Den Abschied von Sponsor SOCAR hat die Europäische Fußball-Union still und leise vollzogen. Stattdessen sponsort jetzt der russische Energiekonzern Gazprom die Europameisterschaft. Nach Medienberichten aus Aserbaidschan und Russland ersetzt das Unternehmen SOCAR.
Nach langem Schweigen hat der aserbaidschanische Ölkonzern erst Stellung bezogen, als die UEFA den Ausstieg bestätigt hat. Auf Deutschlandfunkanfrage begründet der Staatskonzern den Rückzug damit, schon im Jahr 2019 einen Strategiewechsel im Hinblick auf die sich schnell verändernde Weltwirtschaft und die Energiewende eingeleitet zu haben. Weiter heißt es in einem Statement:
"SOCAR hat schrittweise alle Kosten gesenkt, die nicht in den Rahmen der voraussichtlichen neuen Strategie fallen. Neben einigen anderen Projekten ist die Verlängerung des Partnerschaftsvertrags mit der UEFA aus dem Rahmen der neu ausgerichteten vorläufigen neuen Geschäftsstrategie gefallen. Deshalb hat sich SOCAR entschieden, die Partnerschaft mit der UEFA zu beenden."
Auf Grund der sinkenden Ölpreise muss der Konzern derzeit Verluste hinnehmen. Die Ratingagentur Fitch stufte SOCAR sogar zeitweise als instabil ein. Bisher war der Staatskonzern eine Melkkuh für Diktator Ilham Aliyev, erklärt der Schweizer Nationalrat Stefan Müller-Altermatt von der Partei "Die Mitte".
"Ein Ölhändler hat es nicht einfach im Moment, das ist klar. Aber das spielt wahrscheinlich bei dem Firmenkonstrukt von SOCAR auch nicht so eine große Rolle, weil SOCAR gehört Aliyev. Und Alijew kann mit dieser Firma machen, was er will. Er könnte Sie liquidieren, da würde kein Hahn danach krähen."
"Hin bis zur Beeinflussung von Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern"
Der Energieriese sei ein zentrales Steuerungsinstrument für die Außenpolitik und Sportpolitik des autoritären Präsidenten von Aserbaidschan, so der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe. Er beschäftigt sich seit Jahren mit dem politischen Einfluss des Landes in Europa.
"Es ist so, dass Aserbaidschan ein Rieseninteresse hat, sein Image aufzubessern, nicht an den Pranger gestellt zu werden, als ein autoritärer Staat, der Menschenrechte mit Füßen tritt und dass Aserbaidschan sich da gerne auch Sportorganisationen bedient. Das geht aber auch hin bis zur Beeinflussung von Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern. Und deswegen steht SOCAR immer im Mittelpunkt internationaler Anschuldigungen."
Und die gibt es nicht zu knapp:
- Während des Krieges um Bergkarabach hat SOCAR Kriegspropaganda verbreitet.
- Im Zusammenhang mit der Ermordung der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia sitzt der maltesische SOCAR-Chef in Untersuchungshaft.
- Und bei der Untersuchung eines internationalen Geldwäscheskandals haben lettische Behörden erzwungen, dass Schweizer-Banken Bankinformationen über SOCAR herausgeben müssen.
- Während des Krieges um Bergkarabach hat SOCAR Kriegspropaganda verbreitet.
- Im Zusammenhang mit der Ermordung der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia sitzt der maltesische SOCAR-Chef in Untersuchungshaft.
- Und bei der Untersuchung eines internationalen Geldwäscheskandals haben lettische Behörden erzwungen, dass Schweizer-Banken Bankinformationen über SOCAR herausgeben müssen.
Kulisse mit aufgebaut
Dabei ist die Schweiz ein wichtiger Standort für das Unternehmen, sagt Stefan Müller-Altermatt: "SOCAR benützt die Schweiz als Handelsplattform für ihren Rohstoff, denn sie verkaufen Gas und Öl. Den Großteil ihres Umsatzes macht SOCAR in Genf. Und das sind natürlich gewaltige Umsätze. Da reden wir von von Beträgen in der halben Höhe des Schweizer Bundesbudgets."
Außerdem ist die Schweiz ein Testmarkt für SOCAR. Das Unternehmen betreibt etwa 200 Tankstellen, zum großen Teil mit Shops des Lebensmittelkonzerns Migros. 2019 machte der Energieriese weltweit 48 Milliarden Euro Umsatz, 76 Prozent davon in der Schweiz. Nationalrat Müller-Altermatt ist das enge Verhältnis zwischen der Schweiz und Aserbaidschan ein Dorn im Auge. Als Mitglied der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Armenien kritisiert er deswegen auch den Spielort Baku und vor allem dass die Schweiz in Baku spielen muss. Speziell die Begegnung am 20. Juni gegen die Türkei erzürnt ihn:
Das ist der Tag der Wahlen in Armenien und die Schweiz spielt gegen die Türkei. Die Türkei, die zusammen mit Aserbaidschan diesen Krieg mit SOCAR-Geld, das in der Schweiz verdient wurde, geführt hat. Also das ist eine Konstellation, die ist unsäglich für die Schweiz. Unsere Fußballer werden zur Kulisse für die beiden Despoten im osmanischen Raum und wir sind quasi machtlos. Wir bilden diese Kulisse. Wunderbar. Wir haben sie sogar noch mit aufgebaut.
Müller-Altermatt fordert deshalb, dass die UEFA keine Spiele mehr nach Baku vergeben soll. Der gleichen Meinung ist Frank Schwabe, der auch in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sitzt:
"Wir brauchen eine öffentliche Debatte darüber, wie Sportorganisationen handeln, wie Sportorganisationen agieren. Sport ist eben nicht unpolitisch. Sportfunktionäre sagen ja sehr gerne, das hat mit Politik nichts zu tun. Hat es aber eben sehr wohl. Der Sport wird missbraucht durch autoritäre Staaten. Um sich reinzuwaschen."