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Schwere Unfälle wird es immer wieder geben

Umwelt. - Ölunfälle wie zuletzt der Untergang der "Deep Water Horizon" im Golf von Mexiko gibt es alle paar Jahre. Eine Auswertung der Havariestatistik, die Schweizer Forscher jetzt auf der Internationalen Konferenz für Naturkatastrophen und -risiken in Davos vorstellten, zeigt: Das wird auch in Zukunft so bleiben.

Von Volker Mrasek |
    1200 Unfälle, bei denen mindestens 200 Tonnen Erdöl austraten – so viele gab es zwischen 1974 und 2010 weltweit. Das waren mehr als 30 pro Jahr - typischerweise Unglücke auf Bohrinseln, Havarien von Tankern und leckgeschlagene Pipelines. Die Zahlen stammen aus einer besonderen Schweizer Datenbank. In ihr sind alle nennenswerten Unfälle im Energiesektor aus den letzten Jahrzehnten gespeichert. Forscher des Paul-Scherrer-Instituts in Villigen bei Zürich nutzten die Daten jetzt, um Trends bei Öl-Katastrophen abzuleiten. Peter Burgherr, Leiter der Arbeitsgruppe für Technologiebewertung im Institut:

    "Also, bei Schiffen haben wir einen klar fallenden Trend, sowohl was die Anzahl der Unfälle angeht, als auch was die Gesamtmenge des ausgeflossenen Öles anbelangt. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, daß man dort einerseits beim Bau der Schiffe viel gemacht hat. Doppelwandige Tanker, aber auch GPS und andere Navigationshilfen, die verwendet werden."

    Das letzte größere Tankerunglück liegt inzwischen fast zehn Jahre zurück:

    "Das war der Unfall der 'Prestige'. Das war in einem ziemlich starken Sturm vor der galizischen Küste auf der spanischen Seite. Das war ein alter, einwandiger Tanker."

    Nicht so eindeutig ist die Entwicklung bei der Erdöl-Förderung im Meer:

    "Bei den Bohrinseln sehen wir eigentlich keinen klaren Trend, sondern es geht immer ein bisschen rauf und runter und ändert sich von Jahr zu Jahr. Es gibt schon Unfälle, aber viele haben dann nicht so große Folgen. Aber es gibt auch Annahmen, daß es eher zunehmen könnte in der Zukunft. Der Grund dafür ist, daß man einerseits immer tiefer bohrt, aber auch unter immer extremeren Umweltbedingungen wie zum Beispiel in der Arktis. Das kann natürlich schon dazu führen, daß man dann mehr Probleme bekommt."

    Probleme wie 2010 im Golf von Mexiko, als es zu einer Explosion auf der BP-Plattform Deepwater Horizon kam und zu einem so genannten Blow-out im Bohrloch in 1500 Metern Tiefe. Fast drei Monate lang strömte Öl aus der Lagerstätte ungehindert ins Meer. Peter Burgherrs Arbeitsgruppe wollte wissen, wie oft es statistisch gesehen zu solch einer Katastrophe kommt. Dafür benutzten die Forscher Methoden aus der Extremwertstatistik.

    "Wir haben dann eine Analyse gemacht mit und ohne den Deepwater-Horizon-Unfall, um zu sehen, ob sich die Wiederholfrequenz von so großen Unfällen ändert. Und das war eigentlich nicht groß der Fall. Man kann ganz grob sagen, daß man so einen Unfall etwa alle 20 Jahre erwarten kann. Und das bedeutet natürlich, daß Deepwater Horizon wirklich kein Ausreißer war, sondern daß man damit rechnen muss und daß man sich auch darauf vorbereiten sollte. Nicht nur die Firmen, sondern auch die Länder, in deren Gewässern solche Bohrungen stattfinden, damit man die Umweltauswirkungen minimieren kann, wenn es / passiert."

    1979 gab es schon einmal einen schweren Unfall im Golf von Mexiko, auf einer mexikanischen Plattform. Damals versagte der sogenannte Blow-out Preventer, ein riesiger Bohrloch-Aufsatz mit Absperrventilen. 31 Jahre später das gleiche Debakel beim Deepwater-Horizon-Unglück: Wieder funktionierte der Preventer nicht wie vorgesehen. Burgherr:

    "Und dann kann man sich natürlich schon auch wieder die Frage stellen, ob wir etwas gelernt haben aus der Geschichte. Das ist so typisch für [die] Industrie und auch für die Forschung, daß man immer sagt ,lessons learned' nach einem Unfall. Und das ist wieder ein Beispiel, wo nicht so klar ist, ob das funktioniert hat."

    Offensichtlich nicht! Deepwater Horizon wird vermutlich nicht die letzte große Katastrophe der Öl-Förderung im Meer gewesen sein. Und auch bei Tankern bleiben schwere Unglücke in Zukunft keineswegs ausgeschlossen. Denn auch ein modernes Schiff mit doppelwandigem Rumpf könnte irgendwann einmal in einem starken Sturm auseinanderbrechen und seine ganze Öl-Ladung verlieren.