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Schweizer Buchverlage
"Die stecken alle ein bisschen in der Bredouille"

Der starke Franken macht den Schweizer Verlagen schwer zu schaffen. Dabei ist die Lage in den verschiedenen Regionen des Landes durchaus unterschiedlich, sagt der Schweizer Buchmarkt-Experte Carlo Bernasconi. Der Franken sei aber längst nicht das einzige Problem der Schweizer Verlage.

Carlo Bernasconi im Gespräch mit Beatrix Novy |
    An einem Infostand des Partnerlandes Schweiz auf der Leipziger Buchmesse in Leipzig (Sachsen) wird am 12.03.2014 mit dem Slogan "Schweiz ganz natürlich" geworben. Vom 13. bis 16. März präsentieren sich auf der Messe 2000 Verlage mit ihren Neuerscheinungen.
    Vor einem Jahr war die Schwseiz Partnerland der Leipziger Buchmesse. (picture-alliance/ dpa / Arno Burgi)
    Beatrix Novy: Bücher aus dem Schweizer Diogenes Verlag sind in Deutschland höchst populär. Seit Jahrzehnten bringt er viel gelesene Autoren heraus, von Friedrich Dürrenmatt bis Ian McEwan oder auch, noch mehr gelesen, Paulo Coelho. Deshalb erregte es einige Aufmerksamkeit, als diese Woche bekannt wurde, dass Diogenes dieses Jahr die Frankfurter Buchmesse schwänzen will, weil beim Export in Euro-Länder nicht mehr so viel abfällt wie bisher, seit die Schweiz Mitte Januar die Bindung des Schweizer Franken an den Euro aufgegeben hat und der Franken gestiegen ist. Jetzt kommt für den Franken nicht mehr so viel Euro rein.
    Carlo Bernasconi ist Fachjournalist für Verlagswesen. Er war lange Chefredakteur der Zeitschrift "Schweizer Buchhandel". Also der Richtige, um mal zu fragen, wie verallgemeinerbar denn die Diogenes Situation in der Schweiz ist.
    Carlo Bernasconi: Ja, zumindest diese Verlage, die einen großen Teil ihres Umsatzes im deutschsprachigen Ausland, aus der Schweiz betrachtet, erwirtschaften. Das sind zum Beispiel der Verlag Kein & Aber, das ist aber auch der Verlag Dörlemann oder der Unions Verlag. Die alle stecken natürlich auch ein bisschen in der Bredouille und wissen nicht so recht, wie sie jetzt ihren Auftritt in Frankfurt planen wollen. Vom Dörlemann Verlag weiß man, zeitgleich mit der Entscheidung oder mit der veröffentlichten Entscheidung des Diogenes Verlags, dass sie auch nicht mit einem eigenen Stand auf der Messe sein werden, und bei Kein & Aber gehen die Diskussionen intern noch ein Stück weiter. Dort weiß man auch nicht, ob man sich diesen Auftritt leisten will oder nicht.
    Novy: Das heißt, es ist möglich, dass noch mehr Schweizer Verlage absagen dieses Jahr?
    Bernasconi: Ja. Mit Sicherheit ist es Diogenes, mit Sicherheit ist es Dörlemann. Wer sonst noch dann abspringen wird, weiß man jetzt noch nicht. Die Messeabteilung des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands ist im Gespräch mit diesen Verlagen, um ihnen Alternativen anzubieten. Das ist aber alles zum Teil noch nicht in trockenen Tüchern.
    Amazon ist oft billigster Anbieter
    Novy: Wir sprechen ja jetzt über den starken Franken und den Euro. Gibt es noch andere Faktoren, vielleicht auch im Gefolge dieser Sache, die Schweizer Verlage zur Zeit mehr gefährden als vorher?
    Bernasconi: Mit Sicherheit ja. Man geht davon aus, dass die Umsätze von Amazon in der Schweiz sehr stark gewachsen sind, weil natürlich Amazon mitunter der billigste Anbieter für Bücher geworden ist im schweizerischen Markt.
    Novy: Und die lassen sich ja in Euro bezahlen, Amazon?
    Bernasconi: Die lassen sich in Euro bezahlen und rechnen die deutsche Mehrwertsteuer raus und zahlen keine Mehrwertsteuer in der Schweiz. Das ist eigentlich eine, wie soll man sagen, eine sehr unglückliche Situation, die man ja auch versucht, in Deutschland irgendwie in den Griff zu bekommen, dass diese Mehrwertsteuer-Einnahmen im Lande bleiben. Das macht natürlich allen anderen, den stationären und den anderen Internet-Buchhändlern ziemlich viel Bauchweh und damit auch den Verlagen, die dann natürlich ihre Umsätze in Euro noch mehr wachsen sehen beziehungsweise noch mehr Verschiebung in den Euro-Raum, was die Einnahmeseite anbelangt, erleben müssen mit den entsprechenden Folgen, dass sie dann weniger einnehmen bei dem derzeitigen Wechselkurs.
    Novy: Was für Strategien würden Sie denn als Experte den Verlagen raten? Was kann man da tun?
    Bernasconi: Das ist eine Diskussion, die ja offenbar auch in Deutschland läuft. Man versucht dann als Verlag, möglichst viel direkt zu verkaufen oder eigene Vertriebskanäle aufzubauen. Das ist eine relativ langwierige und nicht ganz so einfache Geschichte, denn viele Verlage wie zum Beispiel der Diogenes Verlag setzen sehr stark auf die Kooperation mit dem Buchhandel, haben damit auch Erfolg gehabt und werden es künftig auch noch haben. Aber wie gesagt: Auf die Dauer wird das wohl nicht mehr reichen.
    Lage in der Westschweiz noch viel schlimmer
    Novy: Die Schweiz hat seinerzeit die Buchpreisbindung ja abgeschafft. Wirkt sich das jetzt auch noch einmal besonders aus?
    Bernasconi: Ich denke schon, dass die fehlende Buchpreisbindung natürlich diese ganze Situation weiter verschärft. Man hatte 2012 versäumt, dem Schweizer Stimmvolk schmackhaft zu machen, dass gebundene Buchpreise doch ein Segen sein könnten, nicht nur für eine Branche, sondern auch für das kulturelle Leben eines Landes. Deswegen werden wir auf absehbare Zeit auch keine Rückkehr mehr haben zu festen Ladenpreisen. Ich denke, das ist für immer ein erledigtes Thema.
    Novy: Gibt es eigentlich Unterschiede in den verschiedenen Sprachräumen der Schweiz? Wie sieht denn die Lage bei französisch- und italienischsprachigen Schweizer Verlagen aus?
    Bernasconi: Lässt sich eigentlich nicht über einen Kamm scheren. Natürlich geht es denen, wenn man so will, genauso dreckig wie den deutschsprachigen oder den Deutsch-Schweizer Verlagen, die ja vor allem mit dem ausländischen Markt, also Deutschland, dann respektive Frankreich oder Italien, ihre Einkünfte erzielen müssen. In der Westschweiz ist es noch schlimmer, da gibt es fast keine Verlage mehr, die in der Lage sind, auf dem französischen Markt sich durchzusetzen oder zu behaupten. Das ist alles sehr kleinräumig und sehr kleinteilig geworden und auch abhängig von Fördergeldern, sei es vom Staat, aber hauptsächlich von privater Seite. Der Markt ist vor allem in der Westschweiz ziemlich schwierig geworden. Das hängt auch damit zusammen, dass natürlich die Importeure in der Westschweiz in den Händen von französischen Verlagskonglomeraten oder Konzernen sind, die dann die Einkaufspreise für die Westschweizer Buchhändler diktieren, die weit über den Preisen sind, die beispielsweise eine Firma wie Amazon.fr verlangt. Dort kämpft man noch verstärkt ums nackte Überleben als in der Deutschschweiz. Und mit Italien ist es dasselbe. Beziehungsweise mit den Tessiner Verlagen, da gibt es noch zwei, drei, die einigermaßen in der Lage sind, ein Programm auf die Beine zu stellen, aber auch das beschränkt sich zur Hauptsache auf regionale und damit meistens auch subventionierte Titel, in welcher Form auch immer. Das ist, würde ich meinen, nicht mehr zu vergleichen mit einer freien Marktwirtschaft wie auch immer, in der man um den Leser beziehungsweise um die Gunst des Lesers in einem gewissen sportlichen Sinne kämpfen kann.
    Novy: ..., sagt Carlo Bernasconi zur Situation der Schweizer Buchverlage.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.