Emile - mit E am Ende, wie Jean Jacques Rousseaus von Natur aus guter Mensch - die Hauptperson in Echenoz Roman, ist ein Gutmütiger, ein sanfter Geselle, mit gewissen Eigenschaften des braven Soldaten Schweijk. Einer, der sich fügt, tut, was man von ihm will, nichts wirklich ernst zu nehmen scheint, es gerne jedem Recht machen möchte.
Einer, den man anfangs zum Laufen zwingen muss. In der mährischen Industriestadt Zlin wird er als 17-jähriger Berufsschüler von einem Vorgesetzten in der berühmten Schuhfabrik BATA verdonnert, für die Firma bei einem Cross-Lauf zu starten, wo abgerissene Tschechen gegen strahlende deutschen Besatzer anzutreten haben - prompt wird Emile, zum Ärger der Deutschen, Zweiter und fängt, neugierig geworden, in seiner Freizeit zu laufen an. Schlägt er in der hintersten Provinz erstmals einen Landesrekord, weigert man sich in Prag, das zu glauben. Nach Kriegsende ruft die Armee und für sie macht sich Emile - arm, einsam und hungrig - durch zerbombte Landschaften auf den Weg nach Berlin, zu den Spielen der interalliierten Streitkräfte, wo er als Einziger hinter der tschechoslowakischen Fahne ins Olympiastadion einzieht. Den Start hätte er zwar beinahe verpasst, ein tschechischstämmiger Soldat der US-Armee hatte ihn in ein muttersprachliches Gespräch verwickelt - trotzdem gewinnt er souverän, überrundet jeden Konkurrenten mindestens ein Mal.
An dieser Stelle lässt der Autor seinen Emile erstmals wirklich laufen, über mehrere Seiten hinweg, jedes Detail seines Laufstils sezierend. Jean Echenoz:
"Ich musste versuchen, den Rhythmus eines Rennens im Stil wiederzugeben, diese Kadenz, die sollte man hören. Dabei steht die Sanftheit von Emiles Persönlichkeit in heftigem Kontrast zu seinem Laufstil, diesem unglaublichen Stil, der all dem widersprach, was man eigentlich tun muss, wenn man Langstrecken läuft. Und er lief nicht nur wie ein Hampelmann mit verrenkten Gliedern, sondern vermittelte auch den Eindruck von großem Leiden. Er muss eine Art Liebe zum Leiden entwickelt haben, die der Motor seiner Karriere war."
Echneoz' Emile protestiert nicht, als ihm die Prager Regierung unmittelbar nach dem erstem Olympiasieg in London jede Reise ins westliche Ausland untersagt, scheint sich damit zu trösten, dass jeder neue Rekord, jede weitere Medaille ihm in der Armee automatisch eine Beförderung einbringt. Sein Ruhm - dreifacher Olympiasieger in Helsinki - ist am Höhepunkt, als in Prag die Schauprozesse toben - Emile schweigt, lässt sich zwischendurch zwingen, im Radio die USA zu beschimpfen, versteckt sich ansonsten oder wird versteckt, gelegentlich der Öffentlichkeit wieder vorgeführt:
"Ich wollte eine reelle Person, die eine Legende war, in seiner Menschlichkeit, seiner fast romanhaften Menschlichkeit darstellen, die mich um so mehr interessierte, als seine Laufbahn eng verbunden war mit dem politischen Leben jener Zeit, mit dem historischen Kontext. Er war ein Nationalheld und wurde als solcher zu einem außergewöhnlichen Propagandamittel für das tschechoslowakische Regime."
Emile aber lächelt trotz allem ständig, nur auf der Aschenbahn nicht - beim Laufen auch noch lächeln, dazu habe er nicht genügend Talent, lässt Echenoz seine Hauptfigur sagen, Emile, der starrköpfig Weisheiten von Trainern und Sportmedizinern über den Haufen wirft. Sein Prinzip: Je härter und länger man trainiert, umso leichter erscheint das eigentliche Rennen.
Am Ende des Buchs tut Emile noch einmal etwas, wozu ihn andere auffordern - sagt vor den russischen Panzern auf dem Wenzelsplatz ein paar Worte, fordert als ehemaliger Athlet die Besatzer auf, den olympischen Frieden von Mexiko zu respektieren - die Folge: Er wird aus der Armee entlassen, in den Uranbergbau geschickt, dann zur Müllabfuhr nach Prag - auf seiner Tour dort macht sich die Bevölkerung tagtäglich einen Spaß daraus, ihm die Arbeit abzunehmen, - Emile trottet lächelnd hinter dem Müllwagen her, landet schließlich im dunklen Kellerarchiv des Sportinformationszentrums. Letzter Satz des Romans von Jean Echenoz:
"Nun gut, sagt sich der sanfte Emile, Archivar, wahrscheinlich hab' ich nicht mehr verdient."
Einer, den man anfangs zum Laufen zwingen muss. In der mährischen Industriestadt Zlin wird er als 17-jähriger Berufsschüler von einem Vorgesetzten in der berühmten Schuhfabrik BATA verdonnert, für die Firma bei einem Cross-Lauf zu starten, wo abgerissene Tschechen gegen strahlende deutschen Besatzer anzutreten haben - prompt wird Emile, zum Ärger der Deutschen, Zweiter und fängt, neugierig geworden, in seiner Freizeit zu laufen an. Schlägt er in der hintersten Provinz erstmals einen Landesrekord, weigert man sich in Prag, das zu glauben. Nach Kriegsende ruft die Armee und für sie macht sich Emile - arm, einsam und hungrig - durch zerbombte Landschaften auf den Weg nach Berlin, zu den Spielen der interalliierten Streitkräfte, wo er als Einziger hinter der tschechoslowakischen Fahne ins Olympiastadion einzieht. Den Start hätte er zwar beinahe verpasst, ein tschechischstämmiger Soldat der US-Armee hatte ihn in ein muttersprachliches Gespräch verwickelt - trotzdem gewinnt er souverän, überrundet jeden Konkurrenten mindestens ein Mal.
An dieser Stelle lässt der Autor seinen Emile erstmals wirklich laufen, über mehrere Seiten hinweg, jedes Detail seines Laufstils sezierend. Jean Echenoz:
"Ich musste versuchen, den Rhythmus eines Rennens im Stil wiederzugeben, diese Kadenz, die sollte man hören. Dabei steht die Sanftheit von Emiles Persönlichkeit in heftigem Kontrast zu seinem Laufstil, diesem unglaublichen Stil, der all dem widersprach, was man eigentlich tun muss, wenn man Langstrecken läuft. Und er lief nicht nur wie ein Hampelmann mit verrenkten Gliedern, sondern vermittelte auch den Eindruck von großem Leiden. Er muss eine Art Liebe zum Leiden entwickelt haben, die der Motor seiner Karriere war."
Echneoz' Emile protestiert nicht, als ihm die Prager Regierung unmittelbar nach dem erstem Olympiasieg in London jede Reise ins westliche Ausland untersagt, scheint sich damit zu trösten, dass jeder neue Rekord, jede weitere Medaille ihm in der Armee automatisch eine Beförderung einbringt. Sein Ruhm - dreifacher Olympiasieger in Helsinki - ist am Höhepunkt, als in Prag die Schauprozesse toben - Emile schweigt, lässt sich zwischendurch zwingen, im Radio die USA zu beschimpfen, versteckt sich ansonsten oder wird versteckt, gelegentlich der Öffentlichkeit wieder vorgeführt:
"Ich wollte eine reelle Person, die eine Legende war, in seiner Menschlichkeit, seiner fast romanhaften Menschlichkeit darstellen, die mich um so mehr interessierte, als seine Laufbahn eng verbunden war mit dem politischen Leben jener Zeit, mit dem historischen Kontext. Er war ein Nationalheld und wurde als solcher zu einem außergewöhnlichen Propagandamittel für das tschechoslowakische Regime."
Emile aber lächelt trotz allem ständig, nur auf der Aschenbahn nicht - beim Laufen auch noch lächeln, dazu habe er nicht genügend Talent, lässt Echenoz seine Hauptfigur sagen, Emile, der starrköpfig Weisheiten von Trainern und Sportmedizinern über den Haufen wirft. Sein Prinzip: Je härter und länger man trainiert, umso leichter erscheint das eigentliche Rennen.
Am Ende des Buchs tut Emile noch einmal etwas, wozu ihn andere auffordern - sagt vor den russischen Panzern auf dem Wenzelsplatz ein paar Worte, fordert als ehemaliger Athlet die Besatzer auf, den olympischen Frieden von Mexiko zu respektieren - die Folge: Er wird aus der Armee entlassen, in den Uranbergbau geschickt, dann zur Müllabfuhr nach Prag - auf seiner Tour dort macht sich die Bevölkerung tagtäglich einen Spaß daraus, ihm die Arbeit abzunehmen, - Emile trottet lächelnd hinter dem Müllwagen her, landet schließlich im dunklen Kellerarchiv des Sportinformationszentrums. Letzter Satz des Romans von Jean Echenoz:
"Nun gut, sagt sich der sanfte Emile, Archivar, wahrscheinlich hab' ich nicht mehr verdient."