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Schweizer Fondation Beyeler
Monet-Bilder nah an der Abstraktion

Der Impressionist Claude Monet gehört zu den Künstlern, mit deren Werken der Galerist Ernst Beyeler einst seine Sammlung begann. Es ist also nur konsequent, wenn die Fondation Beyeler ihr 20-jähriges Bestehen mit einer großen Monet-Ausstellung feiert. In den Mittelpunkt stellt Kurator Ulf Küster eine "Phase des großen Übergangs".

Von Christian Gampert |
    Claude Monet, Le bassin aux nymphéas, um 1917-1920, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler
    Claude Monet, Le bassin aux nymphéas, um 1917-1920, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler (picture alliance / Thierry Gachon/MAXPPP/dpa / Thierry Gachon)
    Die von Ulf Küster kuratierte Schau will nicht nur Blockbuster sein, das will sie nebenbei natürlich auch; sie will sich vor allem von anderen großen Monet-Ausstellungen unterscheiden, die das Terrain fast schon vollständig erkundet, bewirtschaftet, abgeweidet haben.
    Küster macht das relativ unbekümmert, indem er Früh- und Spätphase einfach weglässt: das Wesentliche, der Umbruch in Richtung einer fast gegenstandslosen, auf die Bildwirkung selbst zielenden Malerei habe in jener mittleren Periode zwischen 1880 und den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts stattgefunden, behauptet er. Deshalb müsse das nun im Zentrum der Ausstellung stehen.
    "Weil es die Phase des großen Übergangs ist. Diese Phase, wo Monet das Tor zur Abstraktion aufstößt. Er geht über die Möglichkeiten der Malerei hinaus. Das ist ein Bildrevolutionär, und indem er das zeigt, immer auch beim Sichtbaren bleibt, bereitet er der Darstellung des Sichtbaren einen großartigen Abschied."
    Phase des Suchens und Experimentierens
    Das Argument hat einiges für sich. Um 1880 ist für Monet jener neue, von ihm miterfundene Stil, den seine Gegner "Impressionismus" nannten, in vielen Facetten schon ausgereizt. Es beginnt eine Phase des Suchens und Experimentierens. Die impressionistische Malerei des Augenblicks, ihr charakteristisches Spiel mit Lichtstimmungen und Atmosphären, mit Landschaften und Jahreszeiten wird natürlich nicht über Bord geworfen; aber sie ist nun Ausgangspunkt für eine Reflexion über das Bild selbst, über das Medium der Malerei.
    Um 1880 bessern sich durch größere Verkäufe Monets finanzielle Verhältnisse; die Reisen ans Mittelmeer und später nach London erweitern sein Motiv-Repertoire und Farben-Spektrum. Die Ausstellung setzt nun – paradigmatisch - mit einem der berühmtesten Bilder ein, der in Dunst und Unschärfe verschwimmenden Kathedrale von Rouen aus dem Jahr 1894, die in warmem Licht badet. Das Sujet ist noch sichtbar, aber es geht schon hier um die Grenzen der Darstellung. Es geht weiter mit relativ unbekannten Werken in fahlen Farben, vieles selten gezeigt und aus Privatbesitz: Eisschollen auf der Seine, Weiden in Giverny, Serien von Bildern, die die Stimmung von Pappelalleen erkunden. Das ist auch Monet: einmal düstere Stimmungen bei gestochen scharf gemalten Schluchten, dann zart hingetupfte Wiesen und Mohnfelder in der Normandie.
    Auf der Suche nach dem rein Malerischen
    Und diese unglaublichen Sonnenuntergänge über der winterlichen Seine, die schon die Londoner Nebelbilder vorwegnehmen. Da experimentiert sich jemand durch verschiedene Landschaften hindurch – aber immer geht es um das Bild an sich, das durch einen grauen, grünen, bläulichen oder rosa Grundton eine Charakteristik erhält, die über die reine Gegenständlichkeit hinausweist. Natürlich werden wir auch in dieser großartigen Ausstellung quasi angehaucht von der Landschaft der Normandie, von den Felsen von Étretat, den Schattenspielen auf dem Meer, einsamen Hütten im Sturm und Figuren-Spiegelungen auf stillen Flüssen. Aber hier will jemand das rein Malerische.
    "Das ist jemand, der Landschaftsmalerei überwinden wollte. Landschaft ist immer das statische Bild. Er wollte Natur malen, und Natur ist die stetige Veränderung."
    Der schönste, größte Saal der Ausstellung ist sowieso dem Meer gewidmet – in all seinen Farben, in seiner Ruhe und Aufgewühltheit. Dann die London-Bilder, wir sind schon nach 1900, Nebel über der Themse, die Brücken versinken im Dunst wie bei Turner, darüber ein blutroter Kreis, die Sonne – schon das ist nah an der Abstraktion; ebenso wie die ersten Seerosenbilder aus Giverny, pure Farbwucherungen, die die Ausstellung beschließen.
    Inmitten all der politischen Umbrüche, 1870 bis 1914, sich auf die Landschaft zu konzentrieren, scheint zunächst etwas weltabgewandt. Aber in Monets Malweise spiegelt sich die Unruhe der Epoche, die dem Augenschein immer mehr misstraut und, wissenschaftlich und ideologisch, die Welt hinter dem Sichtbaren erkunden will. Die Fondation Beyeler nimmt das nun auf, indem sie begleitete frühmorgendliche Meditationen zu den Bildern anbietet. Man kann sich natürlich darüber lustig machen - aber es trifft auch eine bisher nicht beachtete Dimension von Monet.