Den Bau von Minaretten verbieten, Masseneinwanderung stoppen, kriminelle Ausländer abschieben - mit solchen Positionen sorgt die Schweizerische Volkspartei immer wieder für Aufmerksamkeit - auch in Deutschland. "Klartext" nennt das Adrian Amstutz, der Fraktionschef der SVP im Berner Nationalrat:
"Wir reden Klartext in der SVP, und das gehört sich auch. Es gibt verschiedene Probleme, die man ansprechen muss. Ich denke da an das Zuwanderungsproblem. Wenn Deutschland so viele Zuwanderung hätte wie die Schweiz in den letzten zehn Jahren - also 800.000 mal 10, oder? Dann wären das acht Millionen, oder? -, ich weiß nicht, ob es Frau Merkel noch geben würde, oder?"
SVP verteidigt ihre Rhetorik als gezielte Übertreibung
Ihre Ziele formuliert die SVP kernig-provokant - vor Volksabstimmungen und Wahlen genauso wie im Parlament, wo die SVP die größte Fraktion stellt:
"Es gehört zum politischen Alltag, dass man zum Teil zugespitzt argumentiert damit, dass man a) wahrgenommen wird, und b) ist es manchmal nötig, dass man den Speer ein bisschen weiter schießt, als dass man das Ziel erreichen will, um dann eben auch Wirkung zu erzielen."
In der grundsätzlich auf Konsens ausgerichteten Schweizer Politik wird diese Haltung durchaus als aggressiv wahrgenommen. - Parlamentarier, wie Cédric Wermuth vom linken Flügel der Sozialdemokraten, machen ganz verschiedene Erfahrungen mit Abgeordneten der SVP:
"Sehr unterschiedlich, genau, weil es die größte Fraktion ist, gibt es auch sehr unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Strömungen innerhalb der Partei. Ich bin selber in einem Ausschuss tätig, in dem die Zusammenarbeit unmöglich ist, das ist die sogenannte staatspolitische Kommission. Da geht es insbesondere auch um Migrations- und Asylfragen. Und da sind die Fronten total verhärtet, da ist die Partei auf einer absoluten Rechtsaußen-Linie ohne die geringste Bereitschaft von ihrer Linie abzuweichen."
Manchmal werden auch Vorurteile abgebaut
Doch mit den Nationalkonservativen wird auch zusammengearbeitet. Selbst Vertreter von Parteien, bei denen man gemeinsame Positionen mit der SVP nicht vermuten würde, kooperieren mitunter, berichtet Regula Rytz, die Parteichefin der Schweizer Grünen:
"Wir haben natürlich sehr, sehr viele Differenzen in unserem Programm. Aber wir haben auch Gemeinsamkeiten. Ich arbeite zum Beispiel in der Verkehrskommission, ich bin die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen. Und da arbeite ich auch mit den SVP-Leuten zusammen. Es hat zum Beispiel einen großen Transportunternehmer, der mit mir zusammen für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene kämpft. Und da, wo es möglich ist, arbeiten wir zusammen und bauen auch gewisse Vorurteile ab."
Das wirke sich mitunter positiv aus in ideologischen Debatten über Themen, wo Grüne und SVP konträre Positionen vertreten. - Wesentlich mehr inhaltliche Überschneidungen gibt es zwischen der Schweizerischen Volkspartei und der rechtsliberalen FDP, dennoch legt die Liberale Doris Fiala Wert auf eine Abgrenzung:
"Wir sind beide Parteien rechts der Mitte. Der große Unterschied ist: Die FDP ist in der Schweiz die einzige Partei mit einem liberalen Geist rechts der Mitte. Demgegenüber ist die SVP eine wertekonservative Partei. Und da haben wir die großen Differenzen, die großen Diskussionen, in der internationalen Frage, in der Europafrage."
Tipps für deutsche Parlamentarierkollegen
Mit großer Aufmerksamkeit hat man auch in der Schweiz den Einzug der AfD in den Bundestag beobachtet. Was ist die richtige Reaktion darauf? Abgeleitet von ihren Erfahrungen mit der SVP haben die befragten Berner Parlamentarier Tipps für die Deutsche Politik. Sozialdemokrat Cédric Wermuth etwa warnt:
"Ich glaube, es ist ein bisschen eine unterschiedliche Konstellation, sicher. Aber falls sich die AfD ähnlich entwickeln sollte - oder die Situation - wie mit der SVP, dann ist, glaube ich, das Wichtigste, dass man nicht den Fehler machen darf und glauben darf, man kann Rechtspopulismus damit bekämpfen, indem man selber rechte Positionen in ihren Kernthemen einnimmt."
Auf keinen Fall die Politik des Gegners nachmachen, empfiehlt auch die Grüne Regula Rytz:
"Das ist wirklich das Allergefährlichste, weil die Menschen wählen dann das Original. Also, wenn hier die SVP mit abstrusen Vorstellungen wie zum Beispiel ein Burka-Verbot in der Verfassung kommt, dann müssen die anderen Parteien wirklich zusammenstehen und sagen: Das ist einer Demokratie unwürdig, Kleidervorschriften in die Verfassung zu schreiben. Also die größtmögliche Abgrenzung."
Liberale: Nicht den Kontakt zu den Bürgern verlieren
Und die Liberale Doris Fiala rät zu mehr Kontakt zwischen Politikern und Wählern:
"Das Allerwichtigste ist, dass wir Politiker nicht eine andere Flughöhe bekommen als vielleicht unsere Bürgerinnen und Bürger."
Keiner der befragten Schweizer Politiker will SVP und AfD direkt miteinander vergleichen - obwohl sich inhaltlich bei beiden rechten Parteien durchaus Parallelen aufdrängen.