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Schweiz stimmt über Rundfunkgebühren ab
No Billag, No Cry?

In dieser Woche stimmen die Schweizer über die Zukunft der Rundfunkgebühren ab. Das Ergebnis der Abstimmung könnte die Medienlandschaft im Alpenland grundlegend verändern.

Von Dietrich Karl Mäurer |
    Aufkleber einer Initiative gegen No Billag
    Die Billag-Gebühr beträgt pro Jahr und Haushalt derzeit 451 Franken, knapp 390 Euro. (Dietrich Karl Mäurer)
    Florian Maier aus Zürich ist in diesen Tagen ein gefragter Interviewpartner. Der 29-Jährige hatte vor gut vier Jahren - gemeinsam mit zwei weiteren Mitgliedern der liberalen Partei "Die Jungfreisinnigen" - die Idee, die Rundfunkgebühren zu bekämpfen. Die nennt man in der Schweiz Billag, nach dem Namen der Firma, die den Betrag einzieht, der Billag AG: "Wir waren in 'ner Kneipe nach 'ner Vorstandssitzung der Partei, also der Jungfreisinnigen Partei des Kantons Zürich, und dann kam die Idee auf, eigentlich müsste man die Billag-Gebühren abschaffen. Und in der Schweiz haben wir ja dieses Mittel der Volksinitiative, indem man 100.000 Unterschriften sammeln kann, und dann hat man 'nen Vorschlag, die Verfassung zu ändern. Und wir dachten, doch das ist es. Diese Gebühren müssen weg."
    Die Idee wurde konkreter, weitere Unterstützer kamen dazu - etwa von der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei, SVP. Schließlich hatte man genügend Unterschriften zusammen, um eine Volksinitiative einzureichen. Die nun zur Abstimmung stehende Vorlage ist klar formuliert: Sie fordert, die Billag-Gebühren komplett abzuschaffen zum Januar nächsten Jahres. Zudem soll es dem Staat verboten werden, Sender zu unterstützen oder gar selbst zu betreiben. Dabei gehe es um Freiheit, betont Florian Maier: "Unser Ziel ist es eigentlich immer, mehr Freiheit zu den einzelnen Leuten zu geben. Das ist natürlich auch die finanzielle Freiheit. Und wenn man im Jahr rund 450 Franken bezahlen muss, für etwas, was man nicht bestellt hat, was man vielleicht gar nicht benutzt, dann ist das schon ein massiver Eingriff in diese Freiheit."
    "Und entsprechend wäre das das Ende der SRG"
    Die Billag-Gebühr beträgt pro Jahr und Haushalt derzeit 451 Franken. Das entspricht umgerechnet knapp 390 Euro. Ein Teil der Einnahmen geht an private Lokalradios- und TV-Sender. Das meiste bekommt die öffentlich-rechtliche Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft, SRG. Künftig - so der Wunsch der Gebührengegner - solle sich der Sender allein durch Werbeeinnahmen oder z.B. Abo-Gebühren finanzieren. Streichen will die No-Billag-Initiative auch einen Absatz in der Verfassung, der Radio- und Fernseh-Machern bislang einen klaren Programmauftrag gibt. Dem folgend produziert die SRG Radio- und TV-Programme, sowie Internetangebote für alle vier Sprachregionen der Schweiz - Information, Sport, Kultur, Unterhaltung.
    Florian Maier, Initiator der No-Billag-Initiative
    Florian Maier: Diese Gebühren müssen weg! (Dietrich Karl Mäurer)
    Damit dürfte Schluss sein, wenn die Mehrheit der Schweizer für die Abschaffung der Abgabe stimmen sollte. Denn fallen die Gebührengelder weg, dann muss der Sender schließen - rechnet Ladina Heimgartner vor. Die 37-jährige mit kurzem Blondschopf ist die stellvertretende Generaldirektorin des Senders: "Eine Annahme würde bedeuten, dass innert sehr kurzer Zeit 75 Prozent unserer Einnahmen, also die öffentlichen, die Gebühreneinnahmen entfallen. Gleichzeitig, wir haben ja 25 Prozent auch Werbeeinnahmen, auch die würden erodieren, weil - wenn man kein Programm machen kann, kann man auch die Werbung entsprechend nicht verkaufen. Also, wir hätten innert kürzester 90 oder mehr Prozent weniger Einnahmen - und entsprechend wäre das das Ende der SRG."
    Ladina Heimgartner ist nicht nur die stellvertretende Generaldirektorin der SRG, sondern auch verantwortlich für die Programme für den rätoromanischen Sprachraum. Mit Blick auf diese Minorität verweist sie auf die integrierende Rolle des öffentlichen Medienhauses: "Wir haben heute ja ein Solidaritätssystem, einen Finanzausgleich, das bedeutet, es werden die meisten Gelder in der deutschen Schweiz eingenommen, und damit werden aber auch die drei Minderheitsregionen, die französische, italienische und die rätoromanische Schweiz, unterstützt. Und ohne diese Unterstützung wäre es undenkbar in den Minoritäten, den Minderheitsregionen, Angebote in Radio und Fernsehen zu haben, das wäre eine massive Verarmung der viersprachigen Schweiz."
    Ohne Gebühren kein Jodler-Fest
    Parteien von bürgerlich bis links, Kirchen, Gewerkschaften, Sportler und vor allem Künstler rufen zur Solidarität mit der SRG auf und dazu, bei der Abstimmung die Vorlage der Gebührengegner abzulehnen. Etwa die Präsidentin des Jodler-Verbands, Karin Niederberger. Sie sieht in dem Sender einen wichtigen Partner für die Kulturschaffenden: "Wenn man so große Feste organisiert, wie das eidgenössische Jodler-Fest z.B., da brauchen wir Sponsoren-Partner, und ohne Medien haben wir keine Sponsoren. Und das ist eine Symbiose, die wir alle drei miteinander brauchen."
    Seit ein paar Jahren mischt sich die parteiunabhängige Bewegung "Operation Libero" vor wichtigen Volksabstimmungen in die Diskussion ein. Die Gruppe hat mehr als eine halbe Million Franken gesammelt. Davon klebte man landesweit Plakate mit dem Spruch: "Nein zum Anschlag auf die Demokratie". Die sieht man ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefährdet, erklärt Laura Zimmermann, die Co-Präsidentin der Operation Libero: "Medien, die die Bürgerinnen und Bürger informieren, die den Mächtigen auch kritisch auf die Finger schauen können, sind essentiell in einer Demokratie, hier bei uns ist das noch einmal ein bisschen verstärkt, weil wir ganz oft abstimmen und wählen dürfen, und deswegen brauchen wir eben diese Informationen nicht nur über unsere Schweiz, sondern auch über unseren Kanton, über unsere Gemeinde, und da würde ein schon ziemlich radikaler Kahlschlag stattfinden, wenn man die SRG am 4. März abschaffen würde."
    Die Abstimmung sorgt bei den für gewöhnlich auf Konsens bedachten Schweizern für kontroverse Diskussionen.
    "Ich finde es ist nicht fair gegenüber allen anderen Menschen, die das zahlen müssen, aber nicht benützen."
    "Ich befürchte, dass es nachher irgendwelche Firmen gibt oder Leute gibt, die sehr viel Geld haben und die Medien nachher bestimmen. Das wäre ganz schlecht."
    "Die andere Seite ist noch radikaler, die verlangen von jedem eine Gebühr, von jedem. Das ist ebenso radikal."
    Lagen vor einigen Monaten die Gebührengegner in Umfragen vorn, so deuten letzte Erhebungen auf eine klare Ablehnung der Vorlage. Eine Schweiz ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk können sich viele offenbar nicht vorstellen.