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Schweinepeitschenwurm
Helfer gegen Multiple Sklerose?

Medizin. - Würmer - die meisten Menschen bekommen beim Gedanken daran gleich eine Gänsehaut. Dabei ist es gar nicht so lange her, dass Menschen hierzulande weitgehend ihre Wurmparasiten los wurden. Ob es ein Zufall ist oder ob das Immunsystem verrückt spielt, weil ihm die Parasiten fehlen, sollen nun wissenschaftlich kontrollierte Studien zeigen.

Von Christine Westerhaus |
    "Beim ersten Mal hätte ich mich fast nicht überwinden können. Es war mehr als 40 Grad heiß, fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit und dann dieser Gestank und diese ganzen Insekten. Es war so abstoßend und so ekelhaft!"
    Jasper Lawrence, schon seit seiner Kindheit ist er Allergiker. Er probiert alles, um seinen Heuschnupfen loszuwerden. Doch ohne Erfolg. Dann sieht er in einem Fernsehbericht, dass Hakenwürmer gegen Heuschnupfen helfen können. Lawrence ist wild entschlossen sich absichtlich mit diesen Parasiten zu infizieren und reist deshalb 2006 nach Afrika. Dort stapft er barfuß durch die Fäkalien anderer Menschen immer in der Hoffnung, dass die Hakenwürmer anbeißen.
    "Da gibt es Leute, die machen alles Mögliche. Ich habe zum Beispiel eine Kollegin gehabt, die war selber Immunologin und die hatte eine Lebensmittelallergie. Und die sagte, dass sie eigentlich mit dem Leben abgeschlossen hatte, weil sie nichts mehr essen konnte, ständig diese Probleme hatte. Und die hat diese Wurmtherapie gemacht und die war danach zwei Jahre erst einmal symptomfrei und ist also vollkommen überzeugt davon."
    Richard Lucius ist Parasitologe und untersucht an der Berliner Humboldt Universität, wie Würmer das Immunsystem beeinflussen.
    "Es gibt Wissenschaftler, die sagen, dass manche dieser Würmer sozusagen schon zum Symbionten geworden sind und dass der Mensch darauf eingestellt ist, dass er Würmer hat. Und diese Würmer wirken wie eine Immunbremse und diese Bremse wird sozusagen schon mit einkalkuliert und ohne diese Würmer hätte das Immunsystem die Tendenz, überzuschießen - sagen diese Leute."
    Schon seit den 90er-Jahren geistert diese Idee als Hygienehypothese durch die wissenschaftliche Literatur. Der Mensch lebt zu sauber, das Immunsystem spielt verrückt, weil es sich nicht mit Schmutz und Parasiten auseinandersetzen kann. Um das Jahr 2000 begannen Forscher dann, nach einem Wurm zu suchen, der zwar das Immunsystem bremst, aber keine Nebenwirkungen hervorruft. Der Schweinepeitschenwurm schien ein idealer Kandidat dafür zu sein: Er ist auf Schweine spezialisiert, kann sich aber auch im Menschen kurzfristig ansiedeln. Die Ergebnisse der ersten Patiententests waren vielversprechend. So vielversprechend, dass der Schweinepeitschenwurm nun auch in mehreren großen klinischen Studien getestet wird. Auch an Patienten mit der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose wie Erika Schulze.
    "Also beim ersten Mal war es schon ein bisschen komisch, muss ich sagen. Da habe ich das Glas angeguckt und – runter schlucken? Aber - geht automatisch, denkt man nicht mehr drüber nach."
    Alle 14 Tage schluckt Erika Schulze derzeit eine Flüssigkeit aus einem kleinen Fläschchen. Ob Wurmeier darin schwimmen oder nur ein Scheinpräparat, weiß sie nicht. Die Studie wurde von der MS Spezialistin Berit Rosche und ihrem Kollegen Friedemann Paul von der Berliner Charité ins Leben gerufen. Beide stützen sich vor allem auf Hinweise aus Argentinien. Ein Forscher hatte beobachtet, dass MS-Patienten aus ärmeren Gegenden besser mit der Krankheit zurecht kamen als Menschen in wohlhabenden Regionen.
    Friedemann Paul: "Da hat ein Kollege Patienten verglichen, und gesehen, dass viele Patienten in ärmeren Vierteln die waren offenbar besiedelt von Würmern, oder Wurmeiern, ohne selbst krank gewesen zu sein, und offenbar hat das eine günstige Wirkung auf das Immunsystem der Patienten gehabt, in dem Sinne, dass dann diese autoaggressive Immunantwort gegen das Nervensystem, was bei der MS ja vorkommt, abgemildert werden konnte."
    Ob auch der Schweinepeitschenwurm das Immunsystem von MS-Patienten besänftigen kann, muss sich jetzt zeigen. Bisher haben die Berliner Forscher acht von geplanten 50 Patienten für ihre Studie gewinnen können. Erika Schulze wird eine der ersten sein, die die Therapie testet. Ob es tatsächlich Wurmeier sind, die sie schluckt, wird sie erst am Ende der Studie erfahren.
    "Ich hoffe, dass ich das Richtige trinke!"