Archiv

Schweiz setzt Sonderstaatsanwalt ein
FIFA-Präsident Gianni Infantino droht Suspendierung

Die Schweizer Justiz hat einen Sonderstaatsanwalt eingesetzt: Er soll Strafanzeigen gegen Fifa-Präsident Gianni Infantino und den Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber prüfen. Die beiden hatten sich zu vertraulichen Gesprächen getroffen - trotz Ermittlungen gegen die FIFA.

Von Thomas Kistner |
FIFA-Präsident Gianni Infantino bei einer Pressekonferenz in San Jose, Costa Rica, am 19. November 2019.
FIFA-Präsident Gianni Infantino könnte wegen der Ermittlungen der Schweizer Justiz sein Amt verlieren. (imago images / Agencia EFE)
Sonderstaatsanwalt Stefan Keller, Präsident des Ober- und Verwaltungsgerichts Obwalden, gilt unter Schweizer Fachleuten als sehr entschlossen. Er wird auch nicht den Justizkreisen zugerechnet, die Lauber um sich herum aufgebaut hat.
Für Infantino ist die Entwicklung dramatisch. Nur ein Schritt trennt den Chef des Fußball-Weltverbandes noch vom Amtsverlust. Falls ein Strafverfahren eingeleitet wird, muss ihn das Fifa-Ethikkomitee für 90 Tage suspendieren. So eine Sperre würde sich über den Fifa-Kongress im September erstrecken. Zudem müsste die neue Ethik-Ermittlung um eine weitere Causa ergänzt werden. Dabei geht es um eine teure Dienstreise Infantinos in einem Privatjet, die er nach Aktenlage mit einer glatten Lüge rechtfertigen ließ.
FIFA-President Gianni Infantino hätl beim 44. UEFA-Kongress in Amsterdam eine Rede
FIFA-Boss Infantino - Im Privatjet zu einem Treffen, das es nicht gab
FIFA-Boss Gianni Infantino hat sich 2017 eine teure Privatjet-Reise heim in die Schweiz gegönnt. Die sechsstelligen Kosten rechtfertigt er mit einem Treffen, das es nie gab. Unabhängige Rechtsexperten fordern nun, dass das FIFA-Ethikkomitee tätig wird.
Der Verdacht auf schwere Amtsgeheimnisverletzung und der Anstiftung dazu ist gut unterfüttert. Mails zeigen, wie Infantino bei den geheimen, nicht protokollierten Treffen mit Lauber Druck in eigener Sache machen wollte. Im April 2016 hatte Laubers Behörde nach einer Durchsuchung an Infantinos früherem Arbeitsplatz bei der Europäischen Fußball-Union in Nyon ein Verfahren eröffnet. Es ging um einen TV-Vertrag mit korrupten Rechtehändlern, die in den USA angeklagt sind. Dieser dubiose Kontrakt trug die Unterschrift des damaligen Uefa-Direktors Infantino. Aber die Bundesanwaltschaft ermittelte nur "gegen Unbekannt" und stellte die Sache 2017 ein.
Infantino drängte auf Treffen mit Lauber
Nun zeigen Mails, die auch dem Sonderermittler vorliegen, dass Infantino wiederholt auf Treffen mit Lauber gedrängt hatte. In Bezug auf die Uefa-Ermittlung hatte er sogar seinem privaten Justizberater Rinaldo Arnold, der zudem Oberstaatsanwalt der Region Oberwallis ist, mitgeteilt: "Ich werde versuchen, es der Bundesanwaltschaft zu erklären, da es ja auch in meinem Interesse ist, dass alles so schnell wie möglich geklärt wird, dass klar gesagt wird, dass ich damit nichts zu tun habe."
Arnold wiederum, inzwischen ebenfalls ein Beschuldigter, bestätigte Infantinos Vorhaben und schrieb zurück: "Wichtig ist nun die Sitzung in zwei Wochen. Wenn du willst, kann ich dich wiederum begleiten." Besagtes Treffen war Infantino sogar so wichtig, dass er sich den Privatjet des Emirs von Katar lieh, um es nicht zu verpassen.
Prüfen muss der Sonderermittler auch einen kollektiven Gedächtnisverlust bei Infantino und Lauber, die sich wie weitere Teilnehmer nicht mehr an ein Treffen im Juni 2017 erinnern wollen. Experten gehen davon aus, dass Keller die Verdachtslage als ausreichend für ein Strafverfahren einschätzt.