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Schwere Vorwürfe gegen Textilfabrikanten in Argentinien

Nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch mit fast 300 Toten wird die Kritik an den Arbeitsbedingungen in den Fabriken wieder laut. In der Textilproduktion in Südamerika sollen die Zustände nicht besser sein – eine Organisation in Argentinien erhebt schwere Vorwürfe gegen die Modekette Zara.

Von Anne Herrberg |
    Mitte April in der Einkaufsstraße Florida von Buenos Aires. Vor einer Filiale der Modekette Zara haben sich rund 40 Demonstranten versammelt. "Zara = Sklaventreiber" steht auf mitgebrachten Plakaten. Zu der Aktion aufgerufen hatte die argentinische Nichtregierungsorganisation La Alameda, die seit Jahren gegen Menschenhandel und Sklavenarbeit im Textilsektor kämpft. Sie erhebt schwere Vorwürfe gegen die Modekette Zara – Gustavo Vera von La Alameda:

    "Wir sagen, dass Zara Kleidung in illegalen Nähereien fertigen lässt, in denen sklavereiähnliche Zustände herrschen. Bis zu 14 Stunden Arbeit pro Tag, bei umgerechnet 60 Cent Lohn pro Stunde. Die Arbeiter arbeiten und schlafen im selben Raum, es gibt keine ausrechende Belüftung, elektrische Kabel hängen einfach so herum. Das alles haben wir in einer Werkstatt entdeckt, die für eine Zulieferfirma von Zara arbeitet. Karina Kanaan, ein legales Unternehmen mit weißer Weste, doch sie lagern ihre Produktion aus in Nähereien, die außerhalb des Gesetzes operieren."

    Gustavo Veras Organisation hat ein Video gedreht um die Vorwürfe zu belegen, gefilmt mit versteckter Kamera.

    Ein Lockvogel - getarnt als Schneider, der Arbeit sucht – filmt darin Zustände in einer illegalen Näherei. Zu sehen ist ein Paket mit einem Lieferschein: "Zara Argentina S.A." seht darauf. Und auf Nachfrage bestätigt ein Arbeiter: Ja, hier werde auch für Zara produziert.

    La Alameda erstattete daraufhin Strafanzeige gegen die Zara, und damit gegen den Mutterkonzern Inditex, das größte Textilunternehmen der Welt. Gustavo Vera:

    "Hier geht es nicht nur um Moral. Anders als in Europa verpflichten argentinische Gesetze ein Unternehmen zur "solidarischen Verantwortung". Das heißt, der Mutterkonzern, in diesem Fall Zara-Inditex, ist straf- und arbeitsrechtlich verantwortlich für die gesamte Produktionskette."

    Inditex weist die Anschuldigungen von La Alameda zurück. Es bestehe keinerlei Verbindung zu den Zulieferern. Vorwürfe gegen die Modefirma und ihre Arbeitsbedingungen gab es jedoch auch vor zwei Jahren in Brasilien. Und bei Razzien von Behörden in einer illegalen Näherei von Buenos Aires fanden sich zumindest Etiketten von Zara. Wie in Südostasien seien die Bedingungen im Textilsektor Südamerikas skandalös, sagt Gustavo Vera. Selbst die Handelskammer der Branche gibt an, 78 Prozent werde in Argentinien illegal gefertigt.

    "Die Regierung verdeckt diese Situation bewusst, weil Politik und Justiz teilweise in diese illegalen Praktiken involviert sind. Bisher gibt es trotz aller Anzeigen nur ein Urteil gegen einen einzigen Unternehmer und den Halter der zugehörigen illegalen Näherei. Nach unseren Nachforschungen arbeiten aber über 100 Unternehmen mit diesen Strukturen, darunter internationale wie Zara, aber auch Adidas oder Le Coq Sportif. Wir sprechen von einer viertel Million Arbeiter in diesem illegalen Sektor."

    Die Weichen für die Ausbeutung werden in den ärmeren Nachbarländern Argentiniens gestellt. Silvia, 27, kommt aus La Paz, Bolivien:

    "Im Radio wurde gesagt, in Argentinien gibt es gute Arbeit, ich habe mich gemeldet, sie versprachen 300 Dollar pro Monat, in Bolivien gibt es kaum gut bezahlte Arbeit. Dann haben sie mich hierher gebracht und mir meinen Pass abgenommen. In den ersten drei Monaten musste ich umsonst arbeiten – die Schulden bezahlen für die Reisekosten. Dann zahlten sie weniger als abgemacht. Als ich das erste Mal Ausgang bekam, traf ich zufällig jemanden von La Alameda, sie halfen mir."

    Jorge Bergolgio, heute Papst Franziskus, unterstützte in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires die Arbeit der Organisation La Alameda. Seitdem ist auch die Zahl illegaler Nähereien in Buenos Aires von 5000 auf schätzungsweise 3000 zurückgegangen – doch viele seien einfach vor die Tore der Hauptstadt gezogen. Dort, so die Organisation, seien die Behörden noch korrupter als in der Hauptstadt und würden daher laxer vorgehen.