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Schweinefleisch-Diskussion
Morddrohungen gegen Kita-Leiter

Nachdem zwei Kitas in Leipzig aus Rücksicht auf muslimische Kinder im Speiseplan auf Schweinefleisch verzichten wollten, sind dort Morddrohungen eingegangen. Oberbürgermeister Jung sieht darin eine Saat rechter Hetze.

    "An den Galgen mit dir oder standrechtlich erschießen", steht auf einem handgeschriebenem Drohschreiben.
    Drohung gegen eine Leipziger Kita: Wegen eines geänderten Speiseplans sind die Mitarbeiter mit Morddrohungen konfrontiert. (Facebook/Burkhard Jung)
    "An den Galgen mit dir oder standrechtlich erschießen", mit solchen Morddrohungen sehen sich die Leiter von zwei Kitas konfrontiert. In einem emotionalen Facebook-Post veröffentlichte der Leipziger Oberbürgermeister Jung noch weitere Drohungen, die Kita-Mitarbeiter schriftlich oder persönlich erreicht haben: "Sie führen sofort wieder Schweinefleisch ein, bis 30.7., ansonsten wird die Kita abbrennen, wenn auch zum Nachteil der Kinder. Nein, das ist kein Scherz."
    Anschließend heißt es laut Jung in dem Drohschreiben: "Auch wenn sie die Polizei einschalten, sie wird brennen. Und sie werde ich zusammenschlagen, bis dass sie im Krankenhaus liegen und berufsunfähig sind!!! Also los oder Feuer!" Der SPD-Politiker zeigt sich entsetzt angesichts solcher Gewaltbereitschaft. Es sei unverantwortlich, die Speiseplanänderung einer Kindertagesstätte zum Untergang der deutschen Kultur hochzustilisieren, schrieb Jung. Der SPD-Parteivorstand spricht von unfassbaren Drohungen. "Wir dürfen nicht wegschauen, wo die Debatte verroht und mit Gewalt gedroht wird", teilte die Parteiführung mit. "Wir müssen Hass und Hetze Paroli bieten - immer und überall."
    Kritik an Medienkampagne gegen die Kitas
    Zwei Kindertagesstätten hatten sich nach eigenen Angaben mit Zustimmung der Mehrheit der Eltern dazu entschlossen, keine Schweinefleisch-Produkte mehr anzubieten. Auf den öffentlichen Druck hin hatten die Kitas ihre Entscheidung zurückgezogen, auf Schweinefleisch zu verzichten. Insgesamt fällt der Anteil an Gerichten mit Schweinefleisch aber generell recht gering aus. So beinhalte nur weniger als jedes zehnte ihrer Kita-Gerichte Schweinefleisch, teilte das Unternehmen "apetito" dem Deutschlandfunk mit. Allgemein kämen bei Kindern eher Menüs mit Geflügel, Rind oder auch Fisch auf den Tisch. Viel häufiger noch würden vegetarische oder Bio-Gerichte nachgefragt. Das Unternehmen beliefert 6.000 der rund 56.000 deutschen Kitas.
    Die "Bild"-Zeitung machte aus dem vermeintlichen Schweinefleisch-Verbot der Leipziger Kitas trotzdem einen Aufmacher und schrieb kritisch über die Entscheidung. Daraufhin erreichten die Einrichtungen massive Anfeindungen vor allem von rechten Aktivisten. Die Polizei wurde eingeschaltet. Drohungen gegen Mitarbeiter seien zur Anzeige gebracht worden, sagte ein Polizeisprecher heute. Der frühere AfD-Politiker Poggenburg hatte zeitweise sogar zu einer Protest-Kundgebung vor den Kitas aufgerufen und die Speiseplanänderung als "kulturelle Unterwerfung" bezeichnet. Einen Tag vor dem Termin zog Poggenburg den Aufruf zurück.
    Polizewagen vor dem Eingang der Kita. 
    Nach Diskussionen um die Änderung des Speiseplans in zwei Leipziger Kitas hat sich die Polizei eingeschaltet. (dpa / Sebastian Willnow)
    Kritiker werfen der "Bild"-Zeitung eine rassistische Kampagne vor. Der frühere Chefredakteur der "Bild am Sonntag", Spreng, sagte, das Blatt sei zur "Vorfeldorganisation der AfD" geworden. Mittlerweile beschäftigt sich auch der Deutsche Presserat mit der Frage, ob die Berichterstattung der "Bild"-Zeitung zur Schweinefleisch-Diskussion angemessen gewesen sei.
    Jung fordert mehr Zivilcourage
    "Nicht wegschauen, nicht wegschweigen, nicht wegducken", appelliert Leipzigs Oberbürgermeister Jung in seinem Facebook-Post, der mittlerweile mehrere Tausend Mal geteilt wurde. "Was hier passiert und geschieht, ist nur ein Vorgeschmack auf das, was kommen wird, wenn bei den kommenden Wahlen die an die Macht kommen, die mit ihren Worten der Hetzte heute schon die Saat gelegt haben."
    In Sachsen stehen im September die Landtagswahlen an. Die AfD könnte nach aktuellen Umfragen dabei stärkste Partei werden.