"1971 war die Welt in Bewegung. Aber hier bei uns war es so, als ob die Zeit stillstehen würde."
Woodstock, Bürgerrechte und Emanzipation - einerseits bietet dieser Film pure Nostalgie. Denn schön war die Zeit, als man noch klare Feindbilder hatte. Als klar war, was gerecht und was ungerecht ist. Schön war die Zeit, als die Leute noch Lust hatten zu kämpfen, nicht zu müde waren für die öffentlichen Angelegenheiten, als man seine Freizeit in der "Real World" verbrachte. Heute ist alles komplizierter.
Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht Nora. Sie ist 36 Jahre alt, sie hat die Hälfte ihres Lebens auf dem Land verbracht auf einem Dorf im Appenzell. Glücklich verheiratet mit ihrem Gatten Hans, leben im Haushalt die zwei Söhne und der alte Vater von Hans, ein Patriarch wie er im Buche steht. Ziemlich viele Männer sind das also.
Geburtsstätte und ein Musterland der Demokratie
"Was hältst du davon, wenn ich wieder arbeiten würde?" - "Ist Dir das wichtiger, als unsere Familie? Und: Ohne meine Zustimmung kannst Du das gar nicht. So ist das Gesetz."
Kaum zu glauben. Mitten in Europa. Drei Jahre nach '68. Die Schweiz gilt zwar als eine Geburtsstätte und ein Musterland der Demokratie, trotzdem hatten dort Frauen bis 1971 kein Stimmrecht. Der Mann war von Rechts wegen das Oberhaupt der Familie, Frau und Kinder waren ihm in jeder Hinsicht unterstellt. Man wusste das, aber es fällt einem doch schwer, es sich vorzustellen.
Und auch viele Frauen hatten damals nichts gegen diese Rangordnung der Geschlechter.
"Frauen in der Politik, meine Damen, das ist schlichtweg gegen die göttliche Ordnung." - "Nein. ich bin nämlich für das Frauenstimmrecht." - "Zum Glück ist Ihre Meinung nicht ausschlaggebend."
Die Geschichte von Nora ist eine frei erfundene Geschichte, doch sie beruht im Wesentlichen auf historischen Ereignissen. In Form einer immer leichten, immer heiteren, niemals abgründigen Wohlfühlkomödie erzählt die Schweizer Regisseurin Petra Volpe davon, wie die Schweiz im Jahr 1971 das Frauenstimmrecht endlich einführte - als eines der letzten Länder im internationalen Vergleich.
Volpe hat damit einen der erfolgreichsten Schweizer Filme der jüngsten Zeit gedreht.
"Männer machen die Gesetze. Aber betroffen von diesen Gesetzen sind wir auch. Wobei es eigentlich glasklar ist, wie himmelschreiend ungerecht das ist."
Mehr als eine heitere Komödie
"Die göttliche Ordnung" ist ein Plädoyer für Zivilcourage, mit durchaus subversiven Zügen. Denn einerseits ist das zwar eine vor allem heitere Komödie, die sich über viele Menschen lustig macht, ohne dass es je scharf oder böse wird.
Dies ist auch ein sehr braver Film, der vor allem auf die nostalgischen Schauwerte und die heute nur noch absurd anmutende Borniertheit der Schweizer Provinz setzt, und auf verschmitzten Humor und einfache Witze.
"Das Weib hat in der Gemeinde zu schweigen, so steht's in der Bibel." - "Du sollst nicht ehebrechen steht auch in der Bibel."
Eine bescheiden wirkende Mutter Courage
Andererseits ist Hauptfigur Nora selbst eine nur bescheiden wirkende Mutter Courage. Unerschrocken, clever und charmant geht sie ihren Weg und das mit Erfolg.
Noras Geschichte ist exemplarisch und doch geht es ihr in der letztendlich glückenden persönlichen Befreiung besser als vielen ihrer Freundinnen und Altersgenossinnen.
Die Regisseurin verdichtet präzise, sensibel und stimmungsvoll Zeit und Zeitgeist jener Jahre. Zugleich wird klar, dass sich diese Männergesellschaft geschickt zu behaupten weiß und ihren Geschlechtsgenossinnen in den Rücken fällt.
Sie ist schon sehr göttlich, diese Ordnung. Und sie hat trotz Frauenstimmrecht auch bis heute noch Bestand, in subtilerer Form.