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Schweinereien und Amigos

Zahlreiche Abgeordnete im bayerischen Landtag haben Verwandte beschäftigt. Der Skandal betrifft alle Fraktionen – besonders stark jedoch die CSU. Manche an der Basis fühlen sich an alte Zeiten erinnert, als die Christsozialen an der Spitze noch stolz waren auf ihre Netzwerke.

Von Michael Watzke |
    Die Schweinerei beginnt für Frank Völker schon bei Sonnenaufgang. Der Ortsvorsitzende der CSU in Coburg steht mit zwei mächtigen Messern vor einem Holzkohle-Ofen:

    "Das ist der Grill, auf dem das Schwein gebraten wird. Und da war eine Sau drauf mit 100 Kilo. Die haben wir seit fünf Uhr morgens gebraten. Und wenn man jetzt reinschaut, sind es schon die letzten Portionen, dann ist Feierabend."

    Einmal im Jahr lädt der CSU-Stadtrat seine Parteifreunde zum Maibaum-Fest. 160 Menschen prosten sich vor dem Schützenheim Creidlitz zu und diskutieren über Politik. Das Fest ist eine alte Tradition der Coburger Christsozialen. Die meisten sind im Rentenalter. Frank Völker findet das schade.

    "Das kann doch nicht sein, dass alle Parteien nur noch mit Senioren rumlaufen. Und die Jungen motzen und meckern nur. Die sollen sich engagieren. Ich bin auch so zur Politik gekommen. Ich hab gesagt: Jetzt pack’ ich’s an, jetzt engagiere ich mich. Man muss die jungen Leute begeistern. Und solche Veranstaltungen sind ein gutes Beispiel dafür."

    In den letzten Wochen lief es gut für Frank Völker und die CSU in Coburg. Bis die Neuigkeiten aus dem Landtag in München in die Idylle platzten. Skandalmeldungen über Abgeordnete und ihre Familienbetriebe.

    "Ich sag’s jetzt mal auf plump bayerisch: Was wir hier in den Ortsverbänden mit unserer Hände Arbeit aufbauen, schmeißen die mit dem Arsch um. Es kommt schlecht an. Wir haben die Schwierigkeit, das als Orts- und Kreisvorsitzende den Leuten zu erklären. Warum, wieso, weshalb. Da gibt’s keine Erklärung. Das ist einfach ’ne Schweinerei."

    Völker wischt sich den Schweiß von der rußgeschwärzten Stirn. Dann reicht er eine Portion Schweinefleisch an den örtlichen CSU-Landtagsabgeordneten Jürgen Heike. Der ist in der Abgeordneten-Affäre sauber geblieben – anders als fast zwei Dutzend seiner Parteifreunde.

    "So, wie sich einige Leute bedient haben, kann’s nicht sein. Wenn ich jemanden aus meiner Familie anstellen will, dann mach’ ich das aus meiner eigenen Tasche. Denn der arbeitet dann für mich und nicht fürs Mandat."

    Die Verwandten-Affäre im Freistaat betrifft zwar alle Fraktionen – besonders stark jedoch die CSU. Manche fühlen sich an alte Zeiten erinnert, als die Christsozialen an der Spitze noch stolz waren auf ihre Netzwerke.

    "Freunde zu haben, ist das eine Schande bei uns in der CSU? Saludos Amigos!"

    Max Streibl, der Nachfolger von Franz-Josef Strauß, prägte das Bild der alten Amigo-Partei. Dabei hat sich die CSU seit einigen Jahren modernisiert, findet der Coburger Stadtrat Frank Völker:

    "Horst Seehofer ist darauf bedacht, die CSU zu erneuern. Auch zu öffnen. Er macht auch gute Arbeit. Ich glaube schon, dass wir auf einem guten Weg sind. Oder waren auf einem guten Weg. Aber dann kommen wieder solche Skandale hoch. Das darf nicht sein."

    Ortswechsel: 100 Kilometer weiter südlich, bei den Spargel-Erlebnistagen in Möhrendorf, präsentiert sich – rein optisch – die neue, Seehofers CSU. Mit der sogenannten Event-Trailer-Tour.

    "Die Eventtrailer-Tour geht durch ganz Bayern. Wir besuchen alle möglichen Ortsverbände und unterstützen so die CSU vor Ort."

    Drei junge CSU’ler stehen in weißen-blauen Uniformen vor einem Lkw-Anhänger mit Partei-Logo. Dazu läuft poppige Discomusik, bunte Scheinwerfer leuchten, und ein Glücksrad dreht sich.

    "Der Hauptgewinn ist dieses Stofftier, das ist unser CSU-Löwe, der Leo. Den kriegt man, wenn das Glücksrad auf dem Löwen stehen bleibt."

    Das Glücksrad der CSU – in diesen Tagen dreht es sich besonders schnell. Wo wird es stehen bleiben? Wird die Abgeordneten-Affäre die Wahlchancen der Partei und ihres Vorsitzenden Horst Seehofer schmälern, der sich am Freitagabend zum Spitzenkandidaten küren lässt? Bernd Rudolph, der zweite CSU-Bürgermeister von Möhrendorf, wiegelt ab. Er hat gehört, dass auch die örtliche CSU-Landtagsabgeordnete Christa Matschl ihre Tochter auf Staatskosten beschäftigt hat.

    "Ich sehe das nicht so eng, muss ich ganz ehrlich sagen. Wenn die ihre Arbeit vernünftig machen, dann habe ich kein Problem damit, wenn das ein Familienangehöriger ist. Wenn man Leute normal beschäftigt, ist das für mich auch tragbar."

    Das sehen in Möhrendorf viele so. Fast so als habe die Staatspartei Narrenfreiheit. Renate Rudolph, die Mutter von Bürgermeister Bernd, hat einen großen Spargelhof. Sie findet die Diskussion um politische Familienbetriebe überzogen. Politik müsse nah am Bürger sein:

    "Wir kennen einige von der CSU, und wenn wir ein Anliegen haben, können wir jederzeit an sie herantreten und anrufen. Also Stefan Müller und Joachim Herrmann, die kennen wir auch privat gut. Die kommen jedes Jahr zum Spargelessen. Die haben immer ein offenes Ohr für uns. Deshalb versuchen wir auch, die jetzt zu unterstützen."

    Eine Hand wäscht die andere. Die CSU darf sich mit ihrem modernen Event-Trailer beim Spargelfest in Möhrendorf in der Mitte des Hofes präsentieren. Schließlich hat Familie Rudolph hier Hausrecht. Ihnen gehört der Hof. Manchmal ist die neue CSU ganz die alte.