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Schweinepest an polnischer Grenze
Biologe: "Sehr, sehr akute Gefährdungssituation" für Deutschland

Die Schweinepest ist nun in Polen, 80 Kilometer von der deutschen Grenze, aufgetreten. Zwar lasse sich die weitere Ausbreitung nicht vorhersagen, sagte Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, im Dlf. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach Deutschland komme, sei aber hoch.

Ein Wildschwein steht auf einem Plateau im Wald und beobachtet die Umgebung.
Wildschweine infizieren sich mit der Schweinepest. Eine Übertragung auf Nutztiere müsse verhindert werden, so der Biologe Thomas Mettenleiter. (dpa / Lino Mirgeler)
Arndt Reuning: Es war am 4. November, also vor knapp drei Wochen. Im Westen von Polen, etwa 80 Kilometer von der Grenze zu Deutschland entfernt, wurde ein totes Wildschwein gefunden, in der Nähe einer Straße, offenbar überfahren. Eine Untersuchung des Kadavers brachte jedoch einen beunruhigenden Befund zutage: Das Tier war an der Afrikanischen Schweinepest erkrankt, kurz ASP. Die Tierseuche ist in Polen bereits aufgetreten, aber noch nie so weit westlich. Für Menschen ist das Virus vollkommen harmlos, aber es hat das Potential, ganze Schweinebestände auszulöschen. Und tatsächlich: Bei einer gezielten Suche fanden Soldaten und Freiwillige mittlerweile 21 weitere Kadaver von Schwarzwild, das mit der Seuche infiziert war, 80 Kilometer von der Grenze nach Brandenburg entfernt. Ist die Afrikanische Schweinepest damit nun auch bald schon in Deutschland angekommen?
Das wollte ich vor der Sendung wissen von Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Insel Riems bei Greifswald.
Thomas Mettenleiter: Nun, sie hat sicherlich in Polen einen weiten Sprung nach Westen gemacht, dann einen Sprung von etwa 250 Kilometern und ist in der Tat jetzt etwa 80 Kilometer von der deutschen Ostgrenze entfernt. Ich weise aber darauf hin, dass das Virus auch etwa 80 Kilometer von der deutschen Westgrenze seit letztem Sommer bereits entfernt ist durch den Eintrag nach Belgien. Es hat es bisher weder von Belgien noch von Polen nach Deutschland geschafft. Also wir sind immer noch frei von diesem Erreger, aber wir sind, ich sage es mal so, eingekreist. Und wir sind natürlich auf beiden Seiten Deutschlands sehr wachsam und beobachten die Situation sehr genau.
Reuning: Ja, in Deutschland, aber wie sieht es denn in Polen aus, wie wird das Schwarzwild dort im betroffenen Gebiet überwacht?
Mettenleiter: Also es ist so, dass jetzt eine intensive Kadaversuche abläuft. Die Maßnahmen, die dort ergriffen werden, lehnen sich an an die Maßnahme, die unsere tschechischen Kollegen ergriffen haben, wo der Erreger ja im vorletzten Jahr aufgetaucht ist. Das ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen, wo Kadaversuche und -entfernung eine Rolle spielt, wo dann auch Zäune um das infizierte Gebiet herum eine Rolle spielen, aber auch jagdliche Maßnahmen, insbesondere im weiteren Umkreis, um die Wildschweinpopulation zu reduzieren. Das sind alles Maßnahmen, die in Tschechien erfolgreich angewendet worden sind, die auch unsere belgischen Kollegen angewendet haben. Da ist es noch nicht ganz zum Erliegen gekommen, aber auch dort ist die Entwicklung sehr positiv zu werten. Also das ist das, was wir im Moment einsetzen können. Und wir haben zumindest Beispiele, dass diese Maßnahmen dann auch funktioniert haben.
"Menschliche Aktivitäten die wahrscheinlichste Ursache"
Reuning: Lässt sich denn sagen, wie dieses ASP-Virus in Polen soweit nach Westen vordringen konnte?
Mettenleiter: Wir sagen ja schon, das ist schon von sehr, sehr langer Zeit, dass menschliche Aktivität die wahrscheinlichste Ursache für diese Langstreckenübertragungen ist. Wildschweine gehen nicht so weit, das heißt also, wenn das Wildschweingebunden sich ausbreitet, dann ist so der Schnitt vielleicht 15 bis 20 Kilometer im Jahr. Wir haben jetzt einen Sprung über 250 Kilometer. Wir hatten nach einen Belgien einen Sprung, der noch viel, viel weiter war. Und in beidem nehmen wir menschliche Aktivität als die wahrscheinlichste Eintragsursache an. Das deckt sich auch mit den Erfahrungen, die wir in anderen Regionen gewonnen haben, sei das nun in Asien, sei das in Russland, wo auch solche Langstreckeneinträge stattgefunden haben, die dann sehr häufig direkt assoziiert waren mit menschlichen Aktivitäten.
Reuning: Menschliche Aktivitäten heißt ganz konkret das weggeworfene Wurstbrötchen von einem infizierten Schwein?
Mettenleiter: Richtig. Menschliche Aktivitäten heißt zum einen das weggeworfene Wurstbrötchen, also wie wir das fachlich nennen: das unsachgemäße Entsorgen von kontaminiertem Material, kontaminierten Lebensmitteln. In anderen Regionen, sicherlich nicht bei uns, kann das auch mit der Verbringung von infizierten Tieren zu tun haben oder mit dem Verbringen von infiziertem Material, also auch kontaminierten Fahrzeugen oder Kleidung. Auch das ist eine grundsätzliche Gefährdungssituation. Darum sollten sich alle sehr bewusst sein.
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Reuning: Besteht denn eine Gefahr nur für Wildschweine, oder ist auch eine Übertragung auf Hausschweine möglich, denn dazu müssten die Tiere ja doch irgendwie miteinander in Kontakt kommen?
Mettenleiter: Es ist nicht unbedingt der direkte Kontakt zwischen Wildschwein und Hausschwein, sondern natürlich auch der indirekte, also zum Beispiel durch kontaminierte Kleidung, durch kontaminierte Fahrzeuge, durch kontaminierte landwirtschaftliche Gerätschaften, durch Reifen, durch kontaminiertes Schuhwerk. Also da gibt es eine ganze Menge an Möglichkeiten. Das haben wir ja auch in der Vergangenheit schon gesehen. Auch bei anderen Seuchen, wie zum Beispiel der klassischen Schweinepest, und in der Konsequenz gibt es ja in Deutschland eine sogenannte Schweinehaltungshygieneverordnung, die also in Abhängigkeit der Größe der Nutzschweinebestände Biosicherheitsmaßnahmen verbindlich vorschreibt. Wir weisen immer wieder darauf hin, dass es auch gerade auf diese Biosicherheitsmaßnahmen ganz, ganz wesentlich ankommt, den Erreger eben nicht aus der Wildschweinpopulation in die Nutzschweine gelangen zu lassen.
"Es gibt keinen Impfstoff"
Reuning: Ist es denn möglich, Schweine gegen die Seuche zu impfen?
Mettenleiter: Es gibt keinen Impfstoff. Also es ist keine Impfprävention möglich. Das, was wir präventiv machen können, beschränkt sich letztendlich auf Maßnahmen, zum einen des Monitorings und zum Zweiten auf Maßnahmen der Biosicherheit an den Beständen. Das ist das, was wir unbedingt vermeiden wollen, dass der Erreger, wenn er denn bei uns im Wildschwein auftaucht, dann seinen Weg in die Nutzschweinbestände führt. Das ist machbar, das ist realistisch, aber da müssen natürlich alle sehr wachsam sein und dann auch die Maßnahmen richtig umsetzen.
Reuning: Was würde denn im Falle eines Falles geschehen, wenn man Afrikanische Schweinepest auch bei deutschen Wildschweinen fände?
Mettenleiter: Es würde genau das gleiche geschehen, was jetzt in den baltischen Staaten, in Polen oder auch in Belgien passiert ist. Es würden unterschiedliche Gebiete ausgewiesen mit unterschiedlichen Restriktionen. Problematisch wird es sicherlich werden, was den Export angeht, weil Staaten, die aus Deutschland Schweinefleisch oder Schweine importieren, dann möglicherweise diesen Import reduzieren, respektive ganz stoppen. Eins muss man dann sagen, wenn das bei uns auftaucht, dann ist natürlich Deutschland nicht mehr frei von Afrikanischer Schweinepest, aber noch ist es nicht soweit. Und noch sage ich, ja, wachsam sein. Das A und O ist, einen Eintrag, wenn er denn erfolgen sollte, so schnell wie es geht, A, zu erkennen und, B, dann die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Die werden sich auch daran orientieren an dem, was unsere tschechischen und belgischen Kollegen realisiert haben und was jetzt unsere polnischen Kollegen ebenfalls machen.
Reuning: Noch ist es nicht soweit, sagen Sie, aber ist es denn nicht einfach nur eine Frage der Zeit, dass das Virus auch in Deutschland ankommt und sich hier festsetzt?
Mettenleiter: Tierseuchen lassen sich nicht vorhersagen, auch in dem Kontext lassen sie sich nicht vorhersagen. Ich kann mich dran erinnern, vor fünf Jahren, als es damals zum ersten Mal an der Ostgrenze Polens aufgetreten ist, da waren auch die Unkenrufe, jetzt dauert es nur noch vier Monate oder fünf Monate, und dann ist es auch bei uns. Es ist nicht passiert, aber natürlich ist es eine sehr, sehr akute Gefährdungssituation. Das Friedrich-Loeffler-Institut hat ja auch in seiner Risikobewertung deutlich darauf hingewiesen, dass es die Wahrscheinlichkeit eines Eintrags nach Deutschland des Erregers als hoch einschätzt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.