun, glaube ich, wäre der falsche Weg. Es geht darum, dass wir als Politik klar sagen müssen, wo hier rote Linien sind, die nicht überschritten werden dürfen. Wir müssen dafür sorgen, dass das Ganze legislativ in Gesetzesform dann auch klar ist, dass solche Studien und solche Projekte gleich wissen, in welchem Bereich sie hier rote Linien zu beachten haben, und zum anderen müssen wir natürlich die Debatte führen, dass den Leuten auch noch mal klar wird, man muss vorsichtig sein, was man auf diese Netzwerke stellt, denn nichtsdestotrotz: Es könnte auch noch andere Unternehmen geben, die auf so etwas zugreifen wollen.

    Liminski: Schufa und Facebook, die neuen Freunde Kredit suchender Verbraucher – ein Thema, über das die Politik nachdenkt. Das war hier im Deutschlandfunk der verbraucherschutzpolitische Sprecher der FDP, Erik Schweickert. Besten Dank für das Gespräch, Herr Schweickert.

    Schweickert: Vielen Dank, Herr Liminski.

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