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Schweizer Währungsturbulenzen
Harte Franken, harte Zeiten

Die Börsen waren überrascht, als die Schweiz den Franken vom Euro abkoppelte. Bislang hatte der starke Franken den Euro gestützt - ohne absehbares Ende der Euro-Schwäche allerdings kein Bund für die Ewigkeit. Nun entwickeln sich auch die Preise drastisch auseinander. Gut für deutsche Einzelhändler, dramatisch für den Tourismus der Eidgenossen.

Von Thomas Wagner |
    Eine Euro-Münze und ein Schweizer Franken werden am 15.01.2015 in Köln (Nordrhein-Westfalen) vor der Fahne der Eidgenossen zwischen den Fingern gehalten. Völlig überraschend hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Donnerstag die Kopplung des Franken an den Euro aufgehoben und damit Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst.
    Der starke Franke wirft Schatten auf die Wirtschaft der Schweiz. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Konstanz am Bodensee, nur ein paar Gehminuten von der Schweizer Grenze entfernt: Durch die schmalen, verwinkelten Gässchen rund um das Münster schieben sich Menschenmengen – wie jeden Samstag. Die meisten eilen mit prall gefüllten Einkaufstüten an den Schaufenstern vorbei, so auch Erika und Camilla Kristensen.
    "Wir kommen von Ermatingen in der Schweiz, gleich gegenüber. Aber ich glaube, das wird für uns sensationell ... für den 'Inkauftourismus'. Für den Einkaufstourismus ist es natürlich gut. Und jetzt ist es wahrscheinlich noch interessanter. Da kommen möglicherweise noch mehr. Ja natürlich: 20 Prozent. Das macht viel aus. Das ist viel. Das ist enorm viel."
    Seit Mitte Januar ist für die Schweizer Kundschaft alles, was die Konstanzer Geschäfte anbieten, von einem Augenblick auf den anderen um fast 20 Prozent billiger geworden - als Folge der Franken-Aufwertung. Völlig überraschend hat die schweizerische Nationalbank die Bindung des Franken an den Euro aufgegeben. Er wird jetzt erstmals in der Geschichte im Kurs von eins zu eins zum Euro gehandelt: Nie waren deutsche Waren für die Schweizer so günstig wie heute. Das nutzt auch dieser junge Schweizer und zeigt auf seine Einkaufstüte.
    "Socken. Die sind momentan günstig. Und die brauch' ich. Ich weiß nur, dass es eins zu eins ist. Und damit sind die Preise natürlich attraktiver geworden, auf jeden Fall. Was sich geändert hat, ist sicher: Es kommen sehr viel mehr Leute hierher aus der Schweiz, die jetzt versuchen, daraus Profit zu schlagen. Wenn man das heute gesehen hat – der Verkehr vom Zoll hierher. Das habe ich noch nie erlebt bis jetzt."
    Eskalation auf den Börsen
    Auseinander gebrochene Euro-Münze
    Der Euro ist unlängst etwas aus der Form geraten. (dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Die Entscheidung, die zu diesem großen Ansturm der Schweizer auf den deutschen Einzelhandel führt, wurde in einem altehrwürdigen Gebäude an der Zürcher Börsenstraße getroffen: Dort hat die Schweizer Nationalbank ihren Sitz. Und genau dort trat Mitte Januar ein elegant gekleideter Mann, Anfang 50, vor die Presse: "Die schweizerische Nationalbank hat beschlossen, den Mindestkurs von einem Franken 20 pro Euro aufzuheben und ihn nicht mehr mit Devisenkäufen durchzusetzen."
    Dieser eine Satz, den der Schweizer Nationalbankpräsident Thomas Jordan in die Mikrofone sprach, sorgte an den Finanzmärkten für große Turbulenzen: "Herr Haijek von Swatch spricht von einem Tsunami für die Wirtschaft." - "Die Aktien- und Devisenmärkte reagierten schnell und massiv."
    Der Schweizer Aktienindex, der blitzschnell in den Keller fällt; Schweizer Unternehmer, die von einem Wirtschafts-Tsunami sprechen: Mit der Ankündigung des Nationalbankpräsidenten, ab sofort die Bindung des Schweizer Franken an den Euro aufzukündigen, hatte niemand gerechnet. Denn die Schweizer Nationalbank hatte seit über drei Jahren mit Stützungskäufen genau diese Bindung hergestellt.
    Die Schweizer Nationalbank kaufte pro Jahr 300 bis 400 Milliarden Franken auf, um zu verhindern, dass die eigene Währung zu stark wird. Denn je größer die Finanzprobleme in der Euro-Zone wurden, desto mehr Anleger aus aller Welt legten ihr Kapital in dem als sicher geltenden Schweizer Franken an - mit der Folge, dass der Franken gegenüber dem Euro immer stärker wurde. Darunter litt die Schweizer Wirtschaft: Gäste blieben weg, weil Ferien in der Schweiz teuer wurden; Schweizer Unternehmen hatten Mühe, ihre Produkte in die EU zu exportieren.
    Diese Probleme bekam die Schweizer Nationalbank mit ihren Stützungskäufen zumindest teilweise in den Griff. Deshalb ist Nationalbankpräsident Thomas Jordan häufig in Erklärungsnot. Denn mit der Aufhebung der Bindung des Franken an den Euro sind all die Schwierigkeiten schlagartig wieder da - heftiger denn je.
    "Ja, wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass die Aufrechterhaltung der Mindestkurspolitik nicht mehr gerechtfertigt ist. Wir haben große Veränderungen in der geldpolitischen Ausrichtung in den großen Währungsräumen. Das hat zu großen Veränderungen in den Wechselkursen geführt."
    Schweiz will Euro nicht stützen
    Was sich im Ökonomen-Deutsch ziemlich kompliziert anhört, lässt sich relativ einfach so erklären:
    Gerade in den zurückliegenden Monaten schwächelte der Euro im Vergleich zum Dollar immer stärker - und damit auch die Schweizer Währung, die an den Euro gebunden war. Ursprünglich war die Schweiz aber davon ausgegangen, dass die Euro-Schwäche nur eine vorübergehende Erscheinung sein würde - ein Irrtum, wie sich herausstellte. Nach der Ankündigung der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen aufzukaufen und damit den Eurokurs künstlich niedrig zu halten, zogen die Eidgenossen die Reißleine. Stützungskäufe für den Euro - das kann sich schließlich auch die finanziell gut gepolsterte Schweiz nicht bis zum St. Nimmerleins-Tag leisten.
    "Man könnte negativ ...100 Milliarden am Markt aufnehmen. Da haben wir gerade vor Kurzen drüber gesprochen ..."
    In einem mausgrauen, großen Flachdachgebäude am Zürcher Paradeplatz, nur zehn Gehminuten von der Nationalbank entfernt, befindet sich das "Chief Investment Office" der schweizerischen Großbank UBS. Blütenweißes Hemd ohne Sakko und Krawatte - so unterhält sich Ökonom Bernd Aumann mit seinen Kollegen. Der schlanke Mittdreißiger stammt aus dem württembergischen Allgäu, hat bereits in der Schweiz Finanzmarktökonomie studiert und ist bei der UBS erfolgreicher Investmentbanker. Doch von dem Entscheid der schweizerischen Nationalbank und der Aufwertung des Franken wurde auch er kalt erwischt.
    "Die Aufhebung des Mindestkurses war sehr überraschend, für alle. Es gab Anfang des Jahres eine Umfrage. Da haben 22 Ökonomen gesagt, dass der Mindestkurs 2015 halten wird. Man ist davon ausgegangen, dass die SNB, die schweizerische Nationalbank, wirklich unbegrenzt Devisen kaufen will, um die Frankenaufwertung zu verhindern."
    EZB hält den Euro-Kurs niedrig
    Nach einigem Nachdenken kann Finanzanalyst Bernd Aumann die Entscheidung der schweizerischen Nationalbank jedoch nachvollziehen. Ein kleines Land wie die Schweiz sei mit ständigen Euro-Ankäufen zur Stützung der eigenen Währung überfordert, wenn die 'große' Europäische Zentralbank einen entgegengesetzten Kurs einschlage und den Euro künstlich niedrig halte.
    Das Eurozeichen vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt/Main mit Protestplakat
    Das Eurozeichen vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt/Main (hier mit Protestplakat). (imago / Hannelore Förster)
    "Es war absehbar, dass der Euro immer schwächer wird, dass die Europäische Zentralbank immer mehr Euro drucken wird und die Aufwertung auf den Franken zunehmen muss. Und in der Vergangenheit musste die Zentralbank sehr viel intervenieren und sah kein Ende in Sicht, nachdem die EZB ein Anleihenstaatsprogramm auflegen wird."
    Und das waren Summen, die jede Vorstellungskraft sprengten: Die Eurokrise wurde für die Schweiz als 'Nicht-Euro-Land' viel zu teuer, so Investment-Banker Aumüller. Er verweist auf die Jahresbilanzen der schweizerischen Nationalbank SNB: "Die SNB hatte 2007, vor der Finanzkrise, eine Bilanz von 120 Milliarden. Sie ist jetzt heute bei 580 Milliarden angekommen. Also diese Differenz spiegelt die Intervention der SNB sehr gut wieder. Es werden wohl 400 Milliarden gewesen sein ..."
    In diesem Fall bietet die riesige Bilanzsumme keinen Grund zur Freude. Sie rührt daher, dass die Nationalbank umgerechnet über 330 Milliarden Euro pro Jahr zur Stützung des Franken ausgab, also ungefähr eine Milliarde Euro pro Werktag – und das über drei Jahre hinweg.
    Franken werden gekauft
    Wie sehr der Schweizer Franken bei Anlegern in aller Welt geschätzt wird und das Vertrauen in den Euro schwindet, zeigte sich in den vergangenen Wochen. Im Büro von Bernd Aumann klingelten die Telefone unentwegt: Anleger wollen Franken kaufen.
    "Immer, wenn die Risikoeinschätzung der Anleger zunimmt, suchen sie sichere Anlagen. Diese Punkte, der Staatsanleihenkauf der EZB, die Neuwahlen in Griechenland, die wirtschaftliche Krise in Russland, all das hat die Frankenstärke beflügelt."
    ... wobei allerdings die Stärkung des Schweizer Franken stets mit einer Schwächung der Schweizer Wirtschaft eingeht – nach der Freigabe des Umtauschkurses mehr denn je.
    "Wir glauben, dass die Schweizer Wirtschaft hart getroffen ist durch diese Frankenaufwertung. Wir haben unsere Wachstumsprognosen für die Schweizer Wirtschaft sehr stark nach unten korrigiert. Wir haben jetzt auf 0,5 Prozent herunter korrigiert."
    Schwierigkeiten beim Export
    Verwaltungsratspräsident Valentin Vogt zeigt beim Rundgang durch eine riesige Fabrikhalle nicht ohne Stolz auf die Kurbelwelle, die so ähnlich aussieht wie der stählerne Knochen eines Dinosauriers. Aus solchen Teilen baut Burckhardt Compression in Winterthur Kompressor-Anlagen, mit denen Gase zu Flüssiggas verdichtet werden. Die Aggregate werden in alle Welt geliefert.
    "Der Exportanteil unseres Unternehmens ist 99,6 Prozent. Das heißt, wir sind mehr oder weniger komplett auf den Export angewiesen. Wenn man es vom Exportanteil anschaut, ist es gut ein Drittel, das in den Euroraum geht. Diese Franken-Stärke ist ein Problem für uns, auch die Aufhebung des Mindestkurses. Wir werden zusätzliche Optionen einleiten müssen, damit das Unternehmen erfolgreich bleibt."
    Die Frankenaufwertung, mit der sich das Unternehmen 'über Nacht' konfrontiert sah, ist ein deutlicher Wettbewerbsnachteil für Burkhardt Compression: Denn urplötzlich haben sich ihre Exportprodukte ins EU-Ausland um 20 Prozent verteuert.
    Einerseits kauft das Schweizer Unternehmen viele Teile auch im europäischen Ausland ein, seit neuestem um 20 Prozent günstiger. Andererseits erfolgt die Endmontage aber in der Schweiz, wo der Anlagenbauer über 500 Mitarbeiter beschäftigt – zu den hohen Schweizer Löhnen. Deshalb kann der günstige Einkauf den Wettbewerbsnachteil längst nicht ausgleichen. Verwaltungsrats-Chef Valentin Vogt muss sich deshalb etwas überlegen.
    "Wir werden probieren, effizienter zu werden, mehr noch zu automatisieren. Wir werden die Sachen, die wir zukaufen, vermehrt im Ausland zu kaufen und einfach weniger in der Schweiz, damit wir unsere Kosten weiter optimieren können."
    Valentin Vogt ist zuversichtlich, die Folgen der Frankenaufwertung im eigenen Betrieb irgendwie lösen zu können. Sich beruhigt in seinem Chefsessel zurücklehnen will er sich dennoch nicht. Denn Vogt ist in Personalunion auch Präsident des schweizerischen Arbeitgeberverbandes und muss in dieser Funktion alle Branchen im Blick behalten. Und dabei zeigen sich tiefe Sorgenfalten auf seiner Stirn.
    "Am heftigsten gebeutelt ist der Tourismus. Alle Exportunternehmen sind heftig gebeutelt. Es kommt jetzt darauf an, wo sich der Kurs einpendelt: Ich sag es einfach so: Wenn sich der Kurs bei 1 zu 1,10 einpendelt, dann werden sich viele Firmen schütteln. Manche werden das nicht überleben. Und wenn das sich bei einer Parität einpendelt, dann gibt es ein riesiges Problem in diesem Land. Es wird Strukturanpassungen bei 1,10 geben und größere Strukturanpassungen bei einem Verhältnis eins zu eins, ja."
    Strukturanpassungen – das bedeutet im Zweifelsfall: Personalabbau oder gar Entlassungen – bislang undenkbar im 'Wirtschaftswunderland Schweiz'. Noch ist es nicht soweit. Doch erste 'Schleifspuren' sind bereits erkennbar: Mehrere Betriebe haben vorübergehend die Wochenarbeitszeit erhöht bei gleicher Entlohnung – und dies in Übereinstimmung mit den Arbeitnehmervertretern: Die Bosse sorgen sich um die Wettbewerbsfähigkeit im Ausland, die Arbeitnehmer um ihre Arbeitsplätze. Dabei ist eine Branche besonders betroffen:
    Hohe Preise für Touristen
    Ein eisiger Wind pfeift über die Pisten des Ostschweizer Skigebiets Lenzerheide. Diejenigen, die sich an der Mittelstation der Rothornbahn die Skier anschnallen, müssen sich warm einpacken: Ski-Helm, Schal, den Anorak bis oben hin zugeknöpft - so machen sich zwei Männer, Anfang 60, zur Abfahrt bereit. Doch sie leiden in diesem Urlaub nicht nur unter der Kälte.
    "Ich komme aus Wiesbaden. Und das Dilemma war, dass das nicht vorhersehbar war, dass das so dramatisch ansteigen würde. Aber ich hab's nicht übers Herz gebracht, abzusagen." - "Wir hatten ja das Quartier schon vor einem Jahr gebucht. Und wir konnten das ja nicht mehr absagen. Wenn man jetzt essen geht, ist alles unbezahlbar. Also hier so ein Tellergericht 40, 50 Franken – das ist unbezahlbar."
    Trübe Zeiten für Touristen in den Skigebieten der Schweiz.
    Trübe Zeiten für Touristen in den Skigebieten der Schweiz. (AP)
    Das sind 50 Euro für ein Tellergericht; die Tageskarte für den Lift kostet jetzt 69 Euro. Wer kann, wer mag sich das noch leisten? Kaum mehr jemand, glaubt Service-Chefin Heidi Hirsch im nahegelegenen Bergrestaurant Scharmoin. Die gelernte Hotelfachfrau aus Stuttgart arbeitet seit sieben Jahren in der Schweiz – und macht sich nun große Sorgen. Schließlich kennt sie ihre Landsleute.
    "Der Schwabe an sich, der kommt dann erst mal nicht in die Schweiz, wenn es 20 Prozent teurer ist. Weil jetzt gehen die Schweizer nach Deutschland in die Ferien, nach Österreich. Die Österreicher, die Deutschen kommen jetzt nicht mehr in die Schweiz, weil alles 20 Prozent teurer geworden ist. Ich glaube, dass dauert jetzt noch so ein bisschen, ein bis zwei Monate, dass die Gäste immer weniger werden."
    Die Zahl der Gäste geht jetzt schon zurück. Direktor Bruno Fläcklin sitzt im Trachtensakko in seinem Büro, bespricht sich mit einer Mitarbeiterin. Er hat schon rosigere Zeiten erlebt.
    "Es gab Stornierungen. Aber es gab wenige Stornierungen. Also wir gehen jetzt im Moment gemäß einer Umfrage von zehn bis zwölf Stornierungen über das gesamte Feriengebiet aus. Es gibt die zweite Stufe – Gäste, die eben nachgefragt haben, ob man am Preis etwas machen kann. Und dann gibt es noch die dritte Stufe: Das sind die Gäste aus der Schweiz, die sich Gedanken machen, ob sie nicht eher ins Ausland in die Ferien gehen sollen."
    All das, schwant Fläcklin, ist erst der Anfang: In Zukunft werden die Probleme eher noch größer: "Ich denke, dass sicher die Nachfrage nachlassen wird auf den Sommer und auf den nächsten Winter aus der Schweiz und aus dem Ausland. Und deshalb müssen wir versuchen, mit unserem Produkt zu überzeugen."
    Fläcklin spricht von kostenlosen Skigebieten, von kostenlosem W-Lan im ganzen Skigebiet, von zusätzlichen Lift-Verbindungen zwischen den einzelnen Skipisten. All dies sollen die höheren Preise, die EU-Touristen seit neuestem in der Schweiz bezahlen müssen, wieder wettmachen. Nur eines kommt für Fläcklin und sein Team nicht infrage: "Es gibt keine Dumping-Angebote. Wir schrauben nicht am Preis, weder für den Schweizer noch für den ausländischen Gast. Also es wäre ja auch nicht vertretbar, wenn wir dem deutschen Gast einen Rabatt von 15 Prozent geben und der Schweizer bezahlt normal. Im Tourismus funktioniert das nicht."
    Unverhandelbare Mindestlöhne und Hoffnungen auf Euro-Stärke
    Preisnachlässe sind noch aus einem ganz anderen Grund keine Antwort auf den starken Frankenkurs: Schweizer Unternehmen müssen mit erheblich höheren Betriebs- und Personalkosten kalkulieren als ihre Mitbewerber aus den Nachbarländern Italien, Österreich, Frankreich oder Deutschland.
    "Grützi miteinand... Möchten Sie gerne etwas trinken?" - "I hätt gern a Café Creme...."
    Ueli Schumacher ist Inhaber eines großen Hotels in Lenzerheide. Vielen seiner Stammgäste bringt er auch mal persönlich den Kaffee an den Tisch, aber er wirkt dabei nicht mehr so unbeschwert wie noch vor einem Jahr: Wie soll er auf den aufgewerteten Frankenkurs reagieren? Mit Preisnachlässen tut auch er sich schwer, obwohl einige Gäste aus der EU-Nachbarschaft dies bereits gefordert haben.
    "Ich kann jetzt nicht mit den Löhnen runter. Wir haben unsere Mindestlöhne. Und der Mindestlohn liegt in der Berggastronomie bei 3408 Schweizer Franken. Das wären umgerechnet ungefähr 3300 Euro."
    So heftig sich die Auswirkungen des harten Franken bereits zeigen, so hilflos zeigen sich viele Fachleute in der Schweiz, wenn es um Lösungsansätze geht: Was tun, um der Exportwirtschaft wieder auf die Füße zu helfen, den Tourismus nachhaltig anzukurbeln und den Abfluss der Kaufkraft ins benachbarte europäische Grenzgebiet zu stoppen? Nationalbankpräsident Thomas Jordan spielt auf Zeit und baut langfristig auf die Selbstheilungskräfte der Finanzmärkte:
    "Der Franken, den wir heute beobachten, ist eine klare Überbewertung des Frankens. Und wenn wir eine Überbewertung des Frankens haben, dann werden die Märkte dafür sehen, dass diese Überbewertung über die Zeit sich auch wieder korrigiert. Wir haben auch Negativ-Zinsen eingeführt, die dazu helfen werden, diese Überbewertung wieder zu korrigieren."
    Schwere Zeiten für Franken und Euro
    Doch bis heute hat sich an der 'Überbewertung' des Schweizer Franken, wie es Nationalbankpräsident Thomas Jordan formuliert, nichts geändert: Ein Franken ist nach wie vor einen Euro wert, genauso wie in den Stunden nach der Freigabe der Wechselkurse. Wie es weiter geht, ist derzeit nicht absehbar. Eine Besserung ist für die Schweizer Wirtschaft nicht in Sicht. Dort macht sich deswegen immer mehr Verärgerung breit über die Finanzpolitik der Europäischen Union. Die nämlich, so sieht es der Schweizer Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt, finanziere ihre Schuldenpolitik verstärkt auf Pump, lasse die Notenpresse auf Hochtouren laufen und halte den Euro-Kurs damit künstlich niedrig – ohne Rücksicht auf Verluste in der Schweiz.
    "Das Problem ist ja der Druck, der entstanden ist, dass im EU-Raum die Strukturanpassungen nicht gemacht werden. Und mir macht das schon Sorgen, dass die strukturellen Probleme in diesen EU-Ländern nicht gelöst werden, sondern man probiert jetzt mit Geld diese Probleme wegzuschwemmen. Und das ist definitiv nicht die Lösung."
    Diese Kritik teilen im Übrigen nicht nur Schweizer Unternehmensvertreter. Claudius Marx ist Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee auf deutscher Seite der Grenzregion. Sein Konstanzer Büro liegt gerade mal ein paar Gehminuten von der Schweizer Grenze entfernt. Dass sich am harten Frankenkurs so bald etwas ändert und die Zeiten für die Schweizer Wirtschaft wieder rosiger werden, mag er nicht so recht glauben. Wie der Schweizer Arbeitgeberpräsident begründet auch Marx seine Prognose mit der Geldmarktpolitik in der Eurozone.
    "Die Stärke des Franken ist ja nichts anderes als der Spiegel der Schwäche des Euro. Das heißt: Wie sich dieser Kurs jetzt entwickeln wird, hängt maßgeblich davon ab, welches Vertrauen die Welt in den Euro hat. Und wenn Sie die Entscheidung, die die Europäische Zentralbank angekündigt hat, in den Blick nehmen, dann fürchte ich, wird eher der Drang zur Flucht aus dem Euro noch zunehmen und nicht abnehmen. Das heißt: Der Euro wird weiter schwach bleiben und der Franken stark."