Henning Hübert: Seit gestern ist es raus: Mit mehr als einer Billion Euro will die EZB die Deflation in der Euro-Zone bekämpfen. Sie will lieber, dass alles teurer statt billiger wird. Der Euro hatte sich im Devisenhandel schon vorher im Vergleich zum Schweizer Franken in den freien Fall begeben, seit die Schweizer Nationalbank ihr Versprechen brach, ohne Ende Euros aufzukaufen, damit der Kurs eben nicht dahin fällt, wo er jetzt angekommen ist. Aktuell ist ein Euro sogar weniger wert als ein Schweizer Franken. Damit ist die Pizza in Waldshut-Tiengen für Schweizer jetzt bestimmt noch leckerer geworden, da wesentlich günstiger, ebenso das Sortiment der deutschen Discounter und der Buchläden an der Grenze. Aber wehe dem exportierenden Gewerbe: Swatch stöhnt und der Schweizer Buchhandel auch, weil alles aus seinem Land teurer geworden ist.
Was passiert da gerade? Frage an Dani Landolf, Geschäftsführer des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands.
Dani Landolf: Es ist ziemlich dramatisch, was in der Schweiz passiert im Moment. Mit dem Fall des Euros, Sie haben es eingangs gesagt, ist wirklich die gesamte Buchbranche betroffen. Und zwar beginnt das beim Autor, der jetzt weniger verdient in Deutschland, über den Buchhandel, der die Preise gezwungen ist zu senken, aber praktisch keine Marge schon jetzt hat, über die exportierenden Verlage, die ihren größten Teil des Umsatzes in Deutschland machen und jetzt da auf einen Schlag ein Fünftel weniger verdienen. Bei allen, bei der gesamten Schweizer Buchkette ist das große Wehklagen ausgebrochen, und das zurecht. Die Lage ist dramatisch und wir müssen im Moment schauen, welche Rezepte wir haben, nicht in Aktionismus verfallen, aber es ist so, dass wir irgendwie in einer Art reagieren müssen und wenig Mittel haben, um zu reagieren.
Hübert: Bleiben und Stille bewahren, sagte mal Gottfried Benn in dem Gedicht "Reisen". Zürich, meint er zum Beispiel, sei eine tiefere Stadt. Und Sie sagen, nicht in Aktionismus verfallen. Anders herum müssen Sie doch irgendwie an Ihre schweizerische Regierung sich wenden. Was ist Ihr Rezept kulturpolitisch?
Landolf: Kulturpolitisch machen wir uns da keine Illusionen, dass wir da als kleine Schweizer Buchbranche überhaupt eine Chance haben, diese großen Kursgeschichten überhaupt zu beeinflussen. Ich glaube, wir können zwei Sachen machen. Einerseits können wir versuchen, über den Handel zu kommunizieren, dass unsere Kunden, die den Buchhandlungen bis jetzt schon die Treue gehalten haben, obwohl die Preise jetzt schon immer ein bisschen teurer waren, als wenn man das bei Amazon über Online bestellt in Deutschland, dass diese Kunden weiter ins Geschäft kommen, dass wir denen ein bisschen die Währungsvorteile, die man beim Einkauf ja auch hat, weitergeben, dass man trotzdem verständlich macht und machen muss, dass in der Schweiz eben nicht nur die Pizza teurer ist, sondern auch das Buch. Und auf der anderen Seite kulturpolitisch, dass wir versuchen, was jetzt bereits eingefädelt ist, nämlich eine kleine Unterstützung an die Verlage, eine strukturelle Unterstützung in Ergänzung zu den einzelnen Projektbeiträgen, die die öffentliche Hand zum Teil zahlt, endlich durchzubringen, und da wird gerade heute die entsprechende Botschaft, die sogenannte Kulturbotschaft in der Kommission besprochen im Ständerat, und wir hoffen da zumindest auf ein klein wenig Unterstützung.
"Eine Franken-Insel im Euro-Raum"
Hübert: Wie sieht es eigentlich westlich des Rösti-Grabens aus, also in der französischsprachigen Schweiz? Die Buchpreisbindung gilt ja hier wie dort nicht bei Ihnen.
Landolf: Richtig. Das ist exakt das genau gleiche Problem. Wir sind hier diese Schweizer Insel, die von den Kulturschaffenden immer auch wieder als Problem empfunden wird rein ideologisch, wenn wir uns so von Europa abkapseln. Diese Schweiz, diese Insel ist jetzt wirklich obsolet geworden, weil für die ganze Schweiz gilt, wir sind eine Franken-Insel im Euro-Raum und werden jetzt dramatisch auf den Boden der Realität zurückgeholt, weil nämlich diese Trennung sich einfach so nicht machen lässt und wir jetzt mit diesen Preisgeschichten zu kämpfen haben, egal ob in der Westschweiz, im Tessin oder in der Deutschschweiz.
Hübert: Was ist denn jetzt Ihr Tipp an die Autoren? Martin Suter wird ja nun nicht umziehen in den Euro-Raum, nach Berlin oder so.
Hübert: Nützt ihm wahrscheinlich auch nicht so viel. Er hat, glaube ich, noch einen Wohnsitz auf Marbella oder irgendwo auf einer Insel im Süden. Aber der Tipp ist eigentlich an unsere Branche, wie ich gesagt habe: Nicht in Panik verfallen, versuchen, mit den Kunden zu reden, zu schauen, dass sie uns treu bleiben, ihnen kleine Währungsgewinne weiterzugeben. Das für den Handel. Und für die exportierenden Verlage, für die ist es ganz schwierig, weil da gibt es praktisch kein Rezept. Die meisten drucken bereits in Euro-Land. Es gibt ein schönes Bonmont eines Verlegers in der Schweiz, der sagt, ich zahle hier meiner Putzfrau einen höheren Lohn, als ein Lektor in Deutschland bekommt. Hier kann ich einfach nicht mehr viel machen. Die meisten haben die Zitrone ausgepresst, zahlen für Schweizer Verhältnisse schon bescheidene Löhne und haben hier ihre Kosten in der Schweiz, und da kann man kaum runtergehen. Man müsste fast sagen, geht nach Berlin und macht euren Verlag da auf. Das sage ich natürlich nicht, das würde mich wahnsinnig schmerzen als Verbandmensch, der dafür kämpft, dass wir in der Schweiz unsere Verlagsszene und auch den Buchhandel behalten können.
Hübert: …, sagt und hofft Dani Landolf in Zürich, Geschäftsführer des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands.
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