„Gehen Sie ruhig rein, dann wird sich wohl was rühren.“ Landwirt Heinrich Dierkes, graue Haare und grüner Overall, setzt die beschlagene Brille ab. Feuchtwarm ist die Luft in seinem Schweinestall in Goldenstedt im Landkreis Vechta. Die Schweine, gut vier Monate alt, wie Dierkes erklärt, trippeln aufgeregt durcheinander.
„Also wir haben bei uns über alles gesehen einen geschlossenen Bestand. Wir haben mit unserem Nachbarn zusammen eine Sauenhaltung, haben die eigenen Ferkelaufzuchtställe und dann die Mastställe, wo wir in einem von den Mastställen hier jetzt stehen“, sagt Dierkes. 4.000 Mastplätze haben sie hier, 700 Sauen werfen mehrfach im Jahr neue Ferkel. Das optimierte Futter läuft automatisiert durch Rohrleitungen. Automatisiert ist auch das Auffangen der Gülle, deren Geruch beißend in der Luft hängt. „Also diese sind gerade vor acht Tagen eingestallt, die bleiben hier bis sie als Schlachtschwein abgeliefert werden.“
Tiertransporte gehören zum Straßenbild
„Wie lange dauert das?“ - „Es ist etwas unterschiedlich nach der Wachstumsleistung der einzelnen Tiere, weil ein Schwein ist selten uniform und beim Schlachthof will man gerne einen relativ engen Gewichtskorridor haben. Das aber ist einfach unterschiedlich. Aber im Maststall sind sie etwa 85 bis 115 Tage.“ Dann geht es für die jetzt neugierig schauenden Tiere auf die letzte Fahrt. Ein Vorgang, der hier im Oldenburger Münsterland, den Landkreisen Cloppenburg und Vechta jedes Jahr millionenfach passiert.
Tiertransporte – die Region ist auch ein Zentrum der Geflügelzucht - gehören fest zum Straßenbild in der Region im Westen Niedersachsens. Als Schweinegürtel oder Schweinedreieck wird die Gegend bezeichnet, in der deutlich mehr Masttiere leben als Menschen. Ein Wirtschaftszweig, der in der Region für Wohlstand gesorgt hat.
„Das fällt mir immer auf, wenn wir hier Journalisten haben oder andere Menschen, die uns hier besuchen, die dann auf diesen Parkplatz gucken. Da parken die Berufsschüler von der Schule nebenan, die sind 18 Jahre alt oder 19. Und wenn man dann sieht, mit welchen Autos die ankommen, da ist man manchmal schon sehr überrascht.“ Christine Aka ist Professorin am Institut für Kulturanthropologie des Oldenburger Münsterlandes mit Sitz in Cloppenburg. In den 1980er-Jahren hat sie ihre Heimatregion verlassen, vor einigen Jahren kehrte sie zurück.
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„Mitte der 70er-Jahre wurden die ersten richtig großen Schweineställe gebaut. Und da haben die Menschen gesagt, meine Güte, was ist denn das? Sowas gib es ja nicht. Das ist nicht gut, das sollten wir nicht tun. Das überschwemmt ja den Markt und so weiter. Da fing das erst richtig an. Ich würde sagen, dass erst Mitte der 70er-Jahre das, was wir heute als Wohlstand der Region bezeichnen, das hat da erst angefangen. Dann hat sich jeder irgendwann einen Schweinestall gebaut und dann noch einen und noch einen und noch einen, und das würde ich sagen, hat jetzt seinen Abschluss gefunden.“
Strukturwandel bei der Schweinezucht
Immer größere Ställe, mehr Schlachtungen, mehr Gewinne – diese Entwicklung scheint so nicht mehr weiterzugehen. „Wir sprechen auf der einen Seite von einem sehr, sehr starken Strukturwandel.“ Barbara Grabkowsky ist Tierepidemiologin. An der Universität Vechta ist sie Leiterin des Verbunds Transformationsforschung Agrar. „Auf der einen Seite ist das ein verändertes Konsumverhalten in der Gesellschaft, das heißt, wir haben hier sehr unterschiedliche Strömungen in Richtung eines neuen ethischen Bewusstseins in Bezug auf tierische Lebensmittel. Das heißt, wir machen uns darüber Gedanken in unserer Gesellschaft: Wie sollen Tiere gehalten werden? Müssen Tiere gehalten werden? Wir haben aber auch viele ökologische Grenzen überschritten, weil wir hier eben ein Agrarcluster sind, was eben lange Zeit über seine Verhältnisse gewirtschaftet hat.“
Und das durchaus mit Unterstützung der Politik. So geht bekanntlich der größte Teil des EU-Budgets an die Landwirte in der EU – je größer der Betrieb, desto mehr Zuwendungen, galt dabei lange Zeit. Bundes- und landespolitisch profitierte die Schweinezucht insbesondere von der politischen Nähe zur CDU, für die viele Landwirte im Bundestag, aber auch im niedersächsischen Landtag sitzen. Solange Angela Merkel Kanzlerin war, war das Ressort von der Union besetzt. Die wiederkehrende Kritik der Umweltverbände in dieser Zeit: Die Interessen der Landwirte stünden über denen der Umwelt.
Für das Oldenburger Münsterland beobachtet Barbara Grabkowsky von der Uni Vechta die Entwicklungen: „Damit haben wir Probleme im Bereich der Nitratbelastung von Gewässern, aber auch von Phosphor, auch Phosphor-Belastung. Wir haben verschiedene Einbußen im Bereich Biodiversität zu verzeichnen, dass verschiedene Arten, also Flora und Fauna, tatsächlich stark reduziert sind.“
Ringen um Tierwohllabel
Wie soll die konventionelle Nutztierhaltung in Zukunft aussehen? Darüber diskutieren Landwirtschaft, Politik und Umweltschutz seit Jahrzehnten. Julia Klöckner (CDU), bis Ende 2021 Bundeslandwirtschaftsministerin: „Wir müssen es schaffen, dass die Erwartungen, die an die Landwirtschaft gestellt werden, mehr Klimaschutz, mehr Umweltschutz, mehr Tierwohl, dass es auch leistbar ist von den Familien. Und dass es sich auch rechnet, denn ansonsten hören die Betriebe auf in Deutschland.“
Klöckner allerdings scheiterte schließlich damit, ein Tierwohllabel einzuführen. Somit sind die einzigen Label zum Tierwohl die Label der am Handel beteiligten Branchen. Und für die fleischerzeugenden Landwirte gibt es keine staatlich garantierten Preise bei mehr Tierwohl. Der Absatz von Schweinefleisch geht gleichwohl in Deutschland seit Jahren zurück. Lange konnten die Schweineerzeuger diese Verluste ein stückweit mit Exporten ausgleichen.
Landwirt Heinrich Dierkes: „Und wir hatten das große Glück, dass die Produkte, die überhaupt hier nicht mehr zu verkaufen waren, in China Spezialitäten waren: Pfötchen, Öhrchen und. Und das war so eine Win-win-Situation, die auch sehr nachhaltig war, weil wir nichts wegschmeißen.“
Doch dann traten im vergangenen Jahr in Deutschland Fälle der sogenannten Afrikanischen Schweinepest auf. Und China stoppte den Import von deutschem Schweinefleisch. „Und wir sind im Moment jetzt wieder in der Situation, dass wir 20, 25 Prozent vom Schwein in die Tierkörperverwertung geben müssen, weil es keinen Markt auf der Welt mehr gibt. Verheerend war für uns letztendlich Corona, das genau an dem Punkt eingesetzt hat - Gastronomie, die Bratwurst im Stadion - die dazu geführt haben, dass deutliche Mengen runtergegangen sind und wir einen Riesendruck auf allen Märkten letztendlich haben und auch Nachbarländer, die jetzt reindrücken und günstige Ware verkaufen.“
Etwa die Hälfte der Schweinehalter will aussteigen
Dierkes ist auch Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands. Auch dieser Verband hat seinen Sitz im Landkreis Vechta. Einer Umfrage des Verbands zufolge plant etwa die Hälfte der Schweinehalter, in den kommenden zehn Jahren aus der Schweinehaltung auszusteigen. Es scheint das Ende einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte, die in der Region vor weit über einem Jahrhundert ihren Anfang nahm.
„Das Armenhaus ist es gewesen, weil hier, nicht überall, aber doch in der Mehrheit so schlechte Böden sind, dass man da so gerade mehr schlecht als recht über die Runden gekommen ist.“ Michael Schimek ist stellvertretender Leiter des Museumsdorfs Cloppenburg. Er führt an Windmühlen, Landmaschinen und dem historischen Gasthaus Dorfkrug vorbei. Zu einem Stall, in dem der Wandel im Oldenburger Münsterland sichtbar wird. Mit dem Bau der Eisenbahnlinien im ausgehenden 19. Jahrhundert war es möglich, Futter, das über die Weserhäfen unter anderem aus Russland angeliefert wurde, in großem Maßstab zuzukaufen.
„Das machen wir jetzt auf, bin hier schon länger nicht mehr gewesen. Und hier sieht man, wie viele Koven sind das, 1,2,3,4,5, dass hier auch schon über den Eigenbedarf hinaus Schweinezucht und Mast betrieben worden ist.“ Mit der Industrialisierung war im Ruhrgebiet ein Absatzort für Schweinefleisch entstanden. Dort konnten sich immer mehr Arbeiter regelmäßigen Fleischverzehr leisten. Die Schweine kamen mit der Bahn aus dem nördlich gelegenen Oldenburger Münsterland.
„Die werden auf dem Ackerwagen mit einem speziellen Aufsatz geladen worden sein, und dann zum Bahnhof. Und dann sind die gen Schlachthof. Und da die Züge damals noch keine Kühlvorrichtungen hatten, konnte man eben nur die lebendigen Schweine – Tierwohl spielte da keine Rolle – transportiert werden, sodass also die Schlachthöfe da sich befunden haben, wo das Fleisch auch gegessen worden ist“, berichtet er.
Die wohl Schwächsten in der Wohlstandskette
Heute wird in Großschlachtereien geschlachtet. Die größten befinden sich im angrenzenden Nordrhein-Westfalen, einer weiteren Schweine-Hochburg. Doch auch im Oldenburger Münsterland wird geschlachtet. Dort arbeiten die wohl Schwächsten in der Kette, die der Region Wohlstand gebracht hat. Oft sei er erschreckt über den körperlichen Zustand der meist aus Rumänien oder Bulgarien stammenden Menschen in seiner Goldenstedter Praxis, sagt der Arzt Florian Kossen. „Es ist oft so. Das sind Patienten die vom Pass her 20, 25 Jahre sind, wo man auf den ersten Blick denkt, 40 Jahre aufwärts, was einfach Folge auch der anhaltenden Überlastung ist.“
Immer wieder haben Medien berichtet über die schlechten Arbeitsbedingungen in den Fleischfabriken. Lange wurden die Arbeiter dort als Subunternehmer angestellt. Dies hat die letzte Bundesregierung von Angela Merkel nach Corona-Ausbrüchen in Fleischfabriken verboten. Die Fleischhersteller beteuern, sich daran zu halten und auch den Mindestlohn zu zahlen.
Doch ob das grundsätzlich etwas ändere, daran hat der Mediziner Kossen Zweifel. „Ich denke, das eigentliche Problem sind diese unmenschlichen Verhältnisse bei der Arbeit. Und daran hat sich nichts geändert, weil die Beschwerden, die Patienten hier schildern und jetzt auch in den letzten Wochen, Monaten, das sind genau dieselben Beschwerden, die Patienten mir schon vor zehn Jahren berichtet haben.“
Das Verhältnis zum Fleisch
Ein Treffen mit Stephan Christ in Cloppenburg. Christ ist Kirchenmusiker an mehreren Kirchen, für die Grünen sitzt er im Kreisrat. Christ ist Vegetarier. „Was hat man hier für ein Verhältnis zum Fleisch?“ - „Es ist Teil des täglichen Lebens, glaube ich. Also, wenn ich aus meiner Erfahrung von Zuhause erzähle: Bei meiner Mutter war die erste Frage: Was gibt es an Fleisch? Und dann ist die Frage, was gibt es dazu? Es ist also etwas, das ganz selbstverständlich ist. Es ist Teil, es gehört dazu und wird vielleicht zu selten hinterfragt.“
Christ ist in Cloppenburg aufgewachsen. Ging zum Studium nach Oldenburg. Und kam, wie so viele, wieder zurück. „Es kann nicht sein, dass wir hier, das wir Fleisch zu Dumpingpreisen produzieren hier auf Kosten der Tiere, auf Kosten der Umwelt und auf Kosten der Menschen, die hier arbeiten in dieser Industrie.“
Einen Ausstieg der Region aus der Schweinezucht hält aber auch der grüne Kommunalpolitiker Christ für falsch: „Also das ist ein Teil dieser Region und durch die Bündelung der verschiedenen Arbeitsschritte entstehen natürlich auch Symbioseeffekte und Synergien. Das ist definitiv ein Vorteil. Aber in dieser Intensität hat das Ausmaße angenommen, die nicht gut sind, die nicht zukunftsfähig sind.“
„Klare Rahmenbedingungen für unsere Landwirte, unter anderem um ihnen mehr Tierwohl zu ermöglichen“ – damit hatte bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr auch die CDU im Kreis Vechta geworben. Um die Transformation voranzubringen, haben die beiden Landkreise Vechta und Cloppenburg mit weiteren Partnern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft den Transformationsverbund Agrar gegründet, den an der Uni Vechta Barbara Grabkowsky leitet. „Und es ist ganz wichtig, dass die Landwirte, die die Basis unserer Lebensmittel letztendlich produzieren, nicht zu Verlierern. Das ist uns ein großes, ganz, ganz großes Anliegen. Landwirte an sich haben die intrinsische Motivation, auf ihren Höfen das zu produzieren, was von der Gesellschaft nachgefragt und wertgeschätzt wird.“
Tiere sollen wieder an die frische Luft
Für ein erhöhtes Tierwohl sollen die Tiere wieder an die frische Luft gebracht werden. Mit offenen Stallsystemen. Barbara Grabkowsky: „Hier gucken wir, wie können wir diese Betriebe so gut aufstellen, dass da keine Krankheiten eingetragen werden, dass da keine Emissionen ausgetragen werden? Selbst wenn die immer frische Luft bekommen können, die aber auch trotzdem krank werden. Wir gucken: Wie können die da gut ihr Tiermanagement betreiben? Aber wie können wir auch zum Beispiel Ställen, wie können wir Tiere zum Beispiel zum Sensoren machen? Wir haben ein ganz tolles Projekt, wo wir das Tier in den Mittelpunkt stellen. Wir etablieren ein Multisensor- System, wo wir alle Daten verwerten, die im Stall aufgenommen werden. Also: Wie viel frisst das Schwein, wie viel trinkt das Schwein? Aber auch wie gut ist die Luftqualität? Aber wie ist auch die Tieraktivität? Wie ist quasi die Stimmung im Stall?“
Bei den konventionell wirtschaftenden Landwirten ist die Stimmung derzeit schlecht. Viel Kritik richtete sich in den vergangenen Jahren an die damalige Bundesagrarministerin Julia Klöckner von der CDU. Eine Partei, die in der Region Cloppenburg/Vechta in der Vergangenheit über 70 Prozent Zustimmung erfahren hat. Und in der auch viele Landwirte Mitglied sind und sich kommunalpolitisch engagieren.
Auch Landwirt Heinrich Dierkes ist CDU-Mitglied: „Die Forderung der Landwirte ist schon länger, dass wir in bessere Haltungsstufen, aber auch in Herkunftsbezeichnungen investieren wollen. Und letztendlich macht es keinen Sinn uns zu sagen, ‚Ihr müsst bessere Ställe bauen‘, wenn wir keine Baugenehmigung kriegen. Ob das bei Frau Schulze von der SPD ist oder Frau Klöckner von der CDU, das ist schlichtweg nicht passiert. Und wir stehen vor der Situation, dass viele noch in Tierwohl investieren wollten, auch in einen besseren Stall, dass sie es aber schlichtweg nicht können, weil die Genehmigung nicht erfolgt.“
Dabei liegt ein durch einen breiten Konsens getragener Plan zur Nutztierhaltung vor: Der Borchert-Plan, benannt nach dem früheren CDU-Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert. Doch gesetzlich fixiert wurde der unter der letzten Bundesregierung nicht mehr. Und so müssen sie auch im Oldenburger Münsterland erleben, dass andere schneller entscheiden. Ab 2030 will der Discounter ALDI nur noch Frischfleisch der vom Handel selbst definierten höheren Haltungsstufen drei und vier verkaufen.
Barbara Grabkowsky vom Verbund Agrar Transformation: „Der Handel hat es jetzt in die Hand genommen, weil die auch sehen, wir haben hier diesen Umbau der Nutztierhaltung, der muss passieren. Und dieser, ich sag mal, dieser Eiertanz, der hier gerade stattfindet, das ist tatsächlich ein Risikofaktor für so ein Lebensmitteleinzelhandel. Und die haben jetzt den Weg vorgezeichnet. Leider haben sie es nicht im Dialog mit der Primärproduktion gemacht, weil natürlich, wenn ein Aldi sagt, ich möchte bis 2030 alles umgestellt haben, braucht es auch da die Politik und die Landwirte und Landwirtinnen, die eben das eben auch zuliefern können.“
Ohne die langfristigen gesetzlichen Grundlagen für die Nutztierhaltung zu kennen zögern aber viele Landwirte mit Investitionen in mehr Tierwohl. Und in den Landkreisen Vechta und Cloppenburg dürfte es problematisch werden, Genehmigungen zu bekommen für Ställe in den höchsten Tierwohlstufen. Denn dann sind die Tiere mehr an der frischen Luft, Abgase entweichen, anstatt in den geschlossenen Systemen der bisherigen Ställe zu bleiben. Ein neues Gesetz zur Nutztierhaltung zu verabschieden vorzulegen, dürfte eine der wichtigsten Aufgaben des grünen Agrarministers Cem Özdemir werden. Doch das wird wohl noch Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, die die Landwirte eigentlich nicht mehr haben, sagt Heinrich Dierkes.
„Wir müssen tatsächlich sagen, wir hätten uns dann auch von der CDU in den letzten fünf oder zehn Jahren mehr erwartet, weil auch das, was in der Branche sich abspielt, absehbar war. Und da ist zu wenig Gestaltung. Nein, ich habe also überhaupt kein Problem mit Landwirtschaftsministern, auch welcher Partei. Der Herr Özdemir ist auch nicht automatisch ein guter Landwirt, sagt er selber. Er hat nicht besonders viel Ahnung davon. Aber der macht ja von sich aus erstmal uns keine Angst.“
Die Schweinezucht - auch ein Wahlkampfthema
Eine Aussage, die sich mit den Erkenntnissen von Kulturanthropologin Christine Aka deckt. Politisch habe der Wandel im Oldenburger Münsterland längst eingesetzt. „Da würde ich sagen, da hat in den letzten Jahren sicherlich auch die CDU ja so circa 20 Prozent, vielleicht 25 Prozent verloren und Grüne nehmen zu. Das war ein absolutes Tabu, noch vor 20 Jahren. Es nimmt aber zu, weil auch hier das Bewusstsein für die Zerstörung der Natur und dieses übermächtige, ausufernde Wachstum in der Agrarindustrie viele Leute auch kritisch gemacht hat. Und von daher hat auch die CDU hier mittlerweile schon Probleme ihre Kandidaten immer durchzukriegen.“
Auf den gesellschaftlichen Wandel in seiner Heimatregion setzt auch Stephan Christ. Die Grünen haben ihn als Direktkandidaten für die niedersächsischen Landtagswahlen im Herbst nominiert: „Wir setzen uns ein, dass wir unseren Landkreis eben nachhaltiger aufbauen, dass wir die Transformation über die wir sprechen in der Landwirtschaft, dass das eben auch von Politik und Verwaltungsseite vorangebracht wird, das muss eine breite gesellschaftliche Diskussion werden. Wir setzen uns dafür ein, dass der Landkreis sozialer wird und auch noch mal die Kinder und Jugendlichen, die vielen, die wir hier haben, natürlich auch noch einmal besser gewertschätzt und beteiligt werden.“
Denn auch in Vechta und Cloppenburg gibt es Fridays-for-Future-Gruppen, die auf den Klimawandel hinweisen. Und die Frage, wie hier in Zukunft gelebt werden kann. Rund vier Jahrzehnte ist es her, dass Landwirt Heinrich Dierkes den Hof im Kreis Vechta von seinem Vater übernommen hat. Die Jahreszahl 1848 prangt auf dem Wohnhaus, der Hof aber sei noch viele Jahrhunderte älter. Auch in dem Stall, durch den er an diesem Morgen führt, haben die Tiere mehr Platz, Tierwohlstufe 2. Doch für die Stufen drei und vier müssten sie umbauen – und bräuchten eine Genehmigung. Fragen, die sich spätestens Dierkes Sohn stellen werden.
„Also wenn sich die Politik insoweit ändert, dass wieder Vertrauen in die Politik da ist, würde ich sagen, er will das weitermachen. Aber wenn die Konstellationen sich nicht ändern und wir nicht sichere Grundvoraussetzungen kriegen, Stichwort Borchert-Plan, dann würde ich ihn nicht unbedingt dazu zwingen wollen, dass er Landwirt bleiben muss oder, dass er unbedingt Schweine halten muss. Also ich schätze, das wird schwierig sein. Aber im Moment hat er viel Lust dazu. Und er kann das gut. Und deshalb würde er das weitermachen. Aber dann müssen die Bedingungen natürlich stimmen.“